Vier Anwärter, ein Titel

Von 90PLUS
Das Rennen um die Meisterschaft ist offen wie seit Jahren nicht mehr
© getty

Am 8. August um 13:45 Uhr wird das Warten endlich sein Ende finden. Die Premier League startet an diesem Tag in die neue Saison, das erste Spiel bestreiten Manchester United und die Tottenham Hotspurs im Old Trafford. Page 2 nimmt die Teams der wohl am meisten beachteten Liga der Welt unter die Lupe und wagt einen Ausblick. In Teil 3 dreht sich alles um die Meisterschaftsanwärter und Champions-League-Aspiranten.

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FC Chelsea

Was ist blau, gewinnt und nervt alle außer Chelsea-Fans? Richtig, der FC Chelsea. Mit beeindruckender Effektivität holten sich die Blues in der abgelaufenen Saison der Premier League Titel. Der Schmähruf "boring, boring Chelsea" schallte dem Team wegen seiner dabei oftmals unattraktiven Spielweise um die Ohren.

Dem Special One aus Setubal ist dies relativ egal, sein oberstes Kredo ist das Sichern von drei Punkten, unabhängig der dafür aufzuwendenden Mittel. Nahezu der komplette Meisterkader erhält auch in der neuen Saison das Vertrauen.

Die Vereinslegenden Petr Cech und Didier Drogba haben den Titelträger zwar verlassen, was aufgrund ihrer mittlerweile reduzierten Einsatzzeiten sportlich zu verkraften ist, jedoch ein Führungsvakuum reißen könnte.

Darüber hinaus wurde mit Radamel Falcao ein großes Fragezeichen für den Angriff verpflichtet. 2012 war der Kolumbianer wohl noch der spektakulärste Mittelstürmer auf dem Erdball, drei Jahre später hat man das Gefühl, dass der Deal eher wegen Beratergott Jorge Mendes zustande kam, der auch Mourinho zu seinen Klienten zählt.

90Plus-Prognose: Der Titel geht auch in diesem Jahr nur über die blaue Effektivitätsmaschine aus London. Sollten die Leistungsträger alle fit bleiben, dürfte es für die anderen Teams schwierig werden die Konstanz von Chelsea zu übertreffen. Allerdings verfügt die zweite Reihe nicht über die selbe Qualität, was sich bereits in der vergangenen Rückrunde zeigte. Eine gute Champions League Saison oder eine Verletztenmisere könnte daher das Unterfangen Titelverteidigung gefährden.

Manchester City

Erst eingeschränkt, dann ungehemmt. Nachdem die UEFA die Financial Fairplay Auflagen der Citizens lockerte, zeigte City wieder sein gewohntes Bild auf dem Transfermarkt: Was kostet die Welt? Auf andere Weise lässt sich die maßlos überteuerte 65 Millionen Euro Ablöse für Raheem Sterling nicht rechtfertigen.

Zudem kam mit Fabian Delph ein durchaus talentierter Abräumer, allerdings hat man mit Fernando und Fernandinho (wirklich nicht verwandt) bereits zwei ähnliche Spielertypen. Ob sich das türkische Sturmtalent Enes Ünal einen wirklich so großen Gefallen getan zu City zu gehen, wird sich zeigen, wenn nicht sollte er einfach mal bei Edin Dzeko oder Steven Jovetic, die wohl beide noch den Verein verlassen werden, nachfragen.

Der größte Coup dürfte jedoch der Erhalt von Schlüsselspieler Yaya Toure gewesen sein, der Ivorer kokettierte lange mit einem Abgang zu Inter Mailand. Dafür wurde die größte Baustelle im Kader bisher komplett vernachlässigt: die Abwehr.

Vincent Kompany spielt bereits seit längerer Zeit nicht mehr auf dem Niveau früherer Tage, Martin Demichelis und Eliaquim Mangala genügen nicht für höchste Ansprüche. Weiterhin sind die Außenverteidiger auf der rechten (Pablo Zabaleta, Bacary Sanga) wie auf der linken Seite (Aleksander Kolarov, Gael Clichy) ein wenig die Jahre gekommen.

90Plus-Prognose: Für uns ist Manchester City momentan der größte Kandidat aus der Top 4 des letzten Jahres zu fliegen. Die bereits großartige Offensive um Sergio Agüero, dem zweifellos besten Stürmer der Liga, wurde zwar weiter verstärkt, jedoch wurde der wirkliche Brennpunkt ("Defense wins Championchips!") ignoriert. Zudem wird der Name "Pep Guardiola" wegen seiner alten Barca-Connection im Management weiterhin durchs Etihad fliegen, sofern er nicht frühzeitig beim FC Bayern verlängern sollte, was nichts desto Trotz die Arbeit und Autorität von Coach Manuel Pelligrini stören und untergraben wird.

FC Arsenal

Die Gunners lechzen auch in diesem Jahr nach ihrem Premier League Titel seit 2004. Die beiden Pokalsiege aus den letzten beiden Jahren haben zwar endlich die titellose Zeit beendet, das große Ziel und die große Sehnsucht ist jedoch die Meisterschaft. Auf dem Transfermarkt agiert Arsenal bisher verhältnismäßig ruhig.

Dafür konnte man mit dem Transfer von Petr Cech eine Baustelle schließen, die eigentlich seit dem Abgang von Jens Lehmann existiert. Wojciech Szczesny war durchaus talentiert genug, schaffte es jedoch wegen mangelnder Konstanz (bisher) nicht ein solcher Torhüter zu werden, der für sein Team auch Spiele im Alleingang gewinnen kann.

Zudem muss Arsenal nicht wie noch vor wenigen Jahren des Abgang eines Leistungsträgers verkraften, der junge und talentierte Kern der Mannschaft konnte zusammengehalten werden. Auf der Mittelstürmerposition fehlt es dennoch ein wenig an Qualität, einzig Olivier Giroud konnte bisher nachweisen, dass er über internationales Format verfügt.

Auch die Innenverteidigung ist mit Per Mertesacker, Laurent Koscielny und dem noch schwer einzuschätzenden Gabriel Paulista dünn besetzt. Wenn Monsieur Wenger in den nächsten Wochen ein glückliches Händchen auf dem Transfermarkt beweist, könnten die Gunners so gut gerüstet wie seit Jahren nicht mehr in die Saison gehen.

90Plus-Prognose: Auch wenn man es bereits seit Jahren liest: Arsenal könnte in diesem Jahr wieder bereit für den Titel sein. Wenn in der Abwehr und im Sturm nachgerüstet wird, könnte das Team auch die alljährlichen Verletzungsprobleme auffangen und die typischen Punktverluste um den Spätwinter abgestellt werden. Durch den eingespielten Kern und dem zu erwartenden Leistungssprung vieler Spieler hat Arsenal momentan die besten Chancen nahe an Chelsea heranzurücken, ob dies auch tatsächlich geschieht, ist vor allem von den nächsten Wochen abhängig.

Manchester United

Tulpengeneral Van Gaal führte Man Utd in der abgelaufenen Saison auf den vierten Platz und damit zurück in die Champions League. Auf Dauer ist dies jedoch zu wenig für den englischen Rekordmeister, der in dieser Saison wieder ganz vorne angreifen möchte.

Dafür sollen die Besitzer rund 200 Millionen Euro für neue Spieler zur Verfügung gestellt haben, weshalb der Klub laut Medienberichten angeblich alles verpflichten will, was nicht niet- und nagelfest ist. Außer Lionel Messi und Heiko Westermann wurde gefühlt bereits jeder Spieler mit den Red Devils in Verbindung gebracht.

Ironischerweise machen die bisher getätigten Transfers durchaus Sinn und erwecken nicht den Eindruck des letzten Sommers, als die Transferstrategie auch von einem 11jährigen Fußball-Manager-Zocker hätte kommen können.

Bastian Schweinsteiger und Morgan Schneiderlin bringen jedenfalls ein deutliches Upgrade in das Mittelfeld, Matteo Darmian überzeugte als Rechtsverteidiger in den Testspielen und mit Memphis Depay konnte man sich eines der begehrtesten Talente Europas sichern. Der Kader wirkt bereits jetzt, auch bedingt durch eine Entschlackungskur, welcher u. a. die Großverdiener Robin Van Persie oder Nani zum Opfer fielen, deutlich homogener als zu Beginn der abgelaufenen Saison, weitere Neuzugänge werden bis zum 1. September erwartet.

90Plus-Prognose: United wird auch in der kommenden Saison unter den ersten Vier landen. Ein Angriff auf die Tabellenspitze dürfte wenn überhaupt nur möglich sein, wenn man es schafft noch einen Innenverteidiger von internationalem Niveau zu verpflichten. Auch der Erhalt von Torhüter David De Gea ist für dieses Vorhaben essentiell. Louis Van Gaal weiß zudem wie man Titel holt, allerdings könnte seine unvergleichliche (wenn auch unterhaltsame) Art für unförderliche Unruhe sorgen.

Tottenham Hotspurs

Die Spurs wären für ein etwas modifiziertes Remake eines alten Hollywood-Klassikers mit Bill Murray geeignet: "Und jährlich grüßt das Murmeltier". Jahr für Jahr greifen die Spurs mit neuen Trainern und neuen Spielern nach der Königsklasse, letzten Endes datiert der einzige Auftritt dort immer noch aus dem Jahr 2010.

Selbst als man sich 2012 dafür qualifizierte, schnappte das Schlechterplatzierte Chelsea den Startplatz durch den CL-Titel noch weg. Auch im letzten Jahr genügte der Kader nicht für diese Ansprüche. Wenigstens geht man den Weg weiter mit Coach Mauricio Pochettino, der in seinem zweiten Jahr mehr Druck haben wird. Auf dem Transfermarkt konnten Spurs mit Verpflichtung von Toby Alderweireld einen echten Coup landen.

Der Belgier sollte die fragile Innenverteidigung auf Anhieb verstärken. Der Ex-Kölner Kevin Wimmer wird indes eher um Einsatzminuten kämpfen müssen. Zudem konnte der französische Nationaltorwart und Führungsspieler Hugo Lloris gehalten werden. Danach sieht es auch momentan auch bei Harry Kane, dem Shootingstar der letzten Saison, aus.

Der Jungnationalspieler muss nachweisen, dass er kein "One-Hit-Wonder" ist und vielleicht auch nicht seinem Spitznamen "Hurri-Kane" gerecht werden: Ein richtiger Hurrikane ist zwar geeignet Schaden anzurichten, kommt jedoch bis auf in wenigen Regionen in der Welt in der Regel nicht regelmäßig vor.

90Plus-Prognose: Die Spurs werden es schwer haben im Kampf um die Königsklasse. Der Kader ist qualitativ gegenüber den Topteams klar im Nachteil. Weiterhin hat Tottenham noch zu viele Spieler im Kader, von denen nicht zu erwarten ist, dass sie die den Verein auf neues Level bringen werden (Grüße an dieser Stelle an Erik Lamela, Nacer Chadli und Andros Townsend). Angesichts dessen waren die Nordlondoner in der Sommerpause nicht fleißig genug und werden daher ein neues Kapitel in "Jährlich grüßt das Murmeltier" hinzufügen.

FC Liverpool

Was wäre ein eigentlich, wenn es Steven Gerrards berühmten "Slip" im Endspurt 2013/14 niemals gegeben hätte? Die Reds hätten höchstwahrscheinlich endlich die erste Meisterschaft seit 1989 gefeiert, womöglich wäre sogar noch Luis Suarez an der Anfield Road. Hypothesen jucken jedoch nirgendwo weniger als in der Fußballwelt.

Die anschließende Transferoffensive zahlte sich nicht aus, man landete nur in der Euro League, weshalb Liverpool gleich den nächsten Großangriff auf dem Transfermarkt startete. Das dieses Vorhaben von Brendan Rodgers geleitet wird, liegt wohl einzig an der Tatsache, dass Jürgen Klopp lieber erstmal auf Sylt chillen wollte. Nicht ganz freiwillig gab man sein Tafelsilber Sterling an Manchester City ab, die hohe Ablöse hilft jedoch bei der Kadererneuerung.

Roberto Firmino und Christian Benteke kosteten zusammen 87 Millionen Euro Ablöse - ein durchaus ein stattlicher Preis für zwei Spieler, die vor drei Jahren noch nahezu unbekannt waren. Weiterhin verstärken u. a. Nathaniel Clyne, Danny Ings und James Milner die Mannschaft. Zur Zeit ist der Kader noch sehr aufgebläht, weshalb noch weitere Abgänge zu erwarten sind.

Die größte Lücke reißt jedoch der Spieler, der damals für den "Slip" verantwortlich war. Sportlich wird der Abgang von Steve G. zu verkraften sein, als Leader eher weniger. Der neue Kapitän wird Jordan Henderson, der zwar eine beachtliche Entwicklung hingelegt hat, allerdings in größtmögliche Fußstapfen tritt.

90Plus-Prognose: Die Reds werden sich nach dieser Generalerneuerung erstmal neu finden müssen. Firmino wird den Fans mit Sicherheit irgendwann viel Freude bringen, wird allerdings erstmal eine Eingewöhnungszeit benötigen. Christian Benteke muss sich außerdem an der nicht marktwertgerechten Ablöse messen lassen. Das "Jahr 1 nach Stevie G." wird sich wegen dieser vielen neuen Puzzlestücke schwierig gestalten, weshalb der ehemalige Rekordmeister erneut die Champions League verfehlen wird.

Die Premier League im Überblick