SPOX: Herr Fuss, herzlichen Glückwunsch! Beim großen Voting von Page 2 für den besten Kommentator Deutschlands haben die SPOX-User Sie zum Sieger gekürt. Mit über 56 Prozent haben Sie sich im Finale gegen Frank Buschmann durchgesetzt.
Fuss: Klasse, vielen, vielen Dank, ich fühle mich sehr geehrt! Ich werde jetzt nicht mit dem Ballon davonfliegen, aber ich freue mich sehr. Gerade auch, weil ich die SPOX-User zur gehobenen Klasse zähle und weiß, dass dort viel Fußballsachverstand vorhanden ist.
SPOX: Als Kommentator sind Sie zum Star gereift, haben über 100.000 Fans auf Facebook und den allermeisten Fans bekannt. Hatten Sie Vorbilder, als sie angefangen haben? Gibt es jemanden, an den Sie sich orientiert haben?
Fuss: Wirkliche Vorbilder hatte ich in diesem Berufsfeld nie, aber es gab natürlich Leute, die den Beruf für mich attraktiv gemacht haben. Ob es jetzt Gerd Rubenbauer, Dieter Kürten oder Rudi Michel war - das waren alles sehr faszinierende Persönlichkeiten, die das vor dem Mikrofon authentisch vorgelebt haben. Als Sechsjähriger habe ich schon in Poesiealben als Berufswunsch Sportkommentator angegeben, aber dass ich ein wirkliches Vorbild hatte und so sein wollte wie jemand, das gab es nie.
SPOX: Ein Thema, was die Kommentatorenszene letzte Saison begleitete, waren die Übergriffe auf ihren Kollegen Marcel Reif. Wie haben Sie die Situation rund um das Revierderby erlebt? Hat man da als Kommentator auch Angst?
Fuss: Das ist eine Sache, die gar nicht geht und so auch nicht akzeptabel ist. Dass ein Fan zuhause sagt: "Was kommentiert der für ein Scheiß?!", das kann ich nicht verhindern. Aber ein Übergriff auf einen Kommentatoren? Das geht eindeutig zu weit.
SPOX: Hatten Sie schon mal Auseinandersetzungen mit Fans?
Fuss: Bei mir persönlich ist es noch nie vorgekommen. Wenn ich auf der Straße oder im Stadion auf Fans treffe, dann läuft es immer sehr freundlich und respektvoll ab.
SPOX: Also sehen Sie keine verschlechterte Beziehung zwischen TV-Kommentator und Zuschauer?
Fuss: Nein. Ich glaube, dass vor 30 Jahren schon genauso auf den Kommentator - und den Schiedsrichter und Spieler - geschimpft wurde. Fußball ist eine sehr emotionale Sportart, da kommen die Leute schon mal aus sich raus. Mittlerweile geht halt viel über Soziale Netzwerke, wo man seinen Unmut Luft machen kann. Das wird dann häufig in komprimierter und zugespitzter Form vorgetragen, um bestmöglich aufzufallen. Insofern sollte man das ganze auch nicht zu hoch hängen. Man muss sich immer mal wieder vergegenwärtigen, worüber wir hier reden: Fußball. Wir alle - Kommentatoren, Spieler, Fans - sollten viel Spaß haben und da sind Angriffe unterhalb der Gürtellinie natürlich daneben.
SPOX: Im deutschen TV setzt man beim Fußball fast ausschließlich auf Einzelkommentatoren, während es in vielen anderen Ländern und Sportarten zum Standard gehört, das dort zwei oder mehr Kommentatoren eingesetzt werden. Wie stehen Sie dazu? Würden Sie sich manchmal einen zweiten Kommentator neben sich wünschen?
Fuss: Ich weiß nicht, was da der Weisheit letzter Schluss ist. Das ist eher eine Philosophiefrage. Ich habe schon mit klassischen Co-Kommentatoren gearbeitet, oder mit Experten wie Franz Beckenbauer, die einmal pro Halbzeit eine 30-sekündige Einschätzung liefern und habe auch das eine oder andere Spiel alleine kommentiert. Da bin ich ganz ehrlich: Ich nehme es, wie es kommt.
SPOX: Haben Sie eine Lieblingspartie, die Sie kommentiert haben? Gibt es Partien, an die Sie immer wieder zurückdenken müssen?
Fuss: Schwierig. Ich sage mir, dass ich das beste Spiel noch vor der Brust habe. (lacht) Aber im Ernst, da gab es schon einige Perlen: Ob es das 5:2 von Schalke 04 bei Inter war, oder Bayern 2012 im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid oder das Viertelfinale der Bayern 2010 mit dem irren Robben-Tor im Old Trafford. Ich könnte die Liste lange forstsetzen.
SPOX: Gab es prägende Spiele in in Ihrer Karriere? Momente, in denen Sie als Kommentator vor große Herausforderungen gestellen worden sind?
Fuss: Ja. Die Partie, die den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen hat, war Karlsruhe gegen Köln, als Ümit Özat ohne Einwirkung eines Gegenspielers zusammengebrochen ist. Später wurde eine Herzmuskelentzündung bei ihm diagnostiziert, aber auf dem Rasen war völlig unklar, ob Özat überleben wird oder nicht. Für mich hat die Geschichte damals viel relativiert.
SPOX: Inwiefern?
Fuss: Özat wurde fünf Minuten lang auf dem Platz behandelt, es war eine gespentische Stimmung in Karlsruhe. Das war der einzige Moment in meiner Laufbahn, wo ich keine Lust mehr hatte, das Spiel zu Ende zu kommentieren. Der Schiedsrichter pfiff das Spiel wieder an, aber die Partie lief belanglos nebenher, weil entscheidend war nur, dass dieser Mensch, dass Ümit Özat, überlebt
SPOX: Das war sowohl persönlich als auch professionell eine wahnsinnig schwierige Situation, oder?
Fuss: Absolut. Wie viele Informationen kann ich dem Zuschauer zumuten? Erzählt man, was alles im Fußball schon passiert ist? Greift man zu weit nach vorne? Potenziert wurde das ganze noch dadurch, dass Winfried Schäfer neben mir im Stadion saß, der 2003 Trainer von Kamerun war, als Marc-Vivien Foe im Confed Cup auf dem Platz starb. Wenn ich daran zurückdenke, kriege ich immer noch eine Gänsehaut. Das relativiert jedes sportliche Ereignis.