Vom Hinterradlutscher zum Toursieger

Von Torsten Adams
Das Podium der Tour de France 2011: Cadel Evans (M.), Andy Schleck (l.) und Fränk Schleck
© Getty
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Andy Schleck: Der nächste Zoetemelk oder kommender Toursieger?

Sie kamen mit einer klaren Vorgabe: Einer von ihnen sollte die Tour gewinnen. Dieses Ziel haben die Schleck-Brüder verpasst. Mit 94 Sekunden Rückstand wurde Andy Zweiter. Weitere 56 Sekunden dahinter belegte Fränk den dritten Rang.

Erst als die Enttäuschung gewichen war, realisierten die Luxemburger, was sie geleistet hatten: "Andy und ich sprechen seit Jahren über nichts anderes als den Toursieg. Wir waren noch nie so dicht dran", sagte Fränk. "Bevor wir nach Frankreich kamen, sagten wir uns, dass wir alles geben werden und die Tour drei Wochen später ohne jegliche Reue wieder verlassen würden. Und genau das haben wir gemacht."

Stolz auf das Doppelpodium

Wenn man die letzten drei Wochen mit einem Wort zusammenfassen müsste, dann wäre es "Stolz", fügt Andy hinzu und spielte dabei einmal mehr auf den ungeheuren Zusammenhalt im neu gegründeten Team Leopard-Trek an.

"Wenn man sich die Bedeutung der Tour anschaut, ist es eine große Ehre, die Rundfahrt auf dem zweiten Platz zu beenden. Erst recht, wenn auch dein Bruder auf dem Podium steht."

Für wahr, denn die Schlecks gehen als das erfolgreichste Bruder-Paar in die Geschichte der Tour de France ein. Doch sie müssen sich auch fragen lassen, ob sie aus ihren Möglichkeiten das Optimum herausgeholt haben. Wäre nicht auch der Toursieg drin gewesen?

Die Fehler der Schlecks

SPOX meint ja. Da wäre zum einen die verpasste Streckenbesichtigung des Zeitfahrkurses in Grenoble. Wer die Tour de France gewinnen will, muss im Vorfeld solch wichtige Etappen abgefahren sein.

Die Chance war da. Vor einigen Wochen war der Rundkurs Bestandteil der Dauphine. Cadel Evans lernte dort den Parcours unter Wettkampfbedingungen kennen.

Ein weiterer Punkt war der zu große Fokus auf Alberto Contador. Alle Experten sahen ihn im Vorfeld als den Mann, den es zu schlagen gilt. Und das ging wohl auch den Schlecks so.

Unzertrennliches Bruderpaar

An der Mur-de-Bretagne verpasste Andy den Antritt von Contador und kassierte acht Sekunden. Nach der Etappe war nur vom unglücklichen Rückstand auf den Spanier die Rede. Dass Evans gewonnen hatte und sich in absoluter Topform befand, schien damals noch kein Thema gewesen zu sein.

Auch in den Anstiegen nach Luz-Ardiden und Plateau-de-Beille konzentrierten sich die Luxemburger auf Contador und waren damit zufrieden, ihren Vorsprung auf Contador, der aus einem Sturz des Spaniers auf der ersten Etappe resultierte, konserviert zu haben.

Schließlich der vielleicht gravierendste Punkt: Das zu sehr aufeinander fixierte Auftreten der Brüder. Klar, die beiden schöpfen eine Menge Kraft aus der engen Verbundenheit, kaum ein Bruderpaar im Spitzensport steht derart loyal zueinander wie die Schlecks.

Teamwechsel der Schlecks?

Doch durch den extremen Fokus auf den jeweils anderen nehmen sie sich selbst die Chance auf noch größere Erfolge. Man hat den Eindruck, dass keiner den anderen distanzieren will, auch wenn man selbst stärker ist als der Bruder.

Ein Wechsel von einem der Schlecks in ein anderes Team wäre für den Radsport und nicht zuletzt für sie selbst eine spannende und lohnende Herausforderung.

Dass die beiden jemals in verschiedenen Mannschaften gegeneinander fahren, ist derzeit jedoch kaum vorstellbar. Vielmehr will Andy im nächsten Jahr mit Fränk an seiner Seit einen weiteren Versuch starten, das Gelbe Trikot nach Luxemburg zu holen.

Verbesserung im technischen Bereich nötig

Dreimal in Folge wurde der jüngere der Brüder nun Zweiter in Paris. Auf einen Vergleich mit Joop Zoetemelk angesprochen, der in den Siebzigern und Achtzigern 16 Mal an der Tour teilnahm und bei nur einem Sieg satte sechs zweite Gesamtplätze herausfuhr, antwortete Andy: "Ich bin nicht der nächste Zoetemelk. Nächstes Jahr werde ich zurückkommen und versuchen, die Tour zu gewinnen."

Um in Zukunft tatsächlich auf dem höchsten Podiumstreppchen zu stehen, müssen sich die Schlecks zwingend im technischen Bereich verbessern. Dazu gehören die Abfahrtsqualitäten und das Feilen an den Zeitfahrqualitäten. Am Berg sind die Fahrer fast auf einem Niveau, aber schon 2012 könnte es auch wieder zwei lange Zeitfahren geben.

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