MLB

"Goliath hat nicht viele Fans"

Werden die Chicago Cubs um Kris Bryant (M.) am Saisonende wieder als letzte lachen?
© SPOX

Am Sonntag beginnt die neue MLB-Saison und wirft so einige Fragen auf. Wer oder was kann die Chicago Cubs auf dem Weg zur Titelverteidigung stoppen? Wer darf sich Hoffnungen auf die Playoffs machen, wer räumt die Awards ab? Und: Was wird aus dem einzigen Deutschen in der Liga, Max Kepler? Ex-Minor-League-Catcher der Mets und der heutige Manager der Bundesligamannschaft der Buchbinder Legionäre, Kai Gronauer, und MLB-Experte Ryan Fagen von Sporting News diskutieren mit den SPOX-Redakteuren Stefan Petri und Marcus Blumberg in der ersten Ausgabe von "Bases Loaded", der neuen MLB-Diskussionsrunde.

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1. Der größte Stolperstein der Cubs ist ...

Stefan Petri (SPOX): ... die Natur des Sports. In der MLB setzt sich im Vergleich mit den anderen großen Ligen seltener der große Favorit durch - gerade in den Playoffs kann alles passieren. Es ist kein Zufall, dass es seit den Yankees 2000 kein Team den Titel verteidigen konnte. Natürlich muss man nicht darüber streiten, dass die Cubbies auf dem Papier her großer Favorit sind: Rotation und Lineup dürften gerade in den Playoffs keinerlei Angriffsflächen bieten, wenn die Leistungsträger fit bleiben, da sehe ich sie schon ein Stück vor den Red Sox und Dodgers. Noch viel gespannter bin ich aber auf die Psyche des Teams: Hat der ersehnte Titel den Knoten gelöst, spielt das Team jetzt befreit auf und bombt alles in Grund und Boden? Dann könnte sogar der MLB-Rekord von 116 Saisonsiegen fallen. Andererseits ist da jetzt aber auch jede Menge Druck: Plötzlich ist man nicht mehr der allseits beliebte Verlierer, sondern Goliath. Und der hat bekanntlich nicht viele Fans.

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Marcus Blumberg (SPOX): Sehr richtig! Seit 2000 hat kein Team mehr den verteidigt. In vielen Fällen erreichte der Champion nicht mal mehr die Playoffs im Folgejahr. Und das hat nicht etwa damit zu tun, dass die Liga so extrem ausgeglichen ist - das ist sie sicherlich - sondern vielmehr damit, dass Baseball nun mal so ist. Man kann den Erfolg in dieser einzigartigen Sportart nicht planen. Blicken wir zurück aufs letzte Jahrzehnt: Kein Team hat durchweg mehr Geld ausgegeben oder mehr Star-Spieler verpflichtet als die Yankees - das Resultat: Nach dem Titel 2000 kam nur noch einer dazu - 2009. In den letzten Jahren wiederum waren die Dodgers die Big Spender, bislang ohne Ring am Finger. Im Baseball basiert sehr viel auf Glück und Zufall. Man kann einen Pitch perfekt schlagen, doch der Ball landet im Handschuh des Shortstops. Andererseits trifft einer den Ball nur ganz knapp und dennoch landet er im Outfield für einen Hit. Wer kann so etwas erahnen oder verhindern? Baseball ist extrem kompliziert weshalb der Sport an sich wohl der größte Stolperstein der Cubbies werden dürfte - das Team ist erneut top besetzt.

Die Cubs vor der neuen Saison: Vom One-Hit-Wonder zur Dynasty?

Kai Gronauer (Buchbinder Legionäre): Konkret formuliert könnten die Offseason-Moves ein großer Stolperstein werden - und wie sie die Abgänge von Fowler, Ross und vor allem Chapman kompensieren werden. Mit Uehara, Davis und Jay wurden gute, aber keine ebenbürtigen Spieler geholt. Insbesondere Chapman hatte großen Anteil daran, dass Spiele in späten Innings der Postseason nicht verloren gingen und hielt die Gegner in Schach. Sicher kann man keine Spieler gleichwertig ersetzen, aber in meinen Augen wurde nicht genug Leadership (Ross) und Shutdown Pitching verpflichtet. Fowlers RBI, Average und Homeruns werden trotz einer super Saison durch die junge, talentierte und unglaublich offensiv starke Mannschaft aufgefangen. Ein anderer sind natürlich die Verletzungen wie es letzte Saison bei Schwarber passierte. Verletzungen gehören dazu und lassen sich nicht verhindern, aber auch ein Spieler kann einen großen Unterschied machen, vor allem im Pitching oder der Mitte des Lineups. Dann muss durch Trades oder ein gutes Farm-System nachgeholfen werden.

Ryan Fagan (Sporting News): Die Sache ist die: Die Cubs können das beste Team im Baseball sein und es könnte dennoch egal sein, wenn die Playoffs starten. Seit 2000 hat das Team mit der besten Bilanz nur vier von 17 Titeln gewonnen - inklusive der Cubs 2016. Im selben Zeitraum haben fünf Wildcard-Teams die World Series gewonnen. Oktober ist reine Glückssache in den meisten Jahren. Alles kann passieren. Erinnert ihr euch noch, es brauchte für die Cubs ein episches Comeback in Spiel 4 der NLDS gegen die Giants, um ein entscheidendes Spiel 5 gegen Giants-Ace Johnny Cueto zu verhindern. Und sie lagen auch gegen die Dodgers 1-2 hinten in der NLCS. Und natürlich lagen sie auch 1-3 in der World Series hinten, bevor sie den Titel geholt haben. Zudem gibt es Fragezeichen, was die 2017er Cubs betrifft. Letztes Jahr waren ihre Starter unglaublich gut und gesund. Es ist also angemessen sich zu fragen, ob Hendricks (2.16 ERA) und Lester (2.44 ERA) ihre herausragenden Leistungen wiederholen können. Wer wird der fünfte Starter? Kann Schwarber im Outfield spielen? Aber all diese Fragen sind zweitrangig, denn die Wahrheit ist: Es wäre ein Schock, wenn die Cubs die Playoffs verpassten. Das größte Hindernis auf dem Weg zur Titelverteidigung ist dies: Die World Series zu gewinnen ist richtig, richtig schwierig.

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