Nach der beeindruckenden Wachablösung gönnte sich der frischgebackene Schachweltmeister Magnus Carlsen nur ein kurzes Lächeln. Während der schwer geschlagene Titelverteidiger Viswanathan Anand enttäuscht die Bühne in seiner Geburtsstadt Chennai verließ, fiel die Anspannung beim hochgehandelten "Mozart des Schachs" nur langsam ab.
"Ich bin sehr glücklich, gewonnen zu haben. Es war hart, aber es fühlt sich gut an", sagte der 22-Jährige nach dem entscheidenden Remis am Freitag zum uneinholbaren 6,5 zu 3,5. "Wie ich jetzt feiere, weiß ich noch nicht. Daran habe ich bisher keinen Gedanken verschwendet", sagte das norwegische "Wunderkind".
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Nur Kasparow war jünger
Dabei könnte der zu keinem Zeitpunkt gefährdete Sieg des Herausforderers, der mit 1,530 Millionen Dollar (1,132 Millionen Euro) versüßt wurde, eine neue Ära einleiten. Lediglich der Russe Garri Kasparow war 1985 bei seinem WM-Sieg jünger - der Norweger könnte nun eine ähnlich dominante Stellung einnehmen. Und vor allem einen neuen Boom auslösen.
"Ich denke, die WM hat auch viele Leute interessiert, die nicht Schach spielen. Das ist wundervoll", sagte Carlsen: "Ich hoffe, es hat einen positiven Effekt auf Schach sowohl in Norwegen als auch weltweit.
Magnus Carlsen: Ein Genie wider Willen
Das Remis in der zehnten Partie am Freitag war eigentlich nur noch Formsache. Die vorentscheidenden Siege hatte Carlsen in den Partien fünf, sechs und neun geholt. Am Freitag einigten sich die beiden Kontrahenten nach 65 Zügen auf ein Remis.
Fehler Anands im Mittelspiel
Anand hatte zwar mit Schwarz die sizilianische Verteidigung gewählt, doch konnte Carlsen mit der Rossolimo-Variante das Spiel in ruhigere Bahnen lenken. Einen Fehler seines Konkurrenten im Mittelspiel konnte der Norweger nicht ausnutzen, stand aber die gesamte Partie leicht besser als sein Konkurrent.
Jedoch verbot es die Schach-Etikette, dass Carlsen seinem um die letzte Chance kämpfenden Gegner ein Remis anbot. Mehrere Male hatte er die Möglichkeit ein Remis zu provozieren, doch seinem Naturell entsprechend spielte er auf Sieg. Am Ende standen nur noch die Könige auf dem Brett - Unentschieden.
"Es war heute ein Spiegelbild des gesamten Duells", sagte Anand: "Ich habe versucht zu spielen - und dann einen Fehler gemacht. Das hat sich durch mein gesamtes Spiel gezogen. Es tut mir leid für meine Fans."
Der Youngster spielt abgeklärter
Insgesamt verlief das WM-Duell wie von vielen Experten vorhergesagt - und befürchtet. Der deutlich favorisierte Herausforderer spielte bei seiner ersten Weltmeisterschaft ungemein konzentriert und abgeklärt. Die Fehler machte sein Gegner, dem womöglich der Druck in seiner Heimat zu schwer auf den Schultern lastete.
Trotz des einseitigen Verlaufs war die WM vermutlich der Titelkampf mit dem größten Zuschauerinteresse in der Geschichte des Schachs. Nach Angaben des Weltverbandes FIDE verfolgten weltweit täglich zwischen 100 und 200 Millionen Menschen die Partien live im Fernsehen. Hinzu kamen noch eine ähnliche große Zahl, die per Internet die Duelle verfolgten. Das "Duell der Generationen" faszinierte vor allem durch den Gegensatz der beiden Kontrahenten auch Menschen, die ansonsten wenig mit Schach anfangen konnten.
In Norwegen ein Star
In Norwegen ist der neue Weltmeister schon jetzt ein Star. Und liegt in der Popularität schon unter den Top 3 der Sportstars. Der Verkauf von Schachbrettern soll um das Dreifache gestiegen sein. Vor allem fasziniert Carlson dadurch, dass er so gar nicht in die Schublade des "normalen" Schachspielers passen will.
Der durchtrainierte Norweger treibt eine Menge Sport und modelte für eine Modemarke. Das Time-Magazine wählte ihn unter die 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt, für das Magazin Cosmopolitan gehört er unter die 100 attraktivsten Männer der Welt. Manche Kommentatoren sprachen sogar schon vom "Carlsen-Effekt", der der Schach-Welt nun bevorstehe.