Erkenntnisse zum Australian-Open-Sieg von Novak Djokovic: Der "Tennis-Cyborg" auf Achterbahnfahrt

Zertrümmerte aus Frust seinen Schläger: Daniil Medvedev fand kein Mittel gegen Novak Djokovic.
© getty

Novak Djokovic ist und bleibt der König der Australian Open: In einem überraschend einseitigen Finale schlug er Herausforderer Daniil Medvedev mit 7:5, 6:2 und 6:2 und krönte sich zum neunten Mal zum Champion von Melbourne. SPOX fasst die Erkenntnisse des Endspiels zusammen.

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Für den Djoker war es nach turbulenten Wochen ein ganz besonders süßer Triumph, den er vor allem einer ganz besonderen Waffe zu verdanken hatte. Medvedevs Leistung fasst das Dilemma der kommenden Tennis-Generation zusammen - und dann ist da noch das Rennen um den Grand-Slam-Rekord.

1. Djokovics 9. Australian-Open-Triumph war ein besonderer

Stefanos Tsitsipas hatte nach seinem Halbfinale gegen Medvedev unwissentlich die Richtung für das Endspiel vorgegeben. "Ich würde mich nicht wundern, wenn Daniil das Turnier gewinnt", sagte der Grieche, nachdem er von seinem Rivalen glatt in drei Sätzen hergespielt worden war. "Aber es ist schon komisch: Ich habe hier vor zwei Jahren gegen Rafa gespielt. Sein Auftritt gegen mich damals war phänomenal. Ich war mir zu 100 Prozent sicher, dass er das Turnier gewinnen wird. Aber ich lag falsch."

Tatsächlich war Medvedev ähnlich wie Nadal im Jahr 2019 durch seine Hälfte des Draws gestürmt. Viele Experten sahen ihn als mindestens gleichwertig an, mit einer Siegesserie von 20 Matches und dem Erfolg über Djokovic bei den ATP Finals im Rücken. Und wie Nadal 2019, der damals ebenfalls in drei Sätzen abgefertigt worden war, war der Russe am Ende chancenlos.

Nun sind die Titel des Djokers Down Under mittlerweile längst keine Überraschung mehr, und gerade im Nachhinein bietet sich den geneigten Beobachtern ein mit einem kleinen Gähnen verziertes "War ja klar, dass Djokovic gewinnt" an. Siehe Nadal bei den French Open. Das verkennt jedoch, dass der Serbe auf turbulente Wochen zurückblickt. Der neunte Titel, er war alles andere als ein Selbstläufer - das Finale mal ausgenommen.

"Emotional war das eines der härtesten Turniere überhaupt", gab Djokovic nach dem Sieg über Medvedev zu, und verwendete in gleich mehreren Interviews das Wort "Achterbahnfahrt". Nicht nur aufgrund der Quarantäne im Vorfeld, wobei der Djoker und ein paar andere Topstars dabei zugegebenermaßen noch recht gut davongekommen waren. Auch die Medien - von seinem Lieblingsfeind Nick Kyrgios ganz zu schweigen - stürzten sich Down Under auf Djokovic und warfen ihm vor, trotz des harten Lockdowns im Land Forderungen gestellt zu haben, um den gepamperten Tennisstars das Leben noch weiter zu erleichtern.

"Der Brief, den ich geschrieben hatte, enthielt Ideen und Empfehlungen, die ich von anderen Spielern bekommen hatte", verteidigte er sich am Sonntag. "Es wurde falsch interpretiert, als hätte ich Forderungen gestellt." Plötzlich sei er in Australien, wo er aufgrund der großen serbischen Community oftmals lautstarke Unterstützung von den Rängen erhält, zur "Persona non grata" avanciert.

Djokovic siegt trotz Verletzung: "Die Kritik war manchmal unfair"

Dazu kam die Bauchmuskelverletzung in der 3. Runde gegen den Amerikaner Taylor Fritz, die von der Öffentlichkeit argwöhnisch beäugt wurde. Hatte der Djoker, der auf dem Court zugegebenermaßen manchmal zur Drama-Queen neigt, die Verletzung hochgespielt? "Es ist ein Muskelfaserriss", betonte er. "Das hat das MRI gezeigt. Fragt die Ärzte und Physios." An seinen freien Tagen habe er von 14 wachen Stunden zehn auf der Behandlungsliege verbracht, um trotz Verletzung spielen zu können. "In meinen Augen war die Kritik manchmal unfair", sagte er, und kündigte eine Dokumentation gegen Ende des Jahres an, mit bis dato nicht dagewesenen Einblicken.

Es gibt wohl kaum einen Weltklasse-Athleten auf diesem Planeten, der mit "Ich allein gegen die ganze Welt"-Szenarien so gut umgehen kann wie Novak Djokovic, der mit dem Rücken zur Wand fast immer sein bestes Tennis spielt. Und man muss es sicherlich nicht ganz so martialisch sehen wie Goran Ivanisevic: Der Kroate aus Noles Trainerteam sinnierte auf der Pressekonferenz nach dem gewonnenen Finale, dass "es da oben jemanden gibt, der ganz genau sieht, was ihm die Medien und alle anderen antun".

Dennoch besteht kein Zweifel daran, dass dieser Triumph angesichts der schwierigen Vorzeichen - und angesichts des gefährlichen Gegners - dem Djoker ganz besonders süß schmeckte. "Er ist der König von Melbourne", musste Medvedev zugeben, "auch wenn mir dieser Ausdruck nicht gefällt. Aber was soll ich sagen?"

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