Matchwinner für das deutsche Team? Mit diesem Begriff konnte Johannes Voigtmann in der Mixed Zone nach der knappen Auftakt-Niederlage für den DBB gegen Frankreich wenig anfangen. "Wir haben kein Match gewonnen, das hat meines Erachtens Frankreich, deswegen tröstet mich das nicht", sagte der frühere Frankfurter nach der Partie mit leiser Stimme in der Mixed Zone.
Bittersüß war es für den Center, der mit 25 Punkten, 3 Rebounds und 4 Assists das beste Spiel seiner Nationalmannschaftskarriere auf den Court zauberte und die Fans in Deutschland daran erinnerte, dass der DBB-Frontcourt mehr als nur die beiden NBA-Profis Maxi Kleber und Daniel Theis zu bieten hat.
Auch die Franzosen hatten den Center, vergangene Saison noch Mitspieler von Frankreichs Vincent Pourier bei Baskonia in der spanischen ACB, nicht wirklich auf der Rechnung. Das gab Nicolas Batum von den Charlotte Hornets nach dem Spiel offen zu: "Es gibt in solchen Spielen immer einen Akteur, der dich mit einer starken Leistung überrascht, das war heute Voigtmann. Wir hatten mehr mit Maxi Kleber gerechnet."
Johannes Voigtmann lässt es von der Dreierlinie regnen
Noch vor zwei Jahren blieb Voigtmann bei der EuroBasket gegen die Equipe Tricolore als Starter blass, nahm in 17 Minuten keinen Wurf und kassierte drei Fouls. Diesmal drückte "Jumbo Joe" dem Spiel seinen Stempel auf. In der Verteidigung stand Voigtmann zumeist richtig, blieb grundsolide, vorne haute er den Franzosen Dreier um Dreier um die Ohren. Es ging stets ein Raunen durch die gut gefüllte Halle in Shenzhen, wenn Voigtmann von draußen abdrückte. Siebenmal tat er es, fünfmal war das von Erfolg gekrönt.
So zu erwarten war das natürlich nicht. Auch Voigtmann selbst musste im vierten Viertel lachen, als er Dreier Nummer fünf im Korb unterbrachte, nachdem die Franzosen ihn wiederholt sträflich freigelassen hatten. Der 26-Jährige hatte bis dahin aber sowieso bereits genug Selbstvertrauen. Ohne darüber nachzudenken nahm der Mann aus Eisenach seine Würfe, das war in der Vergangenheit nicht immer so.
Voigtmann auch im Turnierverlauf eine wichtige Alternative
Voigtmann ist ein schlauer Spieler, hat große Passqualitäten, er versteht das Spiel. Das wurde ihm auf diesem Niveau aber auch öfter zum Verhängnis, da er zu viel nachdachte: Immer das richtige Play im Sinn, statt einfach selbst den Wurf zu suchen. Diesmal gab es aber auch die klare Ansage: Nimm die Dinger! "Wir konnten das Spiel erst mit den Dreiern von Voigtmann aufweichen", lobte Bundestrainer Henrik Rödl seinen zweiten Center explizit. "Das war von Beginn an unser Plan."
Voigtmann als Allzweckwaffe, als Alternative zu den schweren großen Jungs wie Gobert oder später vielleicht Aron Baynes (Australien) oder Jonas Valanciunas (Litauen)? Rödl wollte noch nicht so weit in die Zukunft blicken. "Unser Fokus gilt nur der Dominikanischen Republik, das Spiel müssen wir erst einmal gewinnen, bevor wir über andere Mannschaften sprechen", mahnte der Bundestrainer.
Dort wartet am Dienstag (ab 10.30 Uhr im LIVE-TICKER) nun vermutlich nun ein anderes Spiel: Wild könnte es werden, ist aus dem deutschen Lager zu hören. Die Mannschaft aus der Karibik setzte sich ihrerseits im ersten Spiel knapp gegen Jordanien durch, obwohl sie keine Antwort auf den gegnerischen Center Ahmed Al-Dwairi (in Europa als Center von Fenerbahce unter dem Namen Ahmed Düverioglu aktiv) hatten. Er kam auf 34 Punkte und 10 Rebounds.
Bundestrainer Rödl lobt Voigtmanns Entwicklung
Die DomRep hatte mit der Länge des Bigs riesige Probleme, gegen Deutschland könnte sich dies fortsetzen. Möglicherweise wird Voigtmann dann weniger an der Dreierlinie agieren, sondern auch mal wieder im Post, was der kommende Russland-Legionär ebenfalls beherrscht.
Der gebürtige Eisenacher ist in den zwei Jahren nach der EuroBasket 2017 weiter gewachsen und inzwischen ein Spieler für das höchste europäische Niveau, wie auch Rödl auf SPOX-Nachfrage bestätigte: "Er hat eine großartige Entwicklung genommen und nun das Vertrauen in sich selbst. Vor zwei Jahren hatte er noch einige Probleme mit Verletzungen in der Vorbereitung."
Zudem bescheinigte Rödl dem Center eine weitere starke Saison in der ACB und in der Euroleague, wo Voigtmann im Schnitt 8,2 Punkte, 5,7 Rebounds und 2,4 Assists auflegte.
Keine Zahlen, die einen anschreien - aber laut genug sind, um das Interesse aus Übersee zu wecken.
Johannes Voigtmann: Moskau statt NBA
Voigtmann stand dem Interesse aus der NBA auch offen gegenüber, in Interviews nannte Joe die beste Liga der Welt stets einen Traum. Und doch zeigte er ihr die kalte Schulter: Nach der Saison in Spanien flog Voigtmann in die USA, absolvierte Workouts für die Washington Wizards und wusste durchaus zu überzeugen, nur zu einem Abschluss kam es nicht.
Stattdessen wählte Voigtmann ZSKA Moskau, den amtierenden Champion der EuroLeague, wo er mit Kosta Koufos und Kyle Hines ebenfalls hochkarätige Konkurrenz erwarten muss. Trotzdem ist der russische Top-Klub genau die richtige Wahl. Voigtmann ist kein großartiger Athlet, kein spektakulärer Spieler, sondern ein Mann für die kleinen Dinge.
In der NBA hätte er sich erst einmal hinten anstellen müssen, in Europa schätzt man die Vorzüge des früheren Frankfurters. Im deutschen Team ist es bisher ähnlich: Theis und Kleber erhielten zumeist den Vorzug, während Voigtmann oder auch Danilo Barthel zunächst einmal hinten anstehen.
Die Vorstellung vom Frankreich-Spiel war deshalb das bestmögliche Bewerbungsschreiben für die kommenden Aufgaben. Noch haben die Deutschen ihr Schicksal für den Ausgang des Turniers in der eigenen Hand. Vielleicht kann Voigtmann dann ein echter Matchwinner sein - und nicht nur ein Lichtblick nach einer bitteren Niederlage.