Roger Federer riss die Arme in den Nachthimmel über Shanghai, seine Freude entlud sich in einem Schrei, den nur der Jubel der 15.000 chinesischen "Fedex"-Fans übertönte. Mit seinem Erfolg beim Masters in der Millionen-Metropole läutete Federer den Tennis-Herbst ein, der für den Maestro aus der Schweiz zur goldenen Jahreszeit werden soll.
Vor dem Heimturnier in Basel, dem Saisonfinale in London und dem Endspiel um den Davis Cup in Frankreich hat der Altmeister nun sogar die Chance, an die Spitze der Weltrangliste zurückzukehren.
"Unglaubliche Woche"
"Das war eine unglaubliche Woche für mich", sagte Federer, nachdem er im Finale den Franzosen Gilles Simon 7:6 (8:6), 7:6 (7:2) bezwungen hatte: "Es ist traumhaft, solch ein prestigeträchtiges Turnier - das größte in Asien - zu gewinnen. Ich kann nicht glücklicher sein."
Der Halbfinalsieg über seinen Dauerrivalen Novak Djokovic ließ Federers 81. Triumph auf der Profitour umso glänzender erscheinen. Am Samstag hatte der 33-Jährige Revanche (6:4, 6:4) für das verlorene Wimbledonfinale genommen und dabei - so sah es nicht nur Becker-Schützling Djokovic - das "perfekte Match" gespielt. "Es gab heute nichts in meinem Spiel, das nicht funktioniert hat", sagte auch Federer nach seinem 19. Erfolg im 36. Duell mit dem Serben.
Neuer Weltranglisten-Zweiter
Mit seinem vierten Turniersieg der Saison zieht Federer in der Weltrangliste erneut am Spanier Rafael Nadal vorbei auf Platz zwei. Der Rückstand auf Spitzenreiter Djokovic beträgt weniger als 1000 Punkte - nun wartet die Hallensaison, in der Federer schon oft das beste Tennis des Jahres abgerufen hat.
Die vergebene Chance von New York, als Federer im Halbfinale der US Open am späteren Überraschungssieger Marin Cilic gescheitert war, ist verdaut. Nach dem Urlaub mit Ehefrau Mirka und seinen vier Kindern fühlt er sich "mental frisch". Allerdings hätte in Shanghai nicht viel gefehlt, und Federer wäre bereits nach einem Match nach Hause gefahren. Zum Auftakt gegen den Argentinier Leonardo Mayer wehrte er fünf Matchbälle ab.
Nervenstarke Vorstellung
Gegen Djokovic schoss Federer plötzlich ein Gedanke durch den Kopf: "Eigentlich sollte ich gar nicht mehr hier sein. Also muss ich das Beste daraus machen." Das gelang gegen Djokovic.
Gegen Simon reichte Federer dann eine nervenstarke Vorstellung, um seinen 23. Masterstitel zu gewinnen - nur Nadal (27) hat mehr Turniere der hochdotierten Serie für sich entschieden. In beiden Durchgängen gegen Simon wehrte Federer insgesamt drei Satzbälle des ehemaligen Top-10-Spielers ab und verwandelte schließlich nach 1:53 Stunden seinen ersten Matchball.
Die ATP-Weltrangliste