"Die Aufarbeitung der Fehler bei der EM war von allen Seiten - vom Trainer bis zu uns Spielern - hart, offen und ehrlich. Es wurde Tacheles geredet", sagte Heinevetter der Sport Bild: "Ich bin davon überzeugt, dass das ein Anlauf zu besseren Zeiten wird."
Bei der Europameisterschaft in Kroatien im Januar hatte der DHB ein desolates Bild abgegeben. Das lag weniger am schlechten sportlichen Abschneiden an sich (Aus in der Hauptrunde) als am mannschaftlichen Auftritt. Das Team funktionierte nicht als solches, die miese Stimmung zwischen Spielern und Bundestrainer war förmlich greifbar.
DHB-Training vor Spanien-Spiel sorgt für Wirbel
Vor allem ein Vorkommnis sorgte dabei für tagelangen Wirbel. Vor dem alles entscheidenden Spiel gegen Spanien, das letztlich nach katastrophaler Leistung mit 27:31 verloren ging, soll es im Training zwischen Mannschaft und Coach dermaßen gekracht haben, dass die Einheit abgebrochen wurde.
"Es gab keinen Abbruch", dementierte Heinevetter und erklärte: "Wir dachten, dass wir locker anschwitzen. Christian wollte noch eine knackige Einheit. Es war ein Missverständnis. Wir haben unsere Kommunikation jedoch stark verbessert. So eine Situation wie beim Training vor dem Spanien-Spiel wird es nie mehr geben."
DHB-Mannschaftsrat eingeführt - Oliver Roggisch auf der Bank
Ein Grund für die verbesserte Kommunikation ist laut Heinevetter die Einführung eines bis dato nicht existierenden Mannschaftsrats, was offenbar auf Prokops ausdrücklichen Wunsch geschah. Dieser besteht neben Heinevetter aus Kapitän Uwe Gensheimer und den beiden Kielern Patrick Wiencek und Steffen Weinhold.
Außerdem sitzt Teammanager Oliver Roggisch, dem in Kroatien eher eine repräsentative Aufgabe zufiel, nun während der Partien mit auf der Bank. "Alle haben mehr Verantwortung", sagte Heinevetter.
Silvio Heinevetter: "Taktik darf nicht hemmen"
Ein weiteres Ärgernis war während der EM immer wieder Prokops Taktik, mit der zumindest Teile der Mannschaft überhaupt nicht einverstanden waren. Dem 39-Jährigen wurde vorgeworfen, seine Spieler mit zu vielen taktischen Details zu nerven und dadurch einige Akteure ihrer Stärken zu berauben.
"Als er Bundestrainer wurde, wollte Christian sein Ding allein durchziehen", sagte Heinevetter: "Die Taktik wird nun mehr so ausgerichtet, dass die Stärken der Spieler am besten zum Tragen kommen."
Als Beispiel nannte Heinevetter den während der EM völlig verunsicherten Rückraum-Shooter Julius Kühn. "Julius muss man nicht den Ball geben, damit er etwas kreiert. Julius bekommt den Ball, damit er aufs Tor wirft", so der Torwart, der seit 12 Jahren Teil des DHB-Teams ist: "Taktik ist zwar wichtig, aber sie darf nicht hemmen."
Silvio Heinevetter: Spielern ist es fast egal, wer Trainer ist
Dass Prokop durch sein fehlerhaftes Handeln und sein jetziges Schuldeingeständnis seine Autorität gegenüber der Mannschaft verloren hat, glaubt Heinevetter nicht. Der Berliner lobte den Bundestrainer als "fachlich höchst kompetent" und meinte: "Es zeugt von seiner Größe, wie selbstkritisch und offen er die EM aufgearbeitet hat. Und trotzdem ist er noch absolut der Chef."
Vielmehr sieht Heinevetter jeden einzelnen Spieler in der Pflicht, sich kritisch selbst zu hinterfragen. Die Mannschaft sei manchmal zu empfindlich gewesen und müsse damit klarkommen, wenn Dinge nicht nach Wunsch laufen.
"Etwas überspitzt gesagt: Uns Spielern ist es doch fast egal, ob uns ein Müller, Meier oder Prokop trainiert. Wir wollen den Erfolg. Den will Christian auch", so Heinevetter.