Rodtschenkow, ehemaliger Leiter des Moskauer Anti-Doping-Zentrums und Kopf des russischen Doping-Programms rund um die Olympischen Winterspiele 2014 in Sotschi, ist im November 2015 in die USA geflüchtet und steht dort unter Zeugenschutz. Zwischen beiden Ländern gibt es kein Auslieferungsabkommen.
Auf den Aussagen des 58-Jährigen basieren weite Teile der beiden McLaren-Berichte. Der kanadische Rechtsprofessor Richard McLaren hatte Russland darin ein staatlich gelenktes Dopingsystem nachgewiesen, von dem mehr als 1000 Athleten profitiert haben sollen.
Ein russischer Untersuchungsausschuss hatte im Jahr 2016 ein Verfahren gegen Rodtschenkow beantragt und ihm Amtsmissbrauch vorgeworfen, auf den eine bis zu vierjährige Gefängnisstrafe steht. In einem Beitrag für die New York Times hatte der Kronzeuge in der vergangenen Woche erneut nachdrücklich den Ausschluss Russlands von den Winterspielen 2018 in Pyeongchang gefordert. Zudem erhob er Mordvorwürfe gegen den Kreml in Zusammenhang mit dem plötzlichen Tod des ehemaligen Vorsitzenden der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA, Nikita Kamajew, im Februar 2016.
Russland bestreitet Staats-Doping
Russland bestreitet bis heute eine staatliche Beteiligung an den Dopingvergehen. Unter anderem hatten die Gastgeber während der Spiele 2014 in Sotschi Dutzende Dopingproben manipuliert, im Moskauer Labor waren im Vorfeld einer Untersuchung mehr als 1400 Dopingproben zerstört worden. Russlands Vize-Premierminister Witali Mutko, damals Sportminister, gibt für sämtliche Verfehlungen Rodtschenkow und dem Moskauer Labor die Schuld. Zudem betont er, dass das Labor damals unter Aufsicht der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA stand.
Rodtschenkow wiederum sagte in seinem jüngsten Interview mit der New York Times: "Lassen Sie mich deutlich sein: Herr Mutko wusste vom russischen Doping-Programm und war entscheidend für dessen Erfolg." Seine Flucht in die USA begründete er unter anderem damit, dass ihn zwei Tage zuvor ein Freund aus der Regierung gewarnt habe, dass "Russland meinen 'Selbstmord' plane".
Das Internationale Olympische Komitee (IOC) will im Oktober eine Strafe gegen Russland verkünden. Meldungen, wonach nur eine hohen Geldstrafe verhängt werden soll, bezeichnete das IOC zuletzt als "Spekulation".