SPOX: Ein weiterer Faktor dürfte erschwerend hinzu kommen. In der NFL etwa sind Kopfverletzungen ein großes Problem. Wie sieht dies im Rugby aus, schließlich gibt es keinerlei Schutzkleidung?
Potgieter: Die Spieler trainieren regelmäßig, um dann auf dem Rasen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Das betrifft beispielsweise auch die Technik, wie und in welchem Winkel man hinfallen muss - das wird alles minutiös trainiert. Es gibt zudem klare Regeln, wann man einen Spieler tacklen darf. Auch bei Kopfverletzungen gibt es klare Vorschriften. Diese Regeln schützen die Spieler. Die Verletzungsgefahr ist dadurch nicht größer als bei vergleichbaren Kontakt-Sportarten.
SPOX: Können die genannten Sportarten voneinander profitieren?
Potgieter: Im Vergleich zum Football sind unsere Spieler sogar teilweise besser vorbereitet. Ich verfolge die NFL mittlerweile seit einigen Jahren und meines Erachtens sind beide Sportarten von einer ähnlichen Härte geprägt. Es gibt sogar NFL-Teams, die vom Rugby lernen, indem sie einige Rugby-Tacklings einstudieren und wir haben in Deutschland mit einer NFL-Akademie bezüglich Rugby-Tacklings zusammengearbeitet. Sie halten diese für sauberer und sicherer.
SPOX: Sie haben einen großen Anteil an der Entwicklung ihrer Spieler. Mit einer Zwischenstation in Heidelberg sind Sie seit 2010 Nationaltrainer. Verdienen Sie selbst mit Rugby Ihre Brötchen?
Potgieter: Ja, allerdings nicht beim DRV (Deutscher Rugby Verband, d. Red.), sondern bei der WILD Rugby Academy. Deren Sponsoring ermöglicht es mir, als Nationaltrainer zu arbeiten - leider haben nicht alle Akteure im Rugby-Sport diese Möglichkeit.
SPOX: Fehlt in Deutschland die Perspektive?
Potgieter: In anderen Ländern bekommen die Talente bessere Entwicklungschancen und dadurch verlieren wir viele Spieler. Aber wir dürfen nicht hadern und müssen unsere Strukturen kontinuierlich verbessern. Dafür müssen wir Spieler in unser System integrieren, die auf dem höchsten Level mithalten können, denn eins ist klar: Wir brauchen Professionalität! Damit meine ich nicht nur unbedingt mehr Geld für die Akteure, sondern bessere Trainingsbedingungen. Der Rugby-Sport ist auf dem richtigen Weg, aber es liegt noch sehr viel Arbeit vor uns.
SPOX: Die Rugby-WM gehört zu den größten Sportereignissen der Welt, doch in Deutschland bekam die WM in England kaum Beachtung. Warum?
Potgieter: Es stimmt, Rugby bekommt noch zu wenig mediale Aufmerksamkeit. Die Einschaltquoten werden zwar besser und wir bekommen auch immer häufiger Interview-Anfragen, aber das ist leider noch nicht genug. Leider sehen wir uns dem Phänomen ausgesetzt, dass wir zwar eine eingeschworene Fan-Basis haben, aber kaum neue Anhänger dazu gewinnen. Das wollen wir in den nächsten Jahren verbessern.
SPOX: Gibt es Ambitionen, die Sportarten aus der zweiten Reihe in Sachen Popularität ins Visier zu nehmen?
Potgieter: Es muss natürlich das Ziel sein, neue Spieler, Sponsoren und Fans zu gewinnen. Ich sehe in dieser Sache besonders die Bundesliga in der Pflicht. Das Ligasystem muss geändert werden, um einen besseren Wettbewerb zu erhalten und sich selbst besser zu vermarkten. Viele Leute behaupten, dass das Nationalteam erfolgreicher sein muss, aber wir bestreiten nur ein paar Spiele im Jahr. Eishockey und Handball müssen unsere Vorbilder sein: Wir brauchen in einem geregelten Ligasystem wöchentlich Spiele, die die Leute anschauen wollen. Das Hauptproblem ist, dass wir einfach keine professionellen Strukturen haben, aber uns mit semi-professionellen und komplett professionalisierten Verbänden messen müssen. So können wir keine Sponsoren von unserer Sache überzeugen.
Six Nations: Jeder gegen jeden und ein Holzlöffel
SPOX: Apropos Popularität: Am 6. Februar startet das Six Nations. Welche Bedeutung hat dieses Turnier?
Potgieter: Es ist ein sehr historischer Wettbewerb und deshalb eine große Sache für die Länder. Es ist ein geschlossenes Turnier ohne Qualifikation, es zählt in jedem Spiel nur der Sieg. Man könnte es mit der Fußball-EM vergleichen, allerdings messen sich im Rugby die besten europäischen Teams jährlich.
SPOX: Wer ist für Sie persönlich der Favorit?
Potgieter: Ich bin gespannt, in welcher Verfassung sich die Teams nach der WM befinden. Es gibt viele gute Mannschaften. England beispielsweise wird mit seinem neuen Coach Eddie Jones, der davor Japan trainierte, eine große Rolle spielen. Frankreich befindet sich zwar im Umbau, dennoch darf man die Franzosen nicht unterschätzen. Für mich heißt der Favorit aber Irland.