Angelique Kerber glich einem Häufchen Elend. Sie warf sich ein Handtuch über die Schultern, packte ihre Schlägertasche und sah zu, dass sie den Ort der Blamage eiligst verließ.
73 Minuten nur hatte ihr Auftritt bei den French Open gedauert, kurz nach Mittag am ersten Turniertag in Paris war der ohnehin etwas vage Traum vom Karriere-Grand-Slam von einer jungen Russin namens Anastassija Potapowa regelrecht zerschmettert worden.
"Ich bin super enttäuscht", sagte Kerber, "ich habe schon gehofft, dass ich ein bisschen besser spiele."
Boris Becker erklärte bei Eurosport, dass Kerbers Aus nicht ganz überraschend komme, da sie sich schwer am Knöchel vor einigen Wochen in Madrid verletzt hat: "Bis zuletzt war es auch die Frage, ob sie überhaupt fit genug ist in Paris zu spielen. Heute wissen wir mehr. Vielleicht hätte sie gar nicht hier in Roland-Garros antreten sollen, weil sie sich offensichtlich nicht 100-prozentig richtig bewegen konnte."
Kerber: "Das soll keine Entschuldigung sein"
Die Weltranglistenfünfte aus Kiel verlor mit 4:6, 2:6, ihre fünfte Erstrunden-Niederlage in Roland Garros war eindeutig.
Und es war nicht zu übersehen, dass sie im erst vierten Match auf Sand in dieser Saison weit weg war von ihrer Bestform, nachdem sie sich vor fast drei Wochen beim Turnier in Madrid am rechten Sprunggelenk verletzt hatte.
Sie habe den Fuß gespürt, bekannte Kerber, sie mutmaßte auch, die French Open seien vielleicht "noch ein bisschen zu früh" gekommen, betonte aber auch: "Das soll keine Entschuldigung sein."
Otte und Siegemund in der zweiten Runde
Als erste von 18 deutschen Tennisprofis erreichten dafür am ersten Turniertag Philipp Kohlschreiber (Augsburg) nach vier engen Sätzen gegen Robin Haase (Niederlande), der Kölner "lucky loser" Oscar Otte und Laura Siegemund (Metzingen) die zweite Runde.
Otte trifft nach seinem 6:3, 6:1, 4:6, 6:0 gegen Malik Jaziri aus Tunesien nun auf Roger Federer (Schweiz), der sich mit 6:2, 6:4 und 6:4 gegen Lorenzo Sonego aus Italien durchsetzte. Der Sieger von 2009 ist erstmals seit 2015 wieder in Roland Garros.
Otte folgte Siegemund durch ein 6:3, 6:2 gegen Sofja Schuk (Russland). Maximilian Marterer aus Nürnberg, im Vorjahr erst im Achtelfinale an Rekordsieger Rafael Nadal (Spanien) gescheitert, war dagegen beim 2:6, 2:6, 6:7 (4:7) chancenlos gegen den Weltranglistensechsten Stefanos Tsitsipas (Griechenland).
Zverev greift erst am Dienstag ein
Erst am Dienstag greift Alexander Zverev gegen John Millman (Australien) in das Turnier ein - er erhielt Aufschub, weil er am Samstag bis in den späten Abend hinein beim Turnier in Genf beschäftigt war - und danach aber mit gehörigem Rückenwind zu den French Open reiste.
6:3, 3:6, 7:6 (10:8) gewann der Weltranglistenfünfte gegen den Chilenen Nicolas Jarry, dabei musste der Hamburger im Tiebreak zunächst zweimal einen Matchball abwehren, ehe er nach seinem vierten den elften Turniersieg seiner Karriere feiern konnte.
"Ich weiß", sagte der zuletzt arg kriselnde Zverev (22) beim Abschied aus der Schweiz, "dass ich einer der besten Spieler der Welt sein kann, wenn ich meinen Rhythmus finde. Und diese Woche hat mir dabei definitiv geholfen."
Wie weit ihn das jetzt in Roland Garros bringt, bleibt aber abzuwarten. Vor einem Jahr hat er auf der roten Asche am Bois de Boulogne das Viertelfinale erreicht - sein bestes Resultat bei einem Grand Slam, aber kein Ausdruck seiner Fähigkeiten.
Kerber: "Paris und ich ist eine Geschichte für sich"
Kerber (31) betonte nach ihrer Niederlage gegen gegen die French-Open-Debütantin Potapowa, die in der Weltrangliste auf Position 81 geführt wird, gleich mehrfach, sie habe wegen ihrer Fußverletzung ohnehin "keine großen Erwartungen" gehabt.
"Paris und ich, das ist eine Geschichte für sich", sagte Kerber zum Abschied.
Der Glaube an einen Sieg in Roland Garros, mit dem sie nach den Triumphen bei den Australian Open, den US Open (beide 2016) und in Wimbledon (2018) den Karriere-Grand-Slam vollenden würde, ist aber angeblich "noch da".