SPOX: Wir waren gerade schon kurz bei Erwartungshaltungen für Olympische Spiele. Seit einiger Zeit gibt es ja das neue Zauberwort PotAs als Herzstück der sogenannten Leistungssportreform. Wie lautet Ihr Zwischenfazit der Potenzialanalyse?
Hartung: Mein Eindruck ist, dass wir mit Prof. Dr. Urs Granacher, dem Vorsitzenden der PotAs-Kommission, einen kompetenten Wissenschaftler an der Spitze haben, der sehr viel Herzblut in die Sache reinsteckt. Das ist erst mal ein großes Glück für uns. Ich glaube auch, dass das Ziel das richtige ist. Nämlich die Verteilung von Mitteln zu objektivieren und an objektive Kriterien zu knüpfen. Damit man auch Verbänden Feedback darüber geben kann, wer gute Arbeit macht und wer nicht. Und dann zu belohnen oder zu bestrafen. Das geht in die Richtung Professionalisierung, die wir so dringend brauchen. Die Idee ist gut, aber die spannende Frage wird sein, inwieweit die Ergebnisse am Ende bindend sind. Wenn die Verteilung der Mittel dann doch wieder ein politischer Prozess bleibt, wäre es nicht konsequent. Ich hoffe aus Athleten-Sicht, dass wir zukünftig enger mit der PotAs-Kommission zusammenarbeiten können. Dass nicht immer nur die Verbände gefragt werden, sondern die Athleten selbst. Es ist ein gutes Projekt, das gerade noch nicht so genutzt wird, wie es genutzt werden könnte.
SPOX: Auch wenn mit dem PotAS-Bewertungssystem keine Medaillen prognostiziert werden sollen, ist das Ziel ja klar ein Medaillen-Maximum. Sind Sie ein Fan davon, Medaillenvorgaben auszugeben?
Hartung: Nein, ich halte es für fragwürdig, wie sinnvoll es ist, eine Medaillenvorgabe zu erheben. Wenn Sie mich fragen, ob ich in Tokio eine Medaille holen will, dann sage ich natürlich ja. Das können Sie jetzt jeden fragen und am Ende heißt es, dass 400 deutsche Athleten in Tokio Olympiasieger werden wollen. Am Ende werden es zehn, 390 haben es also nicht geschafft. Ich verstehe den Sinn nicht. Natürlich wollen wir alle erfolgreich sein, aber was nützt mir jetzt ein Medaillenkorridor. Das ist doch ein konstruiertes Ziel, was danach zu einer Debatte in der Presse führt, wenn es nicht erreicht wird. Klar kann man dann auf Basis dessen draufhauen, aber es hilft niemandem weiter.
SPOX: Was nervt Sie an Ihrem Sportlerleben eigentlich am meisten?
Hartung: Ich bin ja viel unterwegs, auch in meiner Rolle als Athletensprecher, und ich muss schon sagen, dass es ein scheiß Gefühl ist, wenn man immer angeben muss, wo man gerade ist. Wenn ich jetzt spontan nach München fahren würde, müsste ich es im System eintragen, so wie ich früher Mama Bescheid geben musste. Ich empfinde die Meldepflicht als krassen Einschnitt in die eigene Freiheit. Ich hasse es einfach. Ich verstehe zwar, dass es notwendig ist, um ein faires Spielfeld zu kreieren, aber wenn man dann mitbekommt, dass es im Ausland nicht so gehandhabt wird... Beim Skandal um Russland redet doch keiner von Meldepflichten. Da geht es doch nur darum, ob gerade noch die Nadel im Arm gesteckt ist oder nicht. Ansonsten mag ich es aber, Sportler zu sein. Klar ist es irgendwo nicht ideal, wenn ich in Dormagen ab 20 Uhr keine Halle mehr zum Dehnen haben, weil dann die Volleyballer kommen. Klar schaue ich auch mal neidisch auf die Trainingszentren in anderen Ländern, wenn ich mal wieder keinen eigenen Spind habe. (lacht) Aber das ändert nichts daran, dass ich jeden Tag gerne in die Halle fahre.
SPOX: Abschließend eine einfache Frage: Was macht Max Hartung in 20, 25 Jahren?
Hartung: (lacht) Wie soll das denn eine einfache Frage sein? Ich weiß noch nicht mal, was ich in zwei Jahren mache. Mich nimmt mein aktuelles Leben so stark ein, dass es mir schwer fällt, sehr langfristige Pläne zu hegen.
SPOX: Alleine durch den Weg, den Sie jetzt schon neben Ihrer aktiven Karriere gehen, scheint ein Weg in der Sportpolitik vorgezeichnet. Vielleicht gibt es ja in 20 Jahren ein Sportministerium.
Hartung: Ich werde auf jeden Fall mein Leben lang mit Sport zu tun haben. Ich bin auch jemand, der gerne gestaltet und etwas bewegt. Ob das jetzt bedeutet, dass ich irgendwie geeignet wäre, ein Ministeramt zu bekleiden? So weit würde ich mich jetzt gar nicht aus dem Fenster lehnen wollen. Ich will mich auch nicht überschätzen und jetzt schon eine Wahnsinnskarriere ankündigen. (lacht)
SPOX: Aber unabhängig von Ihrer Zukunft ist es doch offensichtlich, dass der Sport nicht Teil des Innenministeriums bleiben kann, oder?
Hartung: Ich habe das früher anders gesehen, aber inzwischen würde ich zustimmen. Ich habe mich früher von dem Argument überzeugen lassen, dass ein starkes großes Ministerium noch mehr bewegen kann für den Sport. Das ist auch ein Argument, das nach wie vor gilt. Gleichzeitig ist das Innenministerium jetzt noch größer geworden, hat turbulente Zeiten hinter sich und unheimlich große Aufgaben zu bewältigen. Da herrscht gewaltiger Druck, den man auch spürt. Wenn es beispielsweise um Fragen der Sicherheit und Migration geht, dann kann der Sport ja nicht die Nummer eins auf der Agenda sein. Insofern wäre eine eigene Organisation wünschenswert.