Der Kantersieg in Spiel 3 am Sonntag gab den Red Sox nochmal Hoffnung, ebenso das Outing von Chris Sale am Montag in Spiel 4. Doch letztlich bewiesen dann doch die Astros den längeren Atem, wurden ihrer Favoritenrolle gerecht und zogen in die ALCS ein. Für Boston bleibt nur die Gewissheit, dass es abermals nicht gereicht hat, trotz großer Erwartungen allenthalben.
Die Boston Red Sox waren die Golden State Warriors der MLB - so jedenfalls nannte sie Brian Cashman, General Manager des Erzrivalen New York Yankees, nachdem die Sox im Dezember mit Chris Sale vielleicht den Trade des Winters eingetütet hatten. Der Star-Lefty sollte die perfekte Ergänzung zu David Price werden, den man bereits ein Jahr zuvor für über 200 Millionen Dollar verpflichtet hatte.
Die Überlegung war, dass mit zwei Top-Pitchern das fehlende Puzzleteil gefunden sei, um den nächsten Schritt zu gehen. 2016 gewannen die Sox die AL East, mussten jedoch in den Playoffs feststellen, dass ein Top-Pitcher und viele Wackelkandidaten dahinter in der Rotation nicht genug waren für den ganz großen Wurf - zumal Price bislang noch nie so richtig im Oktober als Starter überzeugt hatte.
Sale sollte also diese Lücke schließen. Und er lieferte - von Anfang an. Er dominierte die American League nach Belieben, sammelte bis Jahresende sagenhafte 308 Strikeouts. Seit Randy Johnson und Curt Schilling 2002 hatte keiner mehr mehr als 300 Ks gesammelt - seit Pedro Martinez 2001 sogar niemand mehr in der AL. Sale wirkte wie der Glücksgriff, den sich die Sox gewünscht hatten.
Boston Red Sox: Chris Sales Formkurve geht seit August bergab
Seit August jedoch ging seine Formkurve merklich nach unten, er wurde des Öfteren hart geschlagen und wirkte keineswegs mehr wie der Über-Pitcher der letzten Monate. Er setzte noch Glanzlichter, aber nicht mehr mit der Konstanz vom Saisonbeginn. Wie schon in den letzten Jahren in Chicago schien der Linkshänder erschöpft. Die gängige Theorie: Mit seinen knapp 81 Kilogramm Körpergewicht verteilt auf 1,98 Meter Größe, scheint der Schlacks nicht die nötige Substanz mitzubringen, um über die volle Distanz einer langen Saison zu gehen.
Hatte man in Chicago noch die vielen Complete Games für das verhältnismäßig schwache Ende verantwortlich gemacht - gingen die Red Sox eher vorsichtig mit ihm um. In der Regel pitchte Sale nicht mehr als sieben Innings. Er führte damit aber auch in diesem Jahr die MLB bei den Innings an. 214 1/3 waren es in diesem Jahr, im Vorjahr gar 226 2/3.
In der ALDS wurde Sale in Spiel 1 kräftig von den Houston Astros verhauen - sieben Runs in fünf Innings. Und die weiteren Starter der Serie hießen Drew Pomeranz und Doug Fister, nachdem Vorjahres-Cy-Young-Gewinner Rick Porcello von vornherein keine Option war und dann eben doch notgedrungen Spiel 4 startete. Zum Vorjahr hatte sich also nichts geändert.
Erschwerend hinzu kamen freilich die zahlreichen Unterarm- und Ellenbogenprobleme von Price, sodass dieser nicht seinen Teil zum Top-Duo beitragen konnte. Price war für die Playoffs lediglich im Bullpen einsatzbereit. Dort allerdings überzeugte er in Spiel 2 und 3 nachhaltig. Sale dann in Spiel 4 auch, er gab schließlich aber doch den Homerun zum Ausgleich ab und der ultimative Führungs-Run ging ebenso auf sein Konto.
Boston Red Sox: Personal gegen Top-Gegner nicht gut genug
Die Saison der Red Sox endete 2017 also in etwa so wie 2016. Die Umstände waren geringfügig andere, doch die Erkenntnis bleibt, dass das Personal zwar zum Gewinn der AL East gereicht hat, Duelle gegen die ganz große Konkurrenz aber auch deshalb verloren gingen, weil es in der Spitze dann doch an zu vielen Stellen fehlte.
Da wäre die Offensive, die sich ob des vom zurückgetrenen Superstar David Ortiz zurückgelassenen Vakuums umstellen musste und mächtig an Power eingebüßt hat - Boston erzielte 40 Homeruns und knapp 80 Runs weniger als 2016. Seine garantierten 30 Homeruns im Jahr wurden keineswegs ersetzt. Sie fanden andere Wege, Runs zu erzielen. Doch ihre Offensive gehörte auf das Jahr betrachtet zu den schwächeren Einheiten der Liga. Dies, kombiniert mit einem Pitching-Staff, der für die ganz großen Aufgaben nicht gut genug ist - mit Ausnahme von Sale, Price und Star-Closer Craig Kimbrel in Topform - und man hat ein Team, das im Oktober nicht allzu weit kommen wird.
Eine Frage, die Kritiker wie Fans schon seit längerem zu beschäftigen scheint, ist die nach Manager John Farrell. Dieser hat einen Vertrag bis Ende 2018, nachdem die Sox schon vor längerem die entsprechende Option gezogen haben. Doch wird er diesen Deal auch erfüllen dürfen? Sicher darf man nicht zu viel Wert darauflegen, was die lokalen Medien Bostons so vor sich hin schwadronieren, aber eines ist auch klar: Seit dem World-Series-Triumph 2013 wurden zweimal die Playoffs auf dem letzten Platz der Division gänzlich verpasst, zweimal war in Runde eins Schluss.
Nicht vergessen darf man in dieser Hinsicht auch, dass Farrell noch vor der Ankunft vom President of Baseball Operations Dave Dombrowski angeheuert wurde. Dombrowski, der erst Ende 2015 übernahm, hatte also noch nie wirklich die Möglichkeit, einen eigenen Manager zu verpflichten. In diese Situation aber könnte er nun kommen, wenn es die Red Sox als notwendig erachten, den aktuellen Manager infrage zu stellen. Farrells Ejection im zweiten Inning von Spiel 4 könnte also sein letzter Akt für Boston gewesen sein, was sinnbildlichen Charakter hätte.
Boston Red Sox: Das Personalgerüst steht
Mit oder ohne Farrell sieht das Team aber auch 2018 auf dem Papier vielversprechend aus. Youngsters wie Outfielder Mookie Betts, Shortstop Xander Bogaerts oder die Rookies Outfielder Andrew Benintendi und Third Baseman Rafael Devers sorgen für frischen Wind, während auf Veterans wie Dustin Pedroia, der sich wohl einer komplizierten Knieoperation unterziehen wird, oder Hanley Ramirez - Gesundheit vorausgesetzt - immer noch Verlass ist.
Upgrades sind jedoch erforderlich und ersten Gerüchten zufolge wird das Team ein paar Planstellen gezielt in Angriff nehmen. First Base wird immer mal wieder genannt, wobei Mitch Moreland seine Sache gut machte. Er wird allerdings Free Agent, sodass man sich umsehen wird. Ein Yonder Alonso käme infrage, ebenso Carlos Santana, der die teurere Lösung wäre.
Im Outfield wiederum scheint J.D. Martinez nach seiner starken Saison in Arizona im Fokus zu stehen. In Sachen Rotation gäbe es überdies auch die eine oder andere hochwertige Option. Fraglich ist jedoch, ob die Red Sox hierfür sonderlich viel Geld in die Hand nehmen möchten, da Price schon sehr teuer ist, und Sale dies in absehbarer Zeit sein wird.
Ein Blick aufs Gesamtgebilde zeigt, dass die Red Sox im Lineup über wenig echte Lücken verfügen, während die Rotation durchaus Defizite aufweist - und darüber hinaus gesundheitliche Fragen aufwirft. Die Manager-Position muss überdies geklärt werden.
Boston Red Sox brauchen Verstärkungen
Am Ende der Saison 2017 stehen die Red Sox alles in allem aber da, wo sie schon 2016 zu diesem Zeitpunkt waren. Nicht unbedingt am Scheideweg, aber an einem Punkt, der für sie nicht zufriedenstellend sein kann. Im Grunde haben sie sich nicht vorwärts, sondern vielleicht sogar durch den Ortiz-Abschied leicht zurückbewegt.
Die große Frage - und die Herausforderung in den kommenden Wochen und Monaten - ist nun, wie sie selbst mit diesem Wissen umgehen. Reicht es, die AL East zu beherrschen, was mit stetig wachsenden Yankees keine Garantie ist? Oder will man mehr? Wenn ja, dann müssen Ergänzungen mit hohem Niveau vorgenommen werden. Optionen gibt es, doch wie motiviert wird man sein, um solche auch zu realisieren?
Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.