Auf der anderen Seite - und auch da gibt es viele Parallelen - haben wir auch die Schattenseiten von Social Media. Tennisspieler bekommen viele Hass-Nachrichten. Wie gehen Sie mit bösen Kommentaren um?
Endlich: Bei Let's Dance habe ich das in krasser Weise erlebt. Ich habe da jede Woche eine Top-Punktzahl bekommen und viele Menschen sind damit überhaupt nicht klargekommen. Was fällt ihr ein, dass sie da hingeht und das dann auch noch kann? So nach dem Motto war das. Ich habe mir jeden Tag acht Stunden den Hintern aufgerissen, um jede Woche am Freitag eine gute Leistung zu bringen. Dafür dann von einigen Menschen so gehasst zu werden, da habe ich die Welt nicht verstanden. Ich habe danach auch drei Monate gebraucht, um das erstmal wieder aus meinem System rauszuspülen. Ich stelle mir das auch als Sportler total schwer vor. Weil man natürlich schon viel liest und mitbekommt. Ich will nach einem TV-Auftritt ja zum Beispiel schon wissen, wie es draußen wahrgenommen wurde. Dann schaust du dir die Kommentare an und dann siehst du eben auch Sachen, die total krank sind. Ich verordne mir immer wieder Detox-Phasen, in denen das Handy weggelegt wird, aber dann willst du ja doch wieder was posten, um den Fans Lust auf dein nächstes Konzert zu machen. Die Balance zu halten ist gar nicht so einfach.
Ihre Karriere ist in vielen Punkten ähnlich verlaufen zu einem Sportstar, der in ganz jungen Jahren schon nach oben geschossen wird, dann aber erstmal seinen Weg finden muss.
Endlich: Das trifft es gut, ja. Ich kann mich da ganz gut reinfühlen, zum Beispiel in eine junge Tennisspielerin, die als Teenager schon die ersten großen Erfolge feiert und von Turnier zu Turnier um die Welt reist. So ähnlich war es bei mir auch, ich habe Videos gedreht in Miami, in der Wüste von L.A., ich wurde nach London geflogen - und am Anfang ist das alles wundervoll. Du machst alles nur aus Freude und denkst gar nicht viel darüber nach, was mit dir geschieht. Aber irgendwann kommt der Punkt, an dem es echt an die Substanz geht und du merkst: Das, was ich so liebe, macht plötzlich keinen Spaß mehr. Ich habe ständig Interviews, die stellen alle die gleichen Fragen, das ist eine Grenzerfahrung.
Mit welchem Ergebnis?
Endlich: Bei mir hatte es zur Folge, dass ich schon mit 16 eine erste Erschöpfung gespürt habe. Für mich war es extrem wichtig, dann einen Schritt zurückzutreten und überhaupt erstmal herauszufinden, wohin die Reise für mich gehen soll. Ich bin dann an die Bayerische Theaterakademie August Everding gegangen und konnte mich erstmal ein bisschen reinchillen in alles, was kommt. Wie ein Sportler erstmal herausfinden muss, was er auf dem Platz eigentlich alles kann, musste ich herausfinden, was ich mit meiner Stimme anstellen kann. Ich musste mir ein Fundament erschaffen.
Parallelen zwischen Training auf Platz 18 und dem Proberaum
Sportler haben heute fast alle große Berater-Agenturen, die sie managen, Musiker sind oft Teil von großen Plattenfirmen, auch das haben Sie erlebt. Warum war es so wichtig, dass Sie irgendwann Ihr eigenes Label "Unendlich Musik" gegründet haben?
Endlich: Ich glaube, dass es für jeden Musiker oder Sportler, oder ehrlich gesagt auch für viele andere Menschen, ganz wichtig ist, dass sie einen selbstbestimmten Weg gehen. Das ist aber schwer oder eigentlich unmöglich, wenn du Teil der großen Maschinerie bist. Das war ich eine lange Zeit. Leider gibt es in der deutschen Musikindustrie sehr wenig Innovationskraft. Es geht alles sehr schablonenartig zu. Nach dem Motto: Mach es doch wie Helene. Da sitzen ganz kluge Menschen und dann sagen sie mir das? Wie Helene? Das ist doch unmöglich. Oder du hast wie ich einen großen Erfolg mit einer Ballade, dann bist du für ewig die Märchenprinzessin in wallenden Seidenkleidern, dabei ist das nur ein Teil von deiner Persönlichkeit. Aber etwas anderes wird dir nicht zugetraut. Es ist kein Zufall, dass innovative Acts aus den USA und aus Großbritannien kommen. Weil es dort ganz anders ist, dort wird es gefördert und gefeiert, dass du dein eigenes Ding durchziehst, deinen Weg gehst, auf dich vertraust. Für mich war das die wichtigste Entscheidung überhaupt.
Die Bühne ist für Sie, was der Centre Court für die Tennisspieler ist. Sportler konnten während der Corona-Pandemie wenigstens vor leeren Rängen spielen, aber Musiker konnten lange gar nicht auftreten. Wie schlimm war diese Zeit für Sie?
Endlich: Furchtbar. In dieser Zeit ist auch mein neuer Song "Sternschwimmer" entstanden, weil ich ein Lied kreieren wollte, das die Hinwendung zu einer besseren Zeit symbolisiert. Eine Rückeroberung der Leichtigkeit. Sich wieder einschwingen auf das Leben. Im Grunde habe ich dieses Lied für mich selbst geschrieben nach dieser entschleunigten, phasenweise ja so seltsamen Corona-Zeit. Leicht bleiben, mutig sein, keine Angst haben - das sind alles Punkte, die jeder für sich hoffentlich aus dem Lied mitnehmen kann. Auf der Bühne, beim Matchball oder jeden Tag im Büro. Im Sport ist es manchmal schwer, weil alles so unmittelbar auf das Ergebnis fokussiert ist, oder in der Musik auf die Platzierung in den Charts, aber für mich bedeutet Erfolg heute in erster Linie körperliche, mentale und seelische Gesundheit. Und dass ich meine Vision erschaffen und aktiv daran arbeiten darf. Das ist Glück und das ist dann auch Erfolg.
Würden Sie sich, auch wenn Sie als Künstlerin im Mittelpunkt stehen, als Teil einer Mannschaft sehen?
Endlich: Unbedingt. Wenn ich auf der Bühne stehe, spüre ich vor allem eines: Verbundenheit. Jede Sängerin und jeder Sänger braucht eine tolle Band an seiner Seite, ich bin auch fest davon überzeugt, dass die Stones oder Beatles so groß und stark geworden sind, weil sie sich gegenseitig so unterstützt haben. Im Training auf Platz 18, oder jetzt bei uns im Proberaum ganz hinten links, wird die Saat gesät. Ich musste das aber auch erst lernen. Ich war am Anfang wie ein Einzelsportler, ein hochgezüchteter Popact ohne Basis, umso glücklicher bin ich jetzt, dass ich so eine großartige Band, so eine großartige Mannschaft um mich herum habe.
Endlich: "Ein Konzert im Tennisstadion wäre fantastisch"
Im Team ist es auch leichter, mit Drucksituationen umzugehen. Egal, ob in der Musik oder im Sport, wer mit Druck und einem hohen Stresslevel nicht umgehen kann, ist in diesem Job falsch. Was ist die größte Drucksituation, die Sie jemals verspürt haben?
Endlich: Druck kann in vielen Situationen auftreten. Du kannst auf einer Veranstaltung sein und merken, dass du hier völlig falsch gebucht wurdest. Dass es gar nicht passt. Dann sitzt du hinter den Kulissen in der Garderobe und hast Angst, dass du vielleicht ausgebuht wirst. Du musst aber trotzdem deinen Auftritt durchziehen. Das ist Druck. Das Krasseste war vielleicht in diesem Jahr "Die Passion" auf RTL. Jeder kann zu der Inszenierung seine Meinung haben, das steht jedem frei, aber ich war am Ende die Person, die als Maria um 20.15 Uhr im deutschen Fernsehen sieben Songs der deutschen Popkultur, bei denen jeder zuhause jede Textzeile kennt, live gesungen hat. Da war Druck, der mich aber befeuert hat.
Bei den US Open bekommt die Siegerin genauso viel Preisgeld wie der Sieger, nämlich 2,6 Millionen US-Dollar. Vordergründig herrscht im Tennis eine Gleichberechtigung, wenn man es sich genauer anschaut, sind die Unterschiede auf kleineren Events aber immer noch enorm. Auch bei der Frauen-EM im Fußball kam jetzt wieder das Thema der Gleichberechtigung auf. Wie groß ist dieses Thema eigentlich in der Musik?
Endlich: Es ist ein sehr großes Thema. Man muss sich nur die Lineups bei Festivals anschauen, wie wenige Frauen dort präsentiert werden. Oder bei TV-Formaten, die einfach nur männliche Gastgeber haben. Und wenn ich mir die Führungspositionen bei den Plattenfirmen anschaue, sehe ich dort ausschließlich Männer. Das sind alles Männer mit einem männlichen Blick und männlichen Idealen, wie die Dinge funktionieren sollen. Das ist meiner Meinung nach sehr aus der Zeit gefallen, da müsste sich dringend etwas verändern. Es müsste mehr Vertrauen in die tollen Frauen gesetzt werden, die es in der Branche auch gibt.
Letzte Frage: Wäre die perfekte Verbindung aus Musik und Sport für Sie nicht mal ein Konzert in einem Tennisstadion?
Endlich: (lacht) Also ich würde nicht Nein sagen zu einem Konzert im Arthur Ashe Stadium in New York. Das ist jetzt nicht so realistisch, aber vielleicht ja mal hier in Berlin im Tennisstadion, das wäre fantastisch. Ich muss spontan an Whitney Houston denken, wie sie 1988 zu den Olympischen Spielen in Seoul im weißen Trainingsanzug "One Moment in Time" gesungen hat. Was für eine Melodie, da kriege ich sofort Gänsehaut. Dieses Lied steht bis heute für die Verbindung zwischen Musik und Sport, wenn Musik auf Sport trifft, wenn durch die ganzen Emotionen beider Welten so eine explosive Mischung entsteht. Ich hätte große Lust, einmal selbst Teil dieser Verbindung zu sein.