Jakobsen und Groenewegen schreiben unglaubliche Tour-Story: Erst siegt das Opfer, dann der "Täter"

SID
Im August 2020 hätte Jakobsen ein schwerer Rennunfall fast das Leben gekostet. In einem Zielsprint bei der Polen-Rundfahrt war er von seinem Landsmann Groenewegen in die Absperrung gedrängt worden.
© imago images

Erst schrieb Fabio Jakobsen vor einem Millionen-Publikum beim dänischen Auftakt der Tour de France ein Radsport-Märchen. Dann schlug 24 Stunden später in Dylan Groenewegen ausgerechnet der Fahrer zurück, dessen Manöver Jakobsen vor zwei Jahren beinahe getötet hätte: Mit den Etappensiegen der beiden niederländischen Widersacher hat schon das Auftakt-Wochenende für eine der unglaublichsten Geschichten der Frankreich-Rundfahrt gesorgt.

Cookie-Einstellungen

"Es war mental eine harte Zeit, nach all dem, was passiert ist. Das ist für meine Frau und meinen Sohn, das bedeutet mir sehr viel", sagte der 29 Jahre alte Groenewegen, nachdem er am Sonntag in Sönderborg unweit der deutschen Grenze den Massensprint in einer Millimeter-Entscheidung vor dem Belgier Wout van Aert gewonnen hatte: "Ich weiß nicht, ob es der schönste Sieg meiner Karriere war. Aber es bedeutet mir eine Menge, dass ich zurück in der Tour bin." Über Jakobsen? Verlor er zunächst kein Wort.

Van Aert geht nach drei Tagen bei sagenhafter Volksfest-Stimmung auf den Straßen zwischen Kopenhagen und Flensburger Börde im Gelben Trikot in den ersten Ruhetag am Montag.

Für Landsmann Jakobsen reichte es am Sonntag nur zu Platz fünf, nach seinem Coup vom Vortag war der 25-Jährige diesmal im Finale eingeklemmt gewesen. Dass er aber knapp 700 Tage nach dem fürchterlichen und von Groenewegen verursachten Crash bei der Polen-Rundfahrt nun ein Tour-Etappensieger ist, war Wunder genug.

"Es war ein langer Weg. Ich bin Schritt für Schritt zurückgekommen. Ich bin wirklich glücklich", sagte Quick-Step-Profi, der am Samstag den Spurt von Nyborg mit der spektakulären Überquerung der riesigen Storebaelt-Brücke für sich entschied.

Im August 2020 hätte Jakobsen ein schwerer Rennunfall fast das Leben gekostet. In einem Zielsprint bei der Polen-Rundfahrt war er von seinem Landsmann Groenewegen in die Absperrung gedrängt worden.
© imago images
Im August 2020 hätte Jakobsen ein schwerer Rennunfall fast das Leben gekostet. In einem Zielsprint bei der Polen-Rundfahrt war er von seinem Landsmann Groenewegen in die Absperrung gedrängt worden.

Jakobsen und Groenewegen: Es drohte ein Rechtsstreit

Im August 2020 hätte ihn ein schwerer Rennunfall fast das Leben gekostet. In einem Zielsprint bei der Polen-Rundfahrt war Jakobsen von seinem Landsmann Groenewegen in die Absperrung gedrängt worden. Mit schweren Kopfverletzungen und nur noch einem Zahn im Mund lag Jakobsen im künstlichen Koma, das Schlimmste war zu befürchten.

"In dieser dunklen Phase hatte ich Angst, nicht zu überleben", sagte er. Mit viel Glück und Willenskraft überlebte Jakobsen. Und mehr noch: Ein Dreivierteljahr später fuhr er wieder Rennen und feierte nun seinen ersten Tour-Erfolg: "Die Tour de France ist das Größte, ich wollte immer eines Tages hierher. Heute hat sich ein Kreis geschlossen."

Das Verhältnis zu Groenewegen ist weiterhin kühl, es drohte zwischenzeitlich eine juristische Auseinandersetzung. Groenewegen war nach dem Crash monatelang gesperrt worden, erhielt keinen neuen Vertrag bei Jumbo-Visma, jetzt gelang ihm der erste Tour-Erfolg nach der Zwangspause. "Es ist sehr wichtig für mich, dass mein neues Team mir vertraut", sagte der BikeExchange-Jayco-Profi.

Eine große Show für seine begeisterten Landsleute lieferte Magnus Cort ab. Der 29-Jährige sicherte sich am Samstag das Bergtrikot und wurde bei der Siegerehrung wie ein Popstar gefeiert. Einen Tag später ging Cort als Solist auf die Reise, hatte zeitweise 6:30 Minuten Vorsprung und sammelte unter Riesenjubel die Bergwertungen ein. Nach 130 km Alleinfahrt wurde er schließlich fröhlich winkend eingeholt.

Vor dem Ruhetag verlor keiner der großen Favoriten auf den Gesamtsieg um Titelverteidiger Tadej Pogacar trotz der tückischen Windverhältnisse in Küstennähe Zeit. Die deutschen Fahrer spielten nur Nebenrollen. Cofidis-Profi Max Walscheid sprintete in Nyborg auf Platz zwölf, Alpecin-Mann Alexander Krieger kam am Sonntag auf Platz 15.

Artikel und Videos zum Thema
Am häufigsten gelesen