Das eigentlich Unvorstellbare erscheint mittlerweile durchaus vorstellbar. Seit über anderthalb Jahrzehnten pilgern Fans als Bananen, Kindheitshelden oder lebendige Dartscheiben verkleidet in den legendären Alexandra Palace, die liebevoll Ally Pally getaufte Kultstätte und die WM in London wirken seit jeher unzertrennlich. Doch das Darts-Mekka steht vor einer ungewissen Zukunft.
15 Minuten dauerte es lediglich, da waren alle 90.000 Tickets für die am Sonntag beginnende Weltmeisterschaft vergriffen. Viele Fans gingen leer aus, der Unmut war dementsprechend groß. Barry Hearn, Chef der Professional Darts Corporation (PDC) und durch und durch Geschäftsmann, sagte später beim britischen Radiosender Talksport, es hätten wohl knapp 300.000 Eintrittskarten für die 16 Turniertage verkauft werden können.
Eine (Übergangs-)Lösung hatte Hearn bereits parat. Der 76-Jährige, der mit seiner Firma Matchroom Sport auch im Boxen und Snooker aktiv ist, kündigte an, die Teilnehmerzahl ab der übernächsten WM von 96 auf 128 aufstocken zu wollen, um den Sport weiter "wachsen" zu lassen. Dadurch würden 32 Spiele über acht Sessions sowie 25.000 weitere Tickets hinzukommen. Sprich: mehr Geld.
Ein Umzug der WM dürfte damit zumindest vorerst vom Tisch sein. Die Option hält sich Hearn aber schon länger offen. "Ich betrachte die Situation genauso wie damals, als wir (2007, Anm. d. Red.) aus der Circus Tavern in den Alexandra Palace gewechselt sind. Man muss jederzeit wachsen", sagte der Engländer und betonte: "Wenn man durch den Erfolg selbstgefällig wird, macht man gleich einen Schritt zurück."
Nur eine Frage der Zeit, bis das Ally Pally ausgedient hat?
Der PDC-Boss wurde sogar noch deutlicher. "Früher oder später muss ich schauen und mich fragen: Brauchen wir einen größeren Austragungsort?", so Hearn. Die West Hall im Alexandra Palace fasst lediglich 3500 Zuschauer. Schon seit Jahren ist deshalb der Umzug in die weitaus größere Great Hall direkt nebenan im Gespräch. Aus logistischen Gründen ist dieser Schritt aber kaum zu bewältigen.
Hearn kann sich deshalb sogar vorstellen, die WM künftig in Saudi-Arabien zu veranstalten. "Ich habe mit den Saudis gesprochen und sie waren sehr begeistert", sagte Hearn im Mai der englischen Zeitung The Mirror. Bei der Mehrheit der Fans dürfte diese Idee überhaupt nicht gut ankommen. Schließlich ist Alkohol in dem Wüstenstaat streng verboten.
"Das Wesen des Dartsports ist, dass es eine Party ist", weiß auch Hearn. Saudi-Arabien sei deshalb "derzeit noch nicht bereit, eine solche Weltmeisterschaft auszurichten, aber es wird nicht mehr lange dauern".
Die Meinungen der Spieler gehen auseinander. "Meiner Meinung nach darf die WM gerne woanders sein - so toll und legendär der Ally Pally auch ist", sagte Deutschlands Nummer eins Martin Schindler. Der Niederländer Michael van Gerwen sieht das ähnlich: "Mich kümmert das kaum. Wenn sie mir 48 Stunden vorher sagen, wo ich auf der Welt sein soll, dann werde ich dort sein."
Anders Gabriel Clemens. Der Saarwellinger, der vor zwei Jahren mit dem Einzug ins Halbfinale für den größten Erfolg eines Deutschen bei der WM gesorgt hatte, wäre "froh", wenn die WM weiter im Ally Pally steigt. "Ich glaube, da gehört sie hin. Ich hoffe, dass wir noch länger dort bleiben."