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Moneyball-Pionier Billy Beane im Interview: "Gut, dass Kepler nicht zu Bayern ging"

Von Daniel Herzog
Billy Beane (l.) gilt als Moneyball-Pionier und ist von Max Kepler begeistert
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SPOX: Sie sind nun schon seit 20 Jahren bei den Oakland Athletics. Was hat sich seit Ihrem ersten Tag hier verändert?

Beane: Mehr als alles andere die Personen, die hier jetzt in Front Offices arbeiten, und wie clever sie sind. Die MLB ist mittlerweile ein Geschäft, das die Besten und Schlauesten anzieht. Typen, die normalerweise in den größten Investmentbanken dieser Welt oder in Silicon Valley arbeiten würden, arbeiten nun für Baseballteams. Das hat sich gewandelt, der Wettbewerb ist härter geworden. Es ist nun ein sehr viel smarteres Spiel. Die Herausforderung für die kleinen Teams ist größer. Aus meiner Sicht hat sich der Sport hauptsächlich im Front Office gewandelt und so das Geschäftliche und das Endprodukt auf dem Feld besser gemacht. Es wird der Punkt kommen, da werde ich nicht mehr schlau genug sein um meinen eigenen Job zu machen.

SPOX: Wie meinen Sie das?

Beane: In zehn Jahren hätte ich wahrscheinlich schon gar nicht mehr die Qualifikationen, um mich für diesen Job zu bewerben - ich wäre nicht clever genug. Aber das mag für den Sport als Ganzen nur gut sein.

SPOX: Sie gelten als Pionier des analytischen Ansatzes in der Bewertung von Spielern. Mittlerweile macht es fast jeder. Sind Sie stolz darauf, dass alle ihr Produkt kopieren?

Beane: Es schmeichelt ein wenig. Wenn Leute uns die Ersten nennen, sind wir durchaus stolz darauf. Aber wie bei jeder Entwicklung ist das wirklich Großartige, wie andere kluge Köpfe in diesem Sport den Ansatz auf ein höheres Level gebracht haben. Man sieht, wie sich der Prozess entwickelt hat. Nicht immer macht es der Erste auch wirklich am besten. Irgendjemand wird kommen und es besser machen. Aber wir sind schon stolz auf unser Erbe hier. Es hat alles damit angefangen, dass wir ein kleines Team waren und kreativ sein mussten. Ich denke, in 20 Jahren werde ich gerne darauf zurückblicken. Heute jedoch habe ich zu viel zu tun und muss mein Team konkurrenzfähig halten, statt in Erinnerungen zu schwelgen.

SPOX: Ihr Ansatz und die Saison 2002 der Oakland A's ist Thema des Buchs Moneyball, das später auch mit Brad Pitt in der Hauptrolle verfilmt wurde. Was sind denn Ihre Erinnerungen an diese Zeit?

Beane: Ich habe den Film seit seiner Veröffentlichung nicht mehr gesehen, denn es ist ein wenig unheimlich, wie Sie sich vorstellen können. Aber es gibt schlechtere Schauspieler um dich zu spielen als Brad Pitt. Das war gar nicht so schlecht, eine ungewöhnliche Erfahrung. Ich wünschte, ich hätte es damals ein bisschen mehr genossen, aber ich habe ein bisschen gehofft, dass es einfach vorbei sein würde. Zurückblickend habe ich es wohl schon genossen, aber ich war auch bereit, zur Anonymität - hoffentlich - meines Jobs zurückzukehren. Denn diese Geschichte ging weit über den Sport hinaus. Ich bin froh, dass es vorbei ist, aber es war eine großartige Erfahrung.

SPOX: Wann haben Sie denn in besagter Saison gemerkt, dass dieser Ansatz mit Statistiken und Daten wirklich klappen könnte?

Beane: Schon in den Jahren zuvor hatten wir großes Vertrauen in unsere Methoden, denn wir hatten die Playoffs ein paar Mal in Folge erreicht. Es war also schwer, unser Selbstvertrauen zu erschüttern. Die im Buch beschriebene Saison 2002 begann für uns eher schwach. Aber wir blieben sehr diszipliniert und wussten, dass es letztendlich funktionieren würde. Es war für uns ein viel besserer Ansatz als die Alternative: einfach nur mit Vermutungen, Intuition und Bauchgefühlen an die Sache heranzugehen. Die Disziplin kam durch den Erfolg der vorangegangenen Jahre, genau wie die Überzeugung, dass dies der beste Weg war. Dass es so war und es immer noch so ist, sieht man daran, dass mehr und mehr Teams unseren Ansatz übernehmen.

SPOX: Sie hatten also nie Zweifel?

Beane: Nun, wenn ich Ihnen sage, dass wir keine Zweifel hatten, würden Sie glauben, dass ich lüge. Sie müssen verstehen, dass es nicht unbedingt Zweifel waren. Wir fragten uns: Was sind die Alternativen? Wissen Sie, das war einfach unsere beste Option. Einen objektiven Entscheidungsfindungs-Prozess zu nutzen war viel besser als auf subjektive Intuition und Bauchgefühle zu setzen. Also hatten wir keine Zweifel, dass der angewendete Prozess korrekt war. Ob wir damit Erfolg haben würden, wusste natürlich niemand mit Sicherheit. Was wir aber wussten, war: Wir haben die richtige Wahl getroffen.

SPOX: Sie hatten damals auch eine Serie von 20 Siegen hingelegt, doch die A's warten bis heute auf den Gewinn der World Series. Wird das jemals passieren?

Beane: Wir haben noch sehr viel Zeit. Aber wir müssen uns immer vor Augen führen, dass es im Baseball Playoffs gibt. Was mir an der Bundesliga oder der Premier League am meisten gefällt, ist die Tatsache, dass das Team auf Platz eins am Ende auch Champion ist. Aber wenn Sie ein Playoff-Spiel hätten, oder sechs Teams in den Playoffs, dann hätte man am Ende vielleicht andere Ergebnisse, denn in einer einzigen Partie spielt eben auch der Zufall eine Rolle. Wir müssen uns eingestehen, dass man Zufälle beziehungsweise Glück in kurzen Serien nicht ausschließen kann. Auch die Champions League ist ein bisschen so. Es ist ein Turnier - da gewinnt das beste Team eben nicht immer. In den meisten Fällen hilft dies einem kleineren Team wie uns. Denn wenn wir es in die Postseason schaffen, dann haben wir meist auch die kleinste Payroll, also würden wir meistens lieber das Glück entscheiden lassen. Insofern ist es eigentlich ein Vorteil der kleinen Teams. Wir versuchen also in die Playoffs zu kommen und sind uns dann der Tatsache bewusst, dass es eine Art Turnier ist. Und dann hoffen wir auf ein bisschen Glück.

SPOX: Die A's haben die Playoffs in den letzten zwei Jahren verpasst. Auch 2017 sieht es nicht danach aus. Wie schätzen Sie diese Spielzeit insgesamt ein?

Beane: Wir sind ein junges Team, das ist bei uns normal. Wir sind nicht in der Lage, Spieler sehr lange zu halten. Wenn sie Stars und damit teurer werden, müssen wir neue junge und damit kostengünstigere Spieler holen. Unser Budget ist begrenzt. Borussia Dortmund etwa hatte mit dem gleichen Problem zu kämpfen, obwohl sie größer sind als wir. Sie können zumindest ein paar ihrer Spieler halten. Wir sind in einer Übergangsphase und haben die Hoffnung, dass es ein Wachstumsjahr für uns wird. Wir haben ein paar junge Spieler, denen ich zutraue, dass sie eine lange Zeit hier sein werden. Und vor allem wollen wir einen Kern von jungen Spielern aufbauen, die in den nächsten zwei Jahren weiter entwickeln.

SPOX: Interessant an der MLB ist ja, dass es dort anders als in NFL und NBA keine Salary Cap gibt. Würde es Ihnen helfen, wenn es eine solche Gehaltsobergrenze gäbe?

Beane: Es gibt eine Luxussteuer auf die Payroll, das hilft ein wenig, aber es gibt keine echte Salary Cap. Ein Team kann so viel ausgeben wie es will. Das macht es schwierig, an Spielern festzuhalten oder Spieler zu holen. Aber wenn man genau hinschaut, ist da ein großer Abstand zwischen der höchsten und der niedrigsten Payroll. Und das bedeutet auch viel Ineffizienz. Wir wiederum versuchen es anders zu betrachten: Wo liegt darin unsere Chance? Wenn man zwischen den Teams einen derart großen Abstand hat, dann herrscht großes Chaos, wenn es um die preisliche Bewertung von Spielern geht. Also versuchen wir das auszunutzen. Aber der fehlende Salary Cap bringt uns keine schlaflosen Nächte ein, denn es hat schließlich noch nie einen gegeben.

SPOX: Mit Commissioner Rob Manfred an der Spitze ist die MLB derzeit bemüht, das Spiel an sich zu beschleunigen. Bewegt sich Baseball mit diesem Unterfangen in die richtige Richtung?

Beane: Das Spieltempo zu erhöhen ist eine gute Idee. Wir haben in früheren Jahren schon deutlich schneller gespielt. Und seien wir ehrlich: Ein Teil unseres Jobs ist es, zu unterhalten und ein Teil der Unterhaltung ist es, Dinge am Laufen zu halten und sicherzustellen, dass die Zuschauer sich nicht langweilen. Heutzutage ist es generell so einfach, während der Spiele durch Smartphones und dergleichen abgelenkt zu werden. Das gilt nicht nur für die junge Generation. Eine Faustregel lautet: Je höher das Tempo des Spiels, desto besser ist es für unsere TV-Quoten und desto besser ist für die Aufmerksamkeit der jungen Leute, die hoffentlich langfristig zu Fans unseres Sports werden. Ein höheres Tempo ist immer unterhaltsamer als ein niedriges. Deshalb ist es für mich eine gute Sache.

Lesen Sie Teil zwei des großen Interviews mit Billy Beane, in dem er über seine Tätigkeit im und die Adaption seines analytischen Ansatzes auf den Fußball spricht, am Donnerstag bei SPOX.

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