Er trommelte das Team zusammen, um bis vier Uhr durch die Pubs zu ziehen, er hielt nach Niederlagen schon einmal eine Rede und er sorgte für die feuchtfröhlichen Abende, die einen heute undenkbaren Teamgeist schufen. "Das Einzige, was im Leben wirklich zählt, sind echte Freunde und Loyalität ihnen gegenüber", sagte er einmal. "Wim hatte alles, was Gott verboten hat", beschrieb Willy de Kerkhof den "Teufelskerl".
Er war eine Frohnatur, die selbst dem disziplinierten Michels ein Lächeln abgewinnen konnte, während seine Mitspieler sich vor Lachen bogen. Und er war ein verrückter Hund. 1978 in Argentinien urinierte er aus dem fahrenden Bus, um die wüst schimpfenden Gaucho-Fans zu provozieren und es kam vor, dass er Neuzugängen Whiskey in die Trinkflasche goss.
Die Ära endete, das Schlitzohr blieb
1971 ging Michels zum FC Barcelona, 1973 folgte ihm Johan Cruyff, der gerade als Kapitän abgewählt worden war und sich mit dem neuen Trainer Knobel nicht verstand. Die Ära war zu Ende. Nach Cruyffs Weggang dauerte es bis 1995 bis Ajax wieder die Champions League gewinnen sollte. 1977 verließ dann auch Suurbier den Verein, für den er 13 Jahre gespielt hatte.
Er ging als Held. Noch heute liegt er mit 393 Einsätzen auf dem zweiten Platz der Ajax-Spieler mit den meisten Einsätzen. Nach Stationen bei Schalke, wo er gegen das Konditions-Training aufgebehrte und deshalb auf die Bank verbannt wurde, Metz, in den USA und in Shanghai beendete er 1984 seine Karriere. Als zweifacher Vize-Weltmeister, mit 16 Titeln und als einer, der immer ein Schlitzohr gewesen war.
1980 spielte Suurbier gerade für Sparta Rotterdam. Zusammen mit Rene van der Gijp fuhr er "betrunken wie ein Affe" nach Hause, wie van Gijp erzählte. Plötzlich Blaulicht. Geistesgegenwärtig setzten sich Suurbier und sein Saufkumpane auf den Rücksitz. "Der Fahrer ist gerade weggelaufen", sagte Suurbier zum Polizisten. Der glaubte die Lüge und am Ende wurden die beiden von einem Polizisten nach Hause gefahren.
"Hier können sie halten", sagte Suurbier vor einem Stripclub - und sie entschwanden torkelnd.
Der Charakterkopf, den sie alle geliebt hatten und dem Hollands Trainer Ernst Happel wegen seiner großen Wertschätzung ihm gegenüber 1978 im Finale gegen Argentinien das letzte Länderspiel geschenkt hatte, obwohl der Wechsel taktisch wenig Sinn machte, versuchte sich als Unternehmer an einem Salon und einem Sportgeschäft. Beides scheiterte krachend und er fiel. Schnell und tief.
Geldsorgen, Alkohol und Frauen
Er war ständig abgebrannt, wurde in den Neunzigern per Haftbefehl gesucht, er arbeitete für 35 Dollar am Tag in einer Bar in Hermosa Beach, USA. Er fuhr Pflanzen aus, er reinigte Teppiche und arbeitete als Gärtner. Nie zu kurz kamen der Alkohol und vor allem die Frauen, bei denen er allerdings ebenso wenig Glück hatte, wie mit seinen beruflichen Projekten.
Seine Freundin Anna aus New Mexiko etwa lieh sich 50.000 Dollar und verschwand mit dem Geld. Er arbeitete Tag und Nacht, auch als Trainer und Motivationscoach. Doch mit Geld konnte er nie umgehen, den Lebensstandart als Profi wollte er nur ungern aufgeben, und seine Liebe zum Feiern ebenso wenig. Er erlebte zusammen mit Rene Meulensteen ein Abenteuer als Co-Trainer der Nationalmannschaft Katars. Er wohnte in der Villa eines Scheichs und fuhr einen Chevrolet Cavalier. Dennoch: Meistens ging es ihm schlecht, er war arbeitslos und pleite.
Das Leben war nie besonders gütig zu Wim Suurbier. 2007 lief sein Visum in den USA ab, er musste den Job in Florida, den ihm Cruyff verschafft hatte, aufgeben und war zurück in den Niederlanden, ohne Job, Gehalt und mittellos. Er hielt sich über Wasser, mit kleinen Arbeiten, Piet Keizer half ihm finanziell. "Ich rette mich überall. Ich bin ein Einzelgänger. Ich mach immer das Beste aus allem. Fußball war und ist für mich immer Spaß. Fußball, ohne das Geschäft, das er heute ist, bleibt das Beste, was es gibt", sagte Suurbier, der bei der WM 2010 als Experte für das Fernsehen arbeitete, wo man aber mehr an seinen Erfahrungen und Problemen interessiert war, als an seiner Einschätzung als Experte.
Wie Ringo Starr
Dies brachte einen Journalisten von Voetbal International so zur Weißglut, dass er in einer Kolumne mit dem Umgang der Branche mit dem großen Helden Suurbier abrechnete. Wenige Tage später klingelte das Telefon des Journalisten. In der Leitung: Wim Suurbier.
"Ihre Kolumne hat mir viel bedeutet. Ich möchte mich aufrichtig dafür bedanken und sie zum Essen einladen", sagte Suurbier zum sprachlosen Journalisten und zeigte, was für ein aufrichtiger Mann er ist. Einer, der das Herz auf der Zunge trägt. Und einer, der die Tragik der Siebziger-Jahre symbolisiert, wenn Fußball-Helden nach der Karriere keinen Pfennig mehr in der Tasche hatten.
Ringo Star, der "größte Glückspilz der Popgeschichte" (FAZ) und Wim Suurbier der "Ringo Star des Fußballs" (4dfoot.com) - zwei Männern, denen man nachsagt, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein und nur deshalb in den Genuss gekommen zu sein, Genies aus nächster Nähe beim Arbeiten zusehen zu dürfen.
Doch Bands und auch Fußballteams funktionieren nur im Kollektiv. Und so wie Starr der Taktgeber, Rythmusmacher und ruhige Pol von Lennon und Co. war, so war Suurbier der dynamische Aggressive Leader von Gloria Ajax. Ein treuer Freund und der Klebstoff, der Cruyff und Co. zusammen hielt. Ein "Einzelgänger" und tragischer Mann, der Fußballgeschichte mitschrieb und den dennoch heute kaum noch jemand kennt. Das hat ihm Ringo Starr dann doch voraus. Leider.