Wintersportnation Norwegen: Zwischen "Gull"-Rekord und Landesverrat

SID
Norwegen um Biathlon-König Johannes Thingnes Boe hat den Olympia-Goldrekord gebrochen. Doch ausgerechnet bei den verwöhnten Langläufern brodelt es.
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Norwegen um Biathlon-König Johannes Thingnes Boe hat den Olympia-Goldrekord gebrochen. Doch ausgerechnet bei den verwöhnten Langläufern brodelt es.

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Schon viele Meter vor der Ziellinie warf Johannes Thingnes Boe Kusshände in die mitfahrende TV-Kamera, nach dem nächsten Olympia-Coup des unangefochtenen Biathlon-Königs kannte der Jubel auch in der fernen Heimat keine Grenzen. "Norwegen mit Goldrekord", titelte die Internetausgabe der Zeitung Verdens Gang, das Dagbladet schrieb: "Es ist schön, ein Norweger in China zu sein." Denn die Wikinger räumen im Reich der Mitte (fast) alles ab.

Allein 15 Goldmedaillen sind es schon - eine mehr als Deutschland und Norwegen vor vier Jahren und Kanada 2010 hatten, Rekord bei Winterspielen. Und ein "Gullfest" (Goldfest) für die Wintersportnation, in der neun von zehn Fernsehzuschauern dem Olympia-Sender Discovery dieser Tage absolute Traumquoten bescheren.

Vor allem die Dominanz der Biathleten um Boe ist erdrückend. In zehn der elf Wettbewerbe holte Norwegen Medaillen, nur die Frauen-Staffel ging leer aus, insgesamt sammelte "Norge" 14 von 27 möglichen Plaketten. Allein Boe gewann viermal Gold und einmal Bronze - Rekord. "Das waren Traum-Spiele", sagte er und sprach stellvertretend für die ganze Nation, "dass es so gut laufen würde, hätte ich nie gedacht, extrem."

Weiterer "Gull"-Jubel ist programmiert, geht doch Langlauf-Königin Therese Johaug noch mal in die Loipe. Der eigene Medaillenrekord von Pyeongchang (39) dürfte zwar unerreicht bleiben, das selbst gesteckte Ziel von 32-mal Edelmetall hat das kleine Land im hohen Norden aber schon um zwei übertroffen.

Norwegen: "Mit Skiern an den Füßen geboren"

Norweger werden "mit Skiern an den Füßen geboren", heißt es, in China gewannen sie aber auch auf Snowboards und mit Schlittschuhen Gold. Ihr Geheimnis? "Es gibt keines", sagte Biathlon-Chef Per Arne Botnan, "wir haben gute Athleten und ein funktionierendes Team drumherum."

Zudem verfügt die Öl-Nation über die nötigen finanziellen Mittel. Viele Wintersportarten haben in Norwegen ihren Ursprung oder große Tradition, Olympiasieger steigen zu Volkshelden und Top-Verdienern auf.

Doch es ist nicht alles Gold, was einmal glänzte. Im Lager der erfolgsverwöhnten Langläufer brodelt es nach "nur" sechs Medaillen gewaltig, gleich mehrere Athleten warfen der Teamleitung Fehler in der Vorbereitung und mangelnde Rückendeckung vor. Tiril Udnes Weng schluchzte nach Rang fünf im Teamsprint, sie fühle sich "wie eine Landesverräterin".

Von alter Dominanz, rechnete Verdens Gang augenzwinkernd vor, sei Norwegen sowieso meilenweit entfernt. 1928 habe man sechs von damals 14 Wettbewerben gewonnen, 43 Prozent! Das wären heutzutage 47 Goldmedaillen - das schafft nicht mal Team Norge.

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