Vielleicht verliert er sogar gleich gegen John Millman. Okay, gegen Mikael Ymer vielleicht nicht, dann aber bestimmt in Runde drei gegen Dusan Lajovic. Okay, okay, aber gegen Fabio Fognini hat er jetzt wirklich gar keine Chance. Alle Kritiker von Alexander Zverev mussten aus ihrer Sicht erstaunlicherweise bis zum Viertelfinale und bis zu keinem Geringeren als Novak Djokovic warten, ehe der Weg von Zverev in Roland Garros zu Ende ging.
Es ist legitim, Zverev und vor allem seine noch fehlenden ganz großen Erfolge bei den Grand Slams kritisch zu sehen, aber nach diesem Turnier ist es unangebracht, einen weiter fehlenden Halbfinal- oder Finaleinzug bei einem der Majors herauszuheben. Es ginge am Thema vorbei.
Das Thema bei Zverev ist ein anderes. Der Deutsche durchläuft gerade die bis dato schwierigste Phase seiner noch jungen Karriere und meistert diese mit Bravour. Was hatte oder hat Zverev 2019 nicht alles auf dem Tablett? Da wäre die Trennung im Streit von Manager Patricio Apey, die Zverev Kopfzerbrechen und viel Ablenkung vom Tennis eingebrockt hat. Die auch ein Energiefresser war.
Zverevs Jahr 2019: Kampf und Krampf
Da wären mit der Trennung von seiner Freundin oder mit einer kurzen Krankheit des Vaters private Geschichten. Da wäre der fehlende Coach Ivan Lendl an der Seite, der aufgrund seiner Pollenallergie erst wieder zur Rasensaison dabei ist. Und da wären natürlich die sportlichen Komponenten. Die fehlende Form. Das fehlende Selbstvertrauen. Der fehlende Aufschlag - in Paris leistete sich Zverev in fünf Matches unfassbare 51 Doppelfehler.
Zverevs Jahr 2019 ist bislang ein einziger Kampf und Krampf. Aber wie Zverev mental diese Herausforderungen seit einiger Zeit meistert, ist bemerkenswert. Erst nahm er kurz vor Meldeschluss die Chance von Genf-Turnierdirektor Rainer Schüttler wahr, vor Paris noch Matchpraxis zu sammeln. Dann würgte er sich bei einem Match nach dem anderen durch und letztendlich sogar zum Turniersieg.
Dass es nur das Turnier von Genf war, ist völlig nebensächlich. Beeindruckend ist, dass Zverev innerhalb eines Matches nach teils brillanten Phasen immer wieder teils schlimme Schwächephasen erlebt, aber nie entscheidend wegknickt. In Paris war er gegen Millman im fünften Satz da. Er war im Match gegen Lajovic zum Start des fünften Satzes total da, auch in puncto Körpersprache, obwohl er davor einen katastrophalen vierten Satz erlebt hatte.
Zverevs Grand-Slam-Bilanz: Sind zwei Viertelfinals zu wenig?
Und er lieferte in der Folge seine bisher beste Leistung in seiner Roland-Garros-Karriere und gewann gegen Fognini ein Match, zu dem er als Underdog angetreten war. Dass Djokovic jetzt eine Nummer zu groß war? Geschenkt. Alleine der Viertelfinal-Einzug ist in der jetzigen Phase ein kleiner Triumph.
Djokovic hat nicht umsonst drei Grand Slams in Folge gewonnen und spielt wie eine aus Gegnersicht ganz ekelhafte Maschine. Dennoch war Zverev in Satz eins der bessere Spieler, bis er ihn am Ende - aktuell irgendwie typisch - mit einem Doppelfehler abgab.
Zverev hat zwar schon bewiesen, dass er Djokovic unterhalb von Grand-Slam-Level schlagen kann. Zverev hat mit drei Masters-Series-Titeln und vor allem dem ATP-Finals-Triumph 2018 schon in jungen Jahren Großes geleistet, aber das ändert nichts daran, dass Zverev immer noch erst 22 ist und einen Reifeprozess durchmachen muss. Er ist in vielen Aspekten, sei es bei der Konstanz, oder auch in einer Feinheit wie dem Spiel am Netz, noch nicht auf dem Niveau der ganz Großen.
Die French Open waren Zverevs 16. Grand-Slam-Turnier im Hauptfeld. Als beste Ergebnisse stehen die beiden Paris-Viertelfinals aus den beiden letzten Jahren zu Buche. Zum Vergleich: Roger Federers beste Ergebnisse bei seinen ersten 16 Grand-Slam-Auftritten im Hauptfeld waren ebenfalls zwei Viertelfinals (French Open 2001, Wimbledon 2001).
Federer brauchte auch Anlauf
Was bei seinem 17. Grand-Slam-Turnier passierte? Federer gewann 2003 mit knapp 22 Jahren Wimbledon. Es ist im Prinzip Nonsens, irgendeinen Tennisspieler mit dem großen Meister aus der Schweiz zu vergleichen und es ist äußerst unwahrscheinlich, dass Zverev im Juli in Wimbledon am Ende einen Pokal in der Hand hält, aber der Vergleich zeigt dennoch, wie angebracht doch Geduld ist.
Geduld, die Zverev sicher selbst am wenigsten hat. Er wirkte nach dem Djokovic-Match enorm enttäuscht. Vielleicht hätte er selbst gedacht, dass der erste Grand-Slam-Titel schneller kommen würde. Vielleicht kommt er im nächsten Jahr, vielleicht kommt er erst in zwei Jahren, vielleicht auch erst in drei.
Die Konkurrenz ist gewaltig. Die Big Three aus Djokovic, Nadal und Federer sind immer noch da, ein Stefanos Tsitsipas hat das gewisse Etwas eines zukünftigen Grand-Slam-Champions - es ist brutal hart, überhaupt einmal nach zwei Wochen und sieben Matches alle anderen hinter sich zu lassen.
Das so schwierige Jahr 2019 und die Art und Weise, wie er sich Schritt für Schritt aus der Krise fightet, wird Zverevs Karriere entscheidend beeinflussen. Bleibt Zverev geduldig, werden seine großen Tage bei Grand Slams kommen.