Kleiner Hexenkessel ganz groß

Von Timo Janisch
Nicht nur die Ultras von Block H machten beim Spiel gegen Wittekind ordentlich Stimmung
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2962, die Höhe der Zugspitze in Metern. 3500, vermutlich der Intelligenzquotient von Sheldon Cooper. 3999, die größte Zahl, die korrekt mit Römischen Ziffern auszudrücken ist. 4000, die Zuschauerzahl zwischen Wittekind Wildeshausen und SV Atlas Delmenhorst. In der Bezirksliga. So geschehen am 29. Mai 2015. Page 2 erklärt das außergewöhnliche Ereignis.

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Nur zur Einordnung: Der bisherige Zuschauerrekord lag bei 3500. Der Schnitt in der 7. Liga weit darunter. Also, so wirklich weit. Woher aber kommt diese Begeisterung für Bezirksligafußball in der Region Bremen/Oldenburg?

Zum einen ist da die Tabellensituation. Vor der Partie, die letzte in der laufenden Saison der Bezirksliga Weser-Ems Staffel 2, hatte Wildeshausen die Tabellenführung inne, Atlas Delmenhorst lag mit einem Zähler Abstand dahinter. Nur der Erste geht hoch in die Landesliga, der Zweite darf nicht einmal eine Relegation spielen. Delmenhorst war also im Krandelstadion zum Siegen verdammt, um noch den Aufstieg zu schaffen.

Kultverein mit turbulenter Geschichte

Zum anderen ist der SV Atlas Delmenhorst der Kultverein in der Region und hat eine turbulente Geschichte zu erzählen. 1973 wurde er als Fusionsverein mehrerer örtlicher Fußballvereine gegründet und erlebte zunächst einige sehr erfolgreiche Jahre. 1981 erreichte man das Achtelfinale des DFB-Pokals, dort erkämpfte man sich sogar den Respekt von Jupp Heynckes und der Borussia aus Mönchengladbach. Man spielte in den höchsten regionalen Spielklassen und konnte sich im Zeitraum von 1995 bis 1997 sogar in der damals drittklassigen Regionalliga halten.

Der Abstieg vor der Jahrtausendwende läutete schwere Zeiten für den Verein aus der 75.000 Menschen zählenden Stadt ein. Der Haupt- und Namenssponsor Atlas Weyhausen, ein Baumanschienenhersteller, zog sich zurück, sportlich lief es auch nicht mehr. Man wurde bis in die Landesliga durchgereicht, 2002 musste man sogar Insolvenz anmelden.

2012 die Neugründung

Der SV Atlas Delmenhorst war Geschichte, ein Nachfolgeverein wurde gegründet, um immerhin die Jugendabteilung fortzuführen. 2012 ergriffen ein paar alte Atlas-Fans die Initiative und gründeten den Verein neu, was sofort auf großen Zuspruch stieß. Zum ersten Testspiel als neuer alter SV Atlas Delmenhorst kamen gleich 1400 neugierige Zuschauer, seither spielt der Klub erfolgreich und ist in der Bezirksliga angekommen.

Soweit die Historie des Klubs, nun aber zurück zum Topspiel gegen Wildeshausen. Normalerweise besuchen rund 500 Fans Atlas-Spiele, aber für das entscheidende Topspiel deutete sich schon weit vor der Partie ein nie da gewesener Zuschaueransturm an, die Vereine mussten reagieren. "Im Vorfeld, genauer gesagt 14 Tage vor dem Spiel, haben sich die Vereinsverantwortlichen beider Vereine getroffen und alles abgesprochen", so Thomas Luthardt, "Abteilungsleiter Fußball" bei Atlas Delmenhorst. Er lobt die gelungene Zusammenarbeit der Vereine: "Anfahrt, separate Eingänge und getrennte Fanblöcke. Wildeshausen und Atlas haben das alles super organisiert."

Karten in wenigen Stunden weg

Aber 4000 Menschen, die aus eigener Initiative ein Bezirksligaspiel besuchen? Ganz so war es doch nicht. "Über die Presse, Radio und Internetportale wurde mitgeteilt, wo man die Karten bekommen konnte. Wir haben innerhalb von wenigen Stunden unsere 1500 zugeteilten Karten verkauft", erklärt Luthardt. "Wir hätten locker das Doppelte an Karten verkaufen können, so groß war die Nachfrage", freut er sich,

Ganze elf Fanbusse hatte Atlas Delmenhorst organisiert, um auch alle Fans ins rund 25 Autominuten entfernte Wildeshausen zu bekommen, so Luthardt.

Über die Wirkung einer solchen Kulissen auf die Kicker gibt es sicherlich viele Meinungen. Die einen motiviert es, andere wiederum zerbrechen am entstehenden Druck. "Die Jungs waren überwältigt", stimmt Luthardt zu, legt jedoch sofort nach: "Aber während des Spiels haben sie das nicht so wahrgenommen und haben sich auf das Spiel konzentriert." Seine Sicht der Dinge: "Ich denke es ist für jeden Spielern ein Ansporn und es setzt noch mehr Kräfte frei, vor vielen Zuschauern zu spielen." Man dürfe nicht vergessen, dass man hier von der Bezirksliga reden, erklärt der Abteilungsleiter.

Fußball in Delmenhorst boomt

Ohnehin profitiert der Verein von den hohen Zuschauerzahlen und von der dadurch entstehenden Berichterstattung. Sogar das Fußballmagazin 11Freunde berichtete im Vorfeld über das Aufeinandertreffen mit Wildeshausen. "Im Delmenhorster Fußball hat sich wieder etwas getan", findet auch Luthardt. Er wird genauer: "Viele Delmenhorster, die nur bei diesem Event waren, waren begeistert. Den einen oder anderen werden wir im Delmenhorster Stadion wiedersehen, davon bin ich überzeugt.

Aber was für eine Stimmung machen 4000 in der "Bezi" überhaupt? In der Bundesliga reicht bekanntlich ein Dutzend "Idioten", um ein Stadion durch die sogenannten "Pyros" in dichte Nebelschwaden zu hüllen. Solche Ausschreitungen habe es laut Luthardt nicht gegeben. "Es war eine super Stimmung, Gänsehaut. Beide Fanlager haben ihr Bestes gegeben, um ihre Mannschaft anzufeuern." Der Umgang miteinander sei demnach fair gewesen, so dass Thomas Luthardt gar von einem "Fußballfest" spricht. Ein Extralob spricht er trotzdem noch aus: "Unsere Fans waren super, vor allem unser Fanblock H."

Aktive Ultra-Szene bei Atlas

Der berühmt-berüchtigte "Fanblock H". Denn auch wenn wir hier nur von der siebtklassigen Bezirksliga reden, hat der Delmenhorster Verein eine eigene kleine Ultraszene. Der "Fanblock H" unterstützt den SV Atlas bei jedem seiner Spiele und hat sogar eine eigene Unterseite auf der Vereinshomepage. Passender Slogan dort: "Die Fans vom Block H gehören zum SV Atlas wie der Wasserturm zu Delmenhorst."

Die Partie selbst endete übrigens 1:1, nach der Delmenhorster Führung durch Musa Karli (74.) glich Wildeshausens Kai Schmale wenig später aus. Landesliga-Fußball bleibt den Atlas-Fans also im nächsten Jahr verwehrt. Thomas Luthardts Fazit fällt dennoch positiv aus: "So macht Fußball Spaß!". Ziele für die kommende Saison wurden auch bereits ins Auge gefasst: "Natürlich vorrangig der Aufstieg und dann ein neuer Zuschauerrekord."