Das Diuretikum Hydrochlorothiazid, das beim Fahrer des russischen Rennstalls Katjuscha in einer Urinprobe gefunden wurde, führt nach dem Reglement des Radsportweltverbandes UCI nicht umgehend zu einer Sperre. Dagegen ist das Mittel aber Bestandteil des Codes der Welt-Anti-Doping-Agentur, der in diesem Fall greift.
Eine eigene Liste der UCI sei ihm nicht bekannt, sagte der Dopinexperte Wilhelm Schänzer: "Alle Verbände haben den WADA-Code unterschrieben und damit ist dieser bindend für sie", erklärte Schänzer.
Kolobnew wurde das Präparat bei einer Kontrolle vom 6. Juli nachgewiesen. Die Probe war im WADA-Labor in Chatenay-Malabry untersucht worden. Der Olympiadritte von 2008 hat daraufhin vor der 10. Etappe von sich aus die Frankreich-Rundfahrt beendet.
Kolubnew mit Standardausrede
Erst wenn die B-Probe, deren Öffnung Kolobnew erwartet, das Ergebnis bestätigen sollte, handelt es sich offiziell um einen Dopingfall. Der Fahrer würde dann von Katjuscha entlassen. "Ich weiß nicht, wie die Substanz in meinen Körper gekommen ist", sagte Kolubnew und bediente sich damit der Standardausrede.
Der Vizeweltmeister von 2009 war zunächst nicht von der Tour ausgeschlossen worden, weil die UCI in diesem Fall keine provisorische Sperre aussprechen konnte. Der Russe hätte demnach das Rennen fortsetzen können.
Der Verband richtete allerdings eine Empfehlung an Katjuscha. "Wir sind zuversichtlich, dass das Team die notwendigen Schritte unternimmt, um die Tour de France in Ruhe weiterlaufen zu lassen".
Team Katjuscha in der Kritik
"Die internen Regeln des Teams besagen, dass der Fahrer gesperrt wird und ein fünffaches Jahresgehalt an Strafe zu zahlen hat, wenn die B-Probe auch positiv ist", teilte Katjuscha noch am Montagabend mit. Kolobnew könnte mit einer Verwarnung davonkommen, muss aber auch mit einer zweijährigen Sperre rechnen. Dem Russen wird die Chance eingeräumt, sich vor einer Kommission zu erklären.
Schänzer sagte am Dienstag, ihm sei unverständlich, weshalb diese Substanz eingesetzt wurde. "Es verwundert mich, dass damit gearbeitet wird. Bei Wettkämpfen ist man schlecht beraten, Substanzen zu benutzen, die auch für medizinische Zwecke verwendet werden. Sie sind leicht nachzuweisen. Es ist schwierig zu sagen, aus welchem Grund er das Mittel genommen hat", sagte Schänzer.
Der Leiter des Instituts für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule Köln kritisiert das leichtfertige Verhalten der Teamführung von Katjuscha. "Die Mannschaftsleitung hätte viel besser damit umgehen müssen. Es ist ein Verstoß gegen das Reglement", so Schänzer. Der Fahrer sei demnach nicht unbedingt verantwortlich zu machen.
Mittel zur Maskierung von Dopingsubstanzen
Hydrochlorothiazid hat keine direkt leistungssteigernde Wirkung, sondern führt zu vergrößertem Volumen des Urins und wird zur Gewichtsreduzierung eingesetzt. Hydrochlorothiazid kann aber auch zur Maskierung von Dopingsubstanzen benutzt werden.
Im Tour-Tross wurde die Nachricht mit Missfallen aufgenommen. "Das kann der Radsport im Moment natürlich nicht gebrauchen", sagte Rolf Aldag, deutscher Sportdirektor des Teams HTC-Highroad. "Jeder positive Befund ist immer eine schlechte Nachricht, das ist klar".
Die Katjuscha-Mannschaft war am Dienstag als letztes der 22 Teams am Start in Aurillac erschienen. Eine Journalistentraube gruppierte sich um den Teambus.
Katjuscha: Kein unbeschriebenes Blatt
Kolobnew hatte noch am Montagabend in einem Teamfahrzeug das Katjuscha-Hotel in der Nähe von Vezac verlassen. Er wurde von der französischen Polizei eskortiert und von Teamchef Andrej Tschmil und Mannschaftkollege Igor Silin begleitet.
Tschmil und Silin, der mit Kolobnew das Zimmer teilte, seien freiwillig mit zur Polizei gefahren. "Es ging darum, das Gespräch genau zu übersetzen und zu unterstreichen, dass Tschmil und das Team nicht an dem strittigen Sachverhalt beteiligt sind", ließ Katjuscha wissen.Kolobnew lag im Gesamtklassement auf dem 69. Platz mit 22:15 Minuten Rückstand auf Spitzenreiter Thomas Voeckler (Frankreich). Es wäre der dritte Dopingfall in der Geschichte von Katjuscha nach den 2009 positiv auf Epo getesteten Antonio Colom (Spanien) und Christian Pfannberger (Österreich). Nach Pfannbergers Fall wurde der Passus in alle Verträge der Fahrer eingefügt, der bei einem positiven Befund die hohe Strafe nach sich zieht.
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