Aaron Judge schlug endlich einen Pitch an diesem Wochenende so richtig hart im achten Inning des vierten Spiels gegen die Boston Red Sox. Ein Homerun wurde es nicht, denn Sox-Center-Fielder Jackie Bradley Jr. hatte etwas dagegen und schnappte sich den Ball über der Mauer für ein Out. Der Höhepunkt eines frustrierenden Wochenendes für Judge.
In Zahlen war Judge in der Vier-Spiele-Serie 1-18, er hatte also einen Hit in 18 At-Bats. Darin inbegriffen waren sechs Strikeouts. Zudem sammelte er ganze drei Walks. Zahlen, die Judge in einer Zeitspanne von vier Spielen höchstens im Vorjahr mal erlebte. In diesem Jahr war der klare Favorit auf den Rookie des Jahres dagegen bislang kaum zu halten. In fast 40 Spielen am Stück erreichte er bis Sonntag stetig mindestens die erste Base - auf welchem Weg auch immer.
Doch im Fenway Park blieb er dann am Sonntagabend erstmals ohne Hit, Walk oder Hit-by-Pitch und marschierte stets zurück in den Dugout.
Sicherlich bedeutet dies keinen Weltuntergang für den Youngster, der trotz des miserablen Wochenendes immer noch einen Schlagdurchschnitt von .313 aufweist und eine OPS von 1.089, was weiterhin überragend ist. Aber etwas hat sich schon verändert seit seinem letzten Auftritt in der ersten Saisonhälfte eine knappe Woche zuvor.
Statcast: Aaron Judge hat den härtesten Schwung
Sein Timing stimmte nicht mehr. Seine Schwünge waren gegen Boston konstant zu langsam. Ein Satz, der extrem unglaubwürdig klingt, denn laut Statcast schlägt keiner härter! Im Schnitt schlägt Judge Bälle mit 97 Meilen pro Stunde. Zudem gehen die vier am härtesten geschlagenen Bälle der Saison ebenfalls auf sein Konto - der Topwert liegt bei 121,1 Meilen pro Stunde. Das Resultat war ein 382-Fuß-Homerun gegen Orioles-Pitcher Chris Tillman.
Gegen die Red Sox aber war Judge im Grunde am gesamten Wochenende durchweg hinten dran. Mehr noch: Hatte Judge bislang versucht, den Ball da zu schlagen, wo er hingeworfen wurde - der Amerikaner spricht hier von "hit it where it's pitched" - war jetzt eine klare Tendenz zum Pullen zu erkennen.
Er versuchte also, den Ball ständig mit Gewalt aus seiner Perspektive nach links zu schlagen. Und da er eben spät dran war, resultierten daraus zahlreiche Foul Balls nach rechts.
Normalerweise schlägt Judge den Ball eher in alle erdenklichen Richtungen, nicht nur nach links. Besonders im Yankee Stadium mit dem kurzen Right Field kommt einem ein Ball, der nach rechts geschlagen wird, ohnehin mehr entgegen, fliegt er doch leichter mal über die Mauer als im Left Field.
Aaron Judge: Homerun Derby Ursache für Slump?
Woher kommt also die neue Herangehensweise in Judges Schwung? Es bedarf keines Propheten, um eine Theorie zu formulieren. Judge nahm am Homerun Derby in Miami am letzten Montag teil und schlug dort die Lichter aus. Auch da demonstrierte er zwar vereinzelt seine "Power to all fields", aber gerade als es ernst wurde, fing auch er an, den Ball vermehrt zu pullen. So kamen auch seine vier Monster-Shots über mehr als 500 Fuß zustande.
Judges Slump - zugegeben, es geht hier erstmal nur um vier Spiele, was nichts ist in einer langen Baseball-Saison - dürfte also eine direkte Folge der Derbyteilnahme sein. Nicht nur der bloßen Teilnahme, sondern vielmehr der erfolgreichen Vorstellung, für die man zwangsläufig anders schwingt als im Alltag.
Judge wäre auch nicht der erste Derby-Teilnehmer oder gar -Gewinner, der nach der Flugshow nicht mehr so gut aufspielte wie davor. Vorjahressieger Giancarlo Stanton etwa schlug vor seinem Triumph 20 Homeruns, danach noch sieben - wobei er auch lange verletzt war nach dem All-Star-Break.
2015 gewann Todd Frazier den Wettbewerb und schlug davor 25 Homeruns, danach noch 15. Bei Yoenis Cespedes ging die Zahl von 14 Homeruns im Jahr 2014 auf acht nach dem Break zurück.
Das krasseste Beispiel für einen Power-Ausfall nach dem Derby dürfte jedoch Bobby Abreu - der im Derby völlig überraschend ein Feuerwerk abfackelte - gewesen sein. Im Jahr 2005 eröffnete er das Jahr mit 18 Long Balls. Nach der Pause waren es plötzlich nur noch sechs!
Aaron Judge wird erste Jahreshälfte nicht bestätigen
Der Trend ist also nicht neu und gerade im Fall von Judge ist stark davon auszugehen, dass er in der zweiten Saisonhälfte weniger Homeruns schlagen wird als in der ersten - 30 sind schwer zu reproduzieren, abgesehen davon, dass 30 Homeruns für viele Spieler Karrierebestleistung wären.
Eine andere Erklärung für die schwache Vorstellung Judges in den besagten vier Spielen könnte theoretisch auch die Pitching-Leistung der Red Sox gewesen sein. Immerhin schickten sie zwei frühere Cy-Young-Gewinner und den derzeit wohl besten Pitcher der American League, Chris Sale, auf den Mound.
Doch Wunderdinge vollbrachten sie gegen Judge auch nicht - alle attackierten ihn vor allem mit Breaking Balls jenseits der unteren Außenkante der Strikezone. Eine Location, mit der Judge im Vorjahr große Probleme hatte, die ihm aber bislang in diesem Jahr keine Probleme bereitete. Doch mit mangelnder Geduld, gesteigerter Frustration - Judge wirkte untypisch gereizt und enttäuscht ob seiner Leistung über das gesamte Wochenende hinweg - und aggressiveren Schwüngen sind dann auch schlechte At-Bats und mehr Outs als sonst zu erklären.
Der Beinahe-Homerun gegen David Price am Sonntagabend jedoch sah dann schon wieder eher nach einem üblichen Judge-Schwung aus. Der Ball wäre in nahezu jedem anderen Ballpark über die Mauer im Center Field geflogen - einzig Fenway Park hat diesen Knick an der Stelle, der dem Outfielder mehr Raum und die Möglichkeit gibt, dort noch hinzukommen. Unterm Strich war es ein Out, doch eigentlich auch ein Schwung, der suggeriert, dass der Slump von Judge nicht von langer Dauer ist.