Gestörte Harmonie trotz Sieg

SID
Philipp Kohlschreiber konnte nicht antreten
© getty

Ratlosigkeit statt Feierlaune: Der Viertelfinal-Einzug der deutschen Davis-Cup-Mannschaft gegen Spanien wurde von einer Absagenflut überschattet. Als Tommy Haas, Philipp Kohlschreiber und Florian Mayer am Sonntag die Box am Spielfeldrand betraten, wurden sie von 5000 Fans in Frankfurt gnadenlos ausgepfiffen.

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Der zur Schau gestellte neue Teamgeist beim 4:1-Sieg gegen Spanien hielt nur eine Nacht: Der erste Viertelfinal-Einzug des deutschen Davis-Cup-Teams nach drei Jahren wurde von einer kollektiven Absagenflut am Schlusstag überschattet. Die Welle der Empörung traf auch Teamkapitän Carsten Arriens unvorbereitet: "Mit dieser Vehemenz hatten wir nicht gerechnet. Als wir die Halle verließen, hat sich von uns keiner als Sieger gefühlt", sagte er.

Zuvor hatte Arriens die undankbare Aufgabe gehabt, den Zuschauern die Unpässlichkeit seines Trios mitzuteilen. "Die drei Spieler sind nicht in der Lage zu spielen", sagte der 44-Jährige mit dem Mikrofon auf dem Court - und erntete ein Pfeifkonzert der enttäuschten Zuschauer. Eine zweite Ansprache musste der Teamchef abbrechen, weil er zu lautstark ausgebuht wurde. Ein Novum.

Über die Art der Verletzungen wurde zunächst nichts bekannt. "Ein offizieller ITF-Arzt hat alle untersucht. Er konnte nicht verantworten, dass sie spielen", sagte DTB-Präsident Karl Altenburg bei "ran.de", kündigte aber gleichzeitig an: "Wir werden das in Ruhe bewerten." Was blieb, war ein bitterer Nachgeschmack.

Harsche Kritik durch Kiefer

Ex-Profi Nicolas Kiefer übte jedenfalls gewohnt deutlich massive Kritik. "Ein ITF-Arzt? Das habe ich ja noch nie gehört. Es ist schade und traurig. Was in den letzten beiden Tagen aufgebaut wurde, ist alles verpufft. Nach außen ist das keine gute Darstellung", sagte Kiefer. Er sei auch schon mal in dieser Situation gewesen, habe sich aber "durchgequält".

Bereits am Sonntagmorgen hatte festgestanden, dass keiner der drei angeschlagenen Spieler auflaufen würde. "Die Profis haben Sorge um ihre Körper", erklärte DTB-Sportdirektor Klaus Eberhard.

Der Weltranglisten-Zwölfte Haas, der am Samstag im Doppel mit Kohlschreiber gegen die Masters-Sieger Fernando Verdasco/David Marrero (7:6, 6:7, 7:6, 6:3) gewonnen und das entscheidende 3:0 besiegelt hatte, konnte die Aufregung nicht ganz verstehen. "Wir sind alle drei wirklich angeschlagen. Wir sind platt - es geht nicht", sagte der 35-Jährige, den zuletzt eine Schulterverletzung geplagt hatte.

Keine 20 Stunden zuvor hatten die Protagonisten nach dem vorzeitigen Viertelfinal-Einzug gegen den fünfmaligen Titelträger Spanien noch euphorisch in der Pressekonferenz gesessen - und zum Abschluss Arriens ausgelassen mit Sekt überschüttet. Der 44-Jährige wurde als Friedensstifter gefeiert, weil er die Streithähne Haas und Kohlschreiber gemeinsam im Doppel spielen ließ. "Diese Vision, diesen Traum hatte ich immer im Kopf", sagte Arriens und wurde im "ZDF"-Sportstudio auch von Boris Becker gelobt. "Er hat Fingerspitzengefühl bewiesen."

Viertelfinale in Frankreich

Haas schwärmte von den "schönsten Momenten, die man mit einem starken Team erleben darf." Sein kongenialer Partner machte sogar Lust auf mehr. "Mal schauen, was da vielleicht noch kommt", sagte Kohlschreiber, der bereits das erste Einzel gegen Roberto Bautista Agut (6:2, 6:4, 6:2) gewonnen hatte.

Arriens hatte die Hoffnung geweckt, dass Eifersüchteleien und Missgunst in der DTB-Equipe der Vergangenheit angehören könnten. "Mit dem Teamgeist, wer weiß, was da noch geht", meinte Florian Mayer. Der Bayreuther hatte mit seinem Fünfsatz-Triumph gegen die spanische Nummer eins Feliciano Lopez (7:6, 7:6, 1:6, 5:7, 6:3) den Grundstein für den Erfolg gelegt. Daniel Brands (Deggendorf) holte an einem denkwürdigen Schlusstag durch einen Erfolg gegen Bautista Agut (7:6, 6:4) den vierten Punkt.

Im Viertelfinale wartet auf das Arriens-Team ein Auswärtsspiel in Frankreich (4. bis 6. April). Das interessierte am Sonntag aber vorerst niemanden.

Philipp Kohlschreiber im Steckbrief

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