Das erste Opfer gibt es 1928
Neben seinem Gedenkstein steht auch einer für Cenek Junek. Er ist das erste Todesopfer, er starb am 15. Juli 1928. Da war die Strecke gerade ein Jahr alt. Doch sie gehören genauso dazu.
Denn auf den älteren Strecken kam in der Regel das Kiesbett, wenn man sich verschätzte. Auf den modernen Kursen sind es großzügige Auslaufzonen. Am Ring lauerte schon immer der Tod, viele verheerende Unfälle gehören zur Historie.
Cenek sollten viele Opfer folgen, sie bleiben im Gedächtnis, ihnen gehört ein Platz in den Geschichtsbüchern ebenso wie den Siegern, den erfolgreichen Bezwingern der Nordschleife. Oder denjenigen, die die zahlreichen Horrorunfälle überlebten.
Der wohl "berühmteste": Der Crash von Formel-1-Legende Niki Lauda am 1. August 1976, als der dreimalige Weltmeister der Flammenhölle in seinem Ferrari entkam und dem Tod nur knapp von der Schippe sprang.
Es war das Ende der Formel 1 in der "Grünen Hölle", die Königsklasse kehrte nach dem Bau einer neuen, nur 4,542 Kilometer langen, modernen Grand-Prix-Strecke im Jahr 1985 zurück.
Mehrere Klimazonen
Professioneller Motorsport findet heute in der Regel auf dem modernen Abschnitt statt. Doch kein Nürburgring-Gespräch ohne Nordschleife. "Die Strecke ist die geilste der Welt. Mit Abstand. Mit viel Abstand", sagt DTM-Fahrer Philipp Eng: "Was du auf Slicks im Sonnenschein auf eine Runde erlebst, ist eine Sache. Die andere Sache ist, wenn du ins Schwedenkreuz reinfährst, und es ist trocken, dann kommst du aber ins Metzgesfeld, und es ist eine andere Klimazone. Das ist eine besondere Herausforderung, weil die Strecke so lang ist und du mehrere "Klimazonen" hast. Du musst dich als Team und als Fahrer immer wieder auf neue Situationen einstellen."
Die Idealvorstellung: Eine Runde auf der Nordschleife, kein Verkehr, wenig Benzin, neue weiche Reifen und es gibt nur das Auto und die Strecke: "Das ist geilste, was du als Rennfahrer machen kannst", so Eng. Das kann ich nachfühlen.
Doch Mythos hin, Legende her: Nach der Hochzeit der Formel 1 in den 90er-Jahren mit dem Boom um Michael Schumacher bog die Kultstrecke falsch ab. Beziehungsweise diejenigen, die am Steuer saßen.
Denn zu den finanziellen Verlusten der staatseigenen Nürburgring GmbH durch die hohen Formel-1-Antrittsgebühren gesellte sich ein weiteres, noch gewaltigeres Millionengrab: das ehrgeizige Großprojekt Nürburgring 2009 mit Themenpark, Hotels, Großraum-Disco, einer Multifunktionshalle, einer Flaniermeile, Restaurants und der damals schnellsten Achterbahn der Welt.
Am Rande des Abgrunds
All das finanziert jeweils zur Hälfte vom Land Rheinland-Pfalz und von privaten Investoren. Als die Schecks dubioser Investoren platzten, platzte das Projekt gleich mit. 200 Millionen Euro mehr als geplant kostete die Großmannssucht, die Besucher, mit denen in sechsstelliger Höhe geplant wurde, blieben weg, und die GmbH ging pleite.
2015 wurde der Ring für läppische 77 Millionen Euro verscherbelt. 2013 fuhr die Formel 1 letztmals am Nürburgring.
Inzwischen hat sich der Nürburgring wieder berappelt. Für die Sicherheit der Nordschleife wurde auch einiges getan, ihren Schrecken hat sie trotzdem nicht verloren.
Der Mythos lebt durch Höhepunkte wie das 24-Stunden-Rennen auf der Nordschleife und GP-Strecke weiter. 200.000 Zuschauer kommen, wenn sich 700 Fahrer in rund 160 Autos abwechseln. Ein Volksfest. Ein ganz eigenes Flair.
Bratwurstgeruch im Brünnchen
"Der Bratwurstgeruch im Brünnchen ist für mich das Geilste", sagt Engs DTM-Kollege Marco Wittmann. "Die Kulisse dort ist schon geil mit den Barbecues und den Campern, aber du bekommst den Geruch ins Rennauto. Das ist eine geile Atmosphäre und eine Erinnerung, die dir keiner nehmen kann. Das Flair ist einfach großartig, 200.000 Zuschauer und die riesige Startaufstellung - das ist genial."
Die Ausgabe 2020 wurde wegen der Coronakrise erst einmal auf September verschoben, verzichten muss man auf Fuchsröhre, Bergwerk, Kesselchen, Steilstrecke und Hohe Acht aber nicht.
Denn während der reale Motorsport ausgebremst wurde, startet das Sim-Racing durch, und auch da spielt die Nordschleife eine Hauptrolle. Wie zum Beispiel bei der "Digitalen Nürburgring Langstrecken-Serie powered by VCO", die am Samstag das vierte Saisonrennen austrägt.
Für Profis wie Eng sind diese Rennen "mental zu 100 Prozent" so anstrengend wie in Wirklichkeit. "Ich bin selbst nicht so selbstbewusst wie in einem echten Rennauto. Ich weiß, wie ich im DTM-Auto die letzten zwei Zehntelsekunden herausholen kann, im Sim-Racing fehlt mir das noch. Dieses Selbstverständnis, das virtuelle Auto stets am Limit bewegen zu können, habe ich noch nicht", gibt er zu. Aber: "Ich erlebe die gleichen Emotionen wie beim echten Racing. Es fühlt sich an, als gehe es um alles."
Und: "Auf der Nordschleife denke ich mir immer wieder, ob Flugplatz, Schwedenkreuz oder Fuchsröhre: Scheiße, ist das schnell."
Stimmt.