Sie träumte von einem dreifachen Triumph, doch als Magdalena Neuner ihre zweite olympische Goldmedaille endlich um den Hals trug, sorgte sie für einen unerwarteten Paukenschlag. "Für mich war das heute mein letztes Rennen. Ich bin mit den Olympischen Spielen fertig", sagte sie knapp sieben Stunden nach ihrem Sieg im Massenstart-Rennen.
Das bedeutet: Die Staffel am Dienstag (11.30 Uhr Ortszeit/20.30 Uhr MEZ) wird sie nicht laufen, obwohl sie offenbar fest davon ausgegangen war. "Es war meine Entscheidung, nicht in der Staffel zu laufen. In den letzten Tagen war alles schon sehr, sehr viel für mich", sagte Neuner vor einem verdutzten Publikum im Deutschen Haus in Whistler zur Begründung.
Am Nachmittag hat sich die Doppel-Olympiasiegerin noch ganz anders angehört. "Wir haben eine sehr, sehr gute Chance, in der Staffel zuzuschlagen. Ich glaube auch, dass es passt, ich habe ein sehr gutes Gefühl", sagte Neuner, zumal Simone Hauswald hinter der Russin Olga Saizewa Bronze geholt hatte. Ganz so freiwillig war der Sinneswandel offenbar nicht.
"Schießleistung entscheidet in der Staffel"
Am Nachmittag nach dem Sieg von Neuner im Massenstart-Rennen hatten sich Bundestrainer Uwe Müssiggang und Gold-Lena zu einem Gespräch unter vier Augen zusammengesetzt. "Sie hat gesagt, dass sie gerne laufen würde, aber auch bereit wäre, zu verzichten", berichtete der Bundestrainer von der Unterredung.
"Wir haben uns für diese Variante entschieden, weil wir denken, dass in der Staffel die Schießleistung entscheidet", sagte er. Und Müssiggang hält Martina Beck für die bessere Schützin. Ein mögliches drittes Gold hätte Neuner zur ersten deutschen Olympia-Teilnehmerin gemacht, der bei ein und denselben Spielen ein Hattrick gelingt.
Ihren Startverzicht auf die Staffel über 4x6 km begründete sie mit ihren bisherigen Erfolgen: "Nach drei Medaillen muss man auch mal die Kirche im Dorf lassen. Und immerhin haben drei von uns fünf Olympia-Starterinnen noch keine Medaille. Es wäre traurig, wenn es dann wegen mir nicht klappen würde."
"Entscheidung zusammen getroffen"
Neuner hatte neben den zwei Goldmedaillen auch Silber im Sprint gewonnen. Den Sinneswandel der Doppel-Olympiasiegerin eineinhalb Tage vor dem Staffelrennen hatte Bundestrainer Müssiggang offenbar forciert.
"Wir haben zusammengesessen, und dann ist die Entscheidung getroffen worden", berichtete Magdalena Neuner - und behauptete außerdem tapfer lächelnd: "Für mich ist es die richtige Entscheidung. Ich wäre traurig, wenn die anderen Drei, die noch keine Medaille haben, wegen mir am Ende leer ausgehen. Wir wollen doch alle zusammen feiern."
Im Olympiawinter war Neuner in der Tat nur in einem von vier Staffelrennen berücksichtigt worden. Bei der Olympia-Generalprobe in Ruhpolding hatte das deutsche Quartett durch zwei Strafrunden beinahe im Alleingang auf Platz vier abrutschen lassen. Die Staffel wird nun wohl in der Besetzung Andrea Henkel, Kati Wilhelm, Martina Beck und Hauswald laufen.
Zwei dieses Quartetts müssen sich allerdings noch steigern: Andrea Henkel wurde im Massenstart Neunte, Kati Wilhelm landete nach einer schwachen Schießleistung nur auf Platz 25. Im Wirbel um den spektakulären Startverzicht ging der Jubel über Neuners zweites Olympiagold und Bronze von Simone Hauswald nahezu unter.
Hauswald: "Traum ist wahr geworden"
Tief bewegt hatte das Duo die Medaillen-Zeremonie auf der Medal Plaza absolviert, Hauswald mit Tränen in den Augen die Nationalhymne mitgesungen. "Für mich ist ein Traum wahr geworden. Ich bin so dankbar", sagte Hauswald die nach Neuners Staffel-Absage zugab: "Ich bin froh, dass ich dadurch in die Staffel komme, denn bei den bisherigen Veranstaltung war ich ja nicht dabei."
Zuvor hatten die Skijägerinnen aber auch mit heftiger Schelte an den Olympia-Organisatoren für Aufsehen gesorgt.
Neuner zog über "teilweise absolut überforderte Helfer in den blauen Anoraks" her und zeterte:"Das ist hier so stressig. Da kommt man gar nicht dazu, einen klaren Gedanken zu fassen oder sich gar zu freuen. Gleich wenn man im Ziel ist, wird man hier nur noch hin- und hergezerrt. Man wird schlimmer behandelt als ein Schwein, dass zur Schlachtbank geführt wird."
Damit wird sich Neuner nun nicht mehr herumschlagen müssen. Ohne sie haben Wilhelm, Henkel, Beck und Hauswald den Auftrag, den deutschen Gold-Express (2007/08 zwei Jahre ungeschlagen und zweimal Weltmeister) im Staffelrennen zum Sieg zu führen. "Ganz klar ist da Gold unser Ziel. Auch wenn es einige Teams gibt, die uns vom Podest stoßen wollen", sagte Müssiggang.