Nick Bollettieri im Interview nach den French Open: "Zverev regt sich zu sehr auf"

Trainerlegende Nick Bollettieri (l.) weiß, woran es bei Alexander Zverev noch hapert.
© getty

Rafael Nadal holt sich in Roland Garros den zwölften French-Open-Titel seiner Karriere und bleibt auf Sand wohl für immer unerreicht. Im SPOX-Interview spricht Tennis-Guru Nick Bollettieri über "Verlierer" Dominic Thiem und erklärt das größte Problem von Alexander Zverev.

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Nick, Sie sind inzwischen 87 Jahre alt, aber immer noch ständig unterwegs in Sachen Tennis. Wie geht es Ihnen und wo erwische ich Sie gerade?

Nick Bollettieri: Danke, mir geht es blendend. Ich komme gerade von einer Veranstaltung in Massachusetts und habe dort ein Training gegeben, jetzt steige ich in ein paar Minuten in den Flieger nach Philadelphia und mache dort das Gleiche.

Sie haben das Finale von Paris sicher verfolgt. Dominic Thiem hat zwei Sätze lang überragend mitgehalten und teilweise wie ein junger Gott gespielt, aber es hat am Ende wieder nicht gereicht, weil dieser Rafael Nadal auf Sand nicht von dieser Welt ist. Was war Ihr Eindruck?

Trainerlegende Nick Bollettieri (l.) weiß, woran es bei Alexander Zverev noch hapert.
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Trainerlegende Nick Bollettieri (l.) weiß, woran es bei Alexander Zverev noch hapert.

Bollettieri: Ich glaube schon, dass der Fünfsatzsieg gegen Novak Djokovic im Halbfinale einen großen Einfluss hatte und ihm viel Kraft gekostet hat. Auf der anderen Seite müssen wir ehrlich sein: Selbst wenn Thiem ein paar Körner mehr gehabt hätte, ist und bleibt Rafa Rafa. Der rote Sand von Paris ist sein Zuhause. Er wird als der König der Asche in die Geschichte eingehen. Egal wie schwierig es auch sein mag, auf Sand wird er am Ende so gut wie immer gewinnen. Ich muss allerdings sagen, dass Rafa mich vor allem im Halbfinale gegen Roger Federer überzeugt hat. Wie er da seine Strategie geändert hat und viel näher an der Grundlinie gestanden ist, war sehr sehr wichtig für dieses Match und ein exzellenter Schachzug.

Es ist jedes Jahr die gleiche Frage: Wie lang kann Nadal das noch so durchziehen? Er ist jetzt 33 Jahre alt geworden.

Bollettieri: Es ist jedes Jahr die gleiche Frage und die Antwort bleibt im Grunde auch die gleiche. Absolut alles hängt von seinem Körper ab. Wir dürfen nie vergessen, wie sehr Rafas Spiel seinen Körper belastet. Er taucht nach unten ab, er springt, er rutscht - das zehrt alles enorm. Die Art und Weise, wie er den Platz abdeckt und sich bewegt, macht ihn so gefährlich. Wenn er gesund bleibt und es der Körper zulässt, dann kann er Paris noch einige Male gewinnen. Wenn er gesund bleibt ...

Dominic Thiem muss wieder zurück in die Warteschleife. Paris ist ohne Frage seine beste Chance auf einen Grand-Slam-Titel, aber er hat auch schon bewiesen, wie gut er auf Hartplatz spielen kann. Wie sehen Sie seine Situation?

Bollettieri: Zuerst möchte ich sagen, dass Thiem alles hat, was ein Grand-Slam-Champion haben muss. Er hat alles im Werkzeugkasten, was er braucht. Seine Vorhand ist gewaltig und eine der besten auf der Tour. Er hat einen guten Aufschlag und eine tolle einhändige Rückhand. Er bewegt sich gut. Er kann alles. Er hat ein tolles Turnier gespielt und muss dieses Gefühl jetzt mit in die Rasensaison nehmen. Er sollte nicht darüber nachdenken und vergessen, was er nicht gewonnen hat. Er hat das Spiel, um Slams zu gewinnen und sollte sich das auch bewusst machen. Er sollte nicht denken: Ich hoffe, dass ich eines gewinne. Nein, er sollte denken: Ich kann eines gewinnen. Allerdings glaube ich, dass er einen Slam auf Hardcourt nicht ausschließlich von der Grundlinie gewinnen kann. Da muss er noch mehr den Weg nach vorne suchen.

Die Konkurrenz ist bei den Herren auch so brutal wie vielleicht nie.

Bollettieri: Das stimmt. Die Tiefe im Herrentennis ist unglaublich, einfach unglaublich. Die Strafe für jeden Topspieler ist es dabei, dass du jeden Tag auf Jungs triffst, die absolut nichts zu verlieren und alles zu gewinnen haben. Das macht es so schwer. Ich bin gespannt, wie es auf Rasen weitergeht, da reden wir natürlich von einer komplett anderen Geschichte.

Was sehen Sie, wenn Sie Alexander Zverev in diesem Jahr beobachten?

Bollettieri: Zverev ist unglaublich schnell nach oben geschossen. Das ist für mich ein Grund, warum er aktuell ein paar Probleme hat. Und der noch wichtigere Grund ist, dass er zu emotional ist. Zverev sollte sich mal auf Video anschauen, wie er sich aufregt, wenn er Bälle verschlägt. Um ein Grand Slam gewinnen zu können, muss er mental erwachsen werden. Er hat diesen großartigen Aufschlag, er hat die Power in seinen Grundschlägen, aber er ist im Kopf noch nicht bereit. Wenn er einen Ball verschlägt, regt er sich zu sehr auf und schaut dann wütend hoch zu seiner Box.

Ivan Lendl kehrt jetzt beim Turnier in Stuttgart zurück an seine Seite. Kann er ihm dabei helfen?

Bollettieri: Ich glaube, da muss er sich vor allem selbst helfen. Nochmal: Er sollte sich auf Video anschauen, wie er aus der Fassung gerät, wenn er einen Ball nicht trifft. Es geht bei Zverev nicht um das Spielerische. Es geht um den Kopf. Ob er in der Lage ist, mit allem umzugehen, was auf dem Court passiert, mental tougher zu werden und positiv zu bleiben - das wird über seine Zukunft entscheiden.

Zum Abschluss noch ein Wort zu den Damen. Ashleigh Barty hat vor einigen Jahren Cricket gespielt und ist jetzt French-Open-Siegerin und die neue Nummer zwei der Welt. Ein Märchen. Wie sehen Sie die Lagen bei den Damen?

Bollettieri: Jede kann gewinnen. Wenn Serena wie aktuell gesundheitlich nicht auf der Höhe ist und sich nicht so bewegen kann, wie sie es für ihr Spiel braucht, ist bei den Damen alles offen. Es ist fast unmöglich, hier etwas richtig vorherzusagen, so viele Spielerinnen kommen für einen Sieg infrage.

Amanda Anisimova hat mit dem Halbfinal-Einzug für Furore gesorgt. Sie trainiert bei Ihnen in der Academy.

Bollettieri: Amanda hat eine ganz große Zukunft vor sich. Sie ist erst 17 Jahre alt, aber sie ist mental schon unglaublich gereift. Und über ihre spielerischen Möglichkeiten brauchen wir nicht groß zu reden, sie hat gewaltige Schläge.

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