Skandale, Tränen, Provokationen: Der "Verrückte" ist zurück in der Champions League!

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Vladimir Weiss ist eine der schillerndsten Persönlichkeiten der slowakischen Fußballgeschichte. Zum Abschluss einer vor allem abseits des Platzes spektakulären Karriere kehrt der 34-Jährige mit Slovan Bratislava in die Champions League zurück - unter Anleitung seines Vaters.

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Vladimir Weiss hat in sieben Ländern gespielt, 13 Titel gewonnen, mehr als 100 Tore geschossen und mit der slowakischen Nationalmannschaft an drei großen Turnieren teilgenommen. Es gibt also viel zu erzählen über die sportliche Karriere des 34-jährigen Linksaußen. Umso beachtlicher ist der Umstand, dass das ausführlichste Kapitel seines englischen Wikipedia-Eintrags den Titel "Kontroversen" trägt.

Weiss' Vita ist ein wunderbares Sammelsurium an Skandälchen und Skandalen, an aufsehenerregenden Aussagen und Wechseln. Kommenden Sommer will er seine Profikarriere beenden. Nun feiert er nach elf Jahren Pause aber erstmal noch ein Comeback in der Champions League. Mit Slovan Bratislava, das erstmals seit 1992/93 an der Königsklasse teilnimmt. Mit mehr Tattoos als Haaren. Mit seinem gleichnamigen Vater an der Seitenlinie.

Die Familie Weiss ist die berühmteste Fußball-Dynastie der Slowakei. Opa Vladimir Weiss I gewann mit der Tschechoslowakei bei den Olympischen Spielen 1964 in Tokio die Silbermedaille. Vater Vladimir Weiss II nahm als Spieler an der Weltmeisterschaft 1990 teil. Als Trainer führte er den FC Petrzalka 2005 als bis dato letzten Klub aus Bratislava in die Champions League und die Nationalmannschaft der unabhängigen Slowakei 2010 zur ersten WM-Teilnahme.

Sensationell schaffte es Weiss' Mannschaft damals auf Kosten des amtierenden Weltmeisters Italiens sogar ins Achtelfinale - nachdem der Trainer im Vorfeld des entscheidenden Spiels kritische Journalisten als "verfickte Schwuchteln" beleidigt und ihnen sogar Schläge angedroht hatte. Im Kader stand auch sein 20-jähriger Sohn, damals der größte Hoffnungsträger des slowakischen Fußballs.

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Fan-Liebling der Rangers: Vladimir Weiss' brisante Rückkehr nach Glasgow

Vladimir Weiss III war mit 16 in die Akademie von Manchester City gewechselt, hatte den prestigeträchtigen FA Youth Cup gewonnen und früh für die Profis debütiert, letztlich reichte es aber nur zu fünf Einsätzen. Nach der WM 2010 ließ sich Weiss an die Rangers nach Glasgow verleihen, gewann dort den Meistertitel und die Herzen der Fans. Dank seiner spektakulären Spielweise, vieler Scorerpunkte und vor allem auch dank Sticheleien gegen den Erzrivalen Celtic.

Bereitwillig erzählte Weiss etwa, dass er vor seinem Rangers-Wechsel ein Angebot von Celtic abgelehnt habe. Als er das letzte Old Firm der Saison verletzt verpasste, mischte er sich mit Rangers-Schal unter die Fans. Nach seinem Abschied ließ sich Weiss die Abkürzung "RTID" (Rangers Till I Die) tätowieren und stichelte in den sozialen Netzwerken gegen Celtic. Slovans erstes Match in der Champions League am Mittwoch übrigens: auswärts bei Celtic. Fußballfans haben bekanntlich ein gutes Gedächtnis, ihm dürfte ein unangenehmer Empfang in Glasgow drohen.

Nach seinem Abschied von den Rangers 2011 avancierte Weiss zum Wandervogel. Je eine Saison verbrachte er bei Espanyol Barcelona in Spanien und bei Delfino Pescara in Italien, dann wechselte er zu Olympiakos Piräus nach Griechenland. Warum? "Ich mag es, vor verrückten Fans zu spielen, weil ich auch ein bisschen verrückt bin."

Nach einem halben Jahr inklusive seiner bis dato letzten Einsätze in der Champions League verschoben sich Weiss' Prioritäten rasant: verrückter Vertrag statt verrückte Fans. Mino Raiola vermittelte Weiss einen lukrativen Wechsel nach Katar, wo er anschließend sieben Jahre und somit seine beste Zeit als Fußballer verbrachte. Vergeudete?

Vladimir Weiss: Seine Karrierestationen von Manchester City bis Bratislava

ZeitraumKlubPflichtspieleToreAssists
2009 bis 2010Manchester City511
2010Bolton Wanderers (Leihe)13-3
2010 bis 2011Glasgow Ranger (Leihe)35515
2011 bis 2012Espanyol Barcelona (Leihe)3345
2012 bis 2013Delfino Pescara2355
2013 bis 2014Olympiakos Piräus2567
2014 bis 2016Lekhwiya SC592413
2016 bis 2020Al-Gharafa SC60258
seit 2020Slovan Bratislava1323425
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Vladimir Weiss: Eskapaden bei der slowakischen Nationalmannschaft

Im nationalen Fokus stand Weiss aber auch während seiner Zeit in der Wüste und zwar dank regelmäßiger Eskapaden in Diensten der Nationalmannschaft. Zur Auswahl: eine Auseinandersetzung in einem Fast-Food-Restaurant mit anderen Gästen - angeblich flog sogar ein Sessel -, ein unerlaubter Nachtclub-Besuch im Rahmen einer Länderspielreise, Sachbeschädigungen im Mannschaftshotel während Feierlichkeiten anlässlich der Qualifikation für die EM 2016.

Einige Wochen nach der EM stoppte ihn die Polizei um 6.45 Uhr morgens in seiner Mercedes G-Klasse mit elf Insassen. Weiss soll einen Alkoholtest verweigert haben, woraufhin er 32 Stunden auf der Polizeistation verbringen musste. Nationaltrainer Jan Kozak suspendierte ihn für zwei Spiele. Zwei Jahre später "revanchierte" sich Weiss, indem er entscheidenden Anteil an Kozaks Ende als Nationaltrainer hatte.

Eine Niederlage gegen den Erzrivalen Tschechien hinderte Weiss und sechs weitere prominente Nationalspieler, darunter Milan Skriniar und Martin Dubravka, nicht daran, anschließend durch die Stadt zu ziehen. "Es hat sich angefühlt, als wäre ich angespuckt worden", sagte Kozak, als er davon erfuhr. "Ich hätte die sieben Spieler suspendieren können. Aber das hätte die Zukunft des slowakischen Fußballs beschädigt. Wir können nicht auf ihre Qualität verzichten. Deshalb habe ich mich für einen Rücktritt entschieden."

Kozaks Nachfolger Pavel Hapal setzte Weiss in den folgenden beiden Länderspielen nicht ein. Während die zweite Partie noch lief, stürmte der damals 28-Jährige von der Ersatzbank in die Kabine und trat anschließend aus der Nationalmannschaft zurück. Erst drei Jahre später feierte er unter Hapals Nachfolger Stefan Tarkovic ein Comeback für die EM 2021.

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Slovan Bratislavas Veteranen eifern den Helden von 1969 nach

Auf Klubebene war Weiss bereits Anfang 2020 in die Slowakei zurückgekehrt und hatte mit Slovan prompt zweimal in Folge das Double gewonnen. Im Cup-Finale 2021 avancierte Weiss zum Helden. In der Verlängerung schoss er erst das Siegtor und flog kurz darauf mit Rot vom Platz. Es war das zweite Spiel unter dem neuen Trainer: seinem Vater, den es nach Stationen in Kasachstan und Georgien ebenfalls zurück in die Heimat gezogen hatte.

MIt Vladimir Weiss II auf der Bank und Vladimir Weiss III als Kapitän überstand Slovan zuletzt zweimal die Gruppenphase der Conference League. Der größte Erfolg gelang nun mit der Qualifikation für die Champions League. Nachdem sich Slovan dank eines späten Siegtores im Playoff gegen den FC Midtjylland aus Dänemark durchgesetzt hatte, flossen bei Weiss die Tränen, ehe er auf einem Podest vor der Kurve mit den Fans feierte.

Slovans Erfolgsgeheimnis ist die Erfahrung, gegen Midtjylland betrug das Durchschnittsalter der Startelf 30,4 Jahre. In der Innenverteidigung spielte der 31-jährige Kevin Wimmer, ehemals beim 1. FC Köln. Das Rückgrat der Mannschaft bilden Veteranen der slowakischen Nationalmannschaft - neben dem 34-jährigen Weiss noch Juraj Kucka (37) und Robert Mak (33). Sie sind zwar alt, aber nicht alt genug, um den größten Erfolg der Klubgeschichte erlebt zu haben: 1969 gewann Slovan im Finale gegen den FC Barcelona den Europapokal der Pokalsieger.