Die Mannschaft vertraut Prokop nicht!
Christoph Dach: Es gab im Verlaufe dieses Turniers Szenen, die Fragen aufgeworfen haben. Als sich beispielsweise Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek nach dem Spiel gegen Slowenien hingestellt und erzählt haben, dass sie die Anweisung hatten, offensiv zu verteidigen, sich dann aber als erfahrene Nationalspieler dazu entschieden hätten, das Gegenteil zu machen. In der ersten Halbzeit hat die Truppe 17 Gegentore kassiert, danach nur noch acht. Da kann man schon auf den Gedanken kommen, dass die Mannschaft dem Trainer nicht komplett vertraut. Eine ähnliche Situation gab es im dritten Spiel gegen Mazedonien, als das Team ganz am Ende einen komplett anderen Spielzug ausgeführt hat, als es der Bundestrainer in der Auszeit angesagt hatte. Wobei ich diesen Punkt nicht überbewerten würde, weil Handball nun einmal ein Spiel ist, das Handlungsschnelligkeit erfordert und es schon mal vorkommt, dass in solchen Situationen etwas anderes gemacht wird, als besprochen war. Gegen Dänemark war es komplett anders. Da hatte ich schon den Eindruck, dass Mannschaft und Trainer zumindest nicht gleich aufeinander losgehen.
Olaf Bruchmann: Ich habe sehr wohl das Gefühl, dass die Mannschaft dem Bundestrainer vertraut, weil er sie sehr gut einstellt. Ich glaube, dass seine Taktikbesprechungen extrem aufwendig sind. Jeder Spieler bekommt genau an die Hand, was er zu tun hat. Er sagt ja auch gerne, dass jeder seine Rolle im Team erfüllen muss. Dann setzen sich diese Puzzleteile auch zu einem schönen Bild zusammen. Trotzdem hat er bei der Nominierung unglaublich unterschätzt, welche Rolle Lemke in diesem ganzen Konstrukt spielt. Taktisch als Rückgrat in der Deckung und aufgrund seiner Persönlichkeit. Er hat ein unglaubliches Standing in dieser Mannschaft. Mit dem Thema Lemke hat Prokop die Mannschaft geschockt. Ich bewerte es jedoch als wichtiges Zeichen und habe großen Respekt davor, dass er diese Entscheidung so schnell revidiert hat.
Felix Götz: Was den Fall Lemke angeht, bin ich zu 100 Prozent bei dir, Olaf. Prokop hat total unterschätzt, welch wichtige Rolle der Abwehrchef auch in Bezug auf das Mannschaftsklima spielt. Mir stellen sich in diesem Zusammenhang zwei Fragen: Hätte Bob Hanning, der die Turnier-Chemie der Bad Boys seit Jahren und damit besser als Prokop kennt, den Bundestrainer eindringlich warnen müssen? Oder hat er das getan und Prokop entschied sich trotzdem gegen Lemke? Um eine konkrete Antwort zu geben: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Mannschaft dem Bundestrainer zu 100 Prozent vertraut. Das war bei Sigurdsson anders.
Sascha Staat: Es ist auch aus meiner Sicht so, dass nicht alle Spieler dem Bundestrainer vollkommen vertrauen. Das muss er sich erst erarbeiten. Und wenn du Spieler dabei hast, die deine Linie nicht voll mitziehen - und sei es nur um zwei Prozent -, dann hast du als Trainer ein Problem. Wenn man sich aber seine Auszeiten ansieht und hört, was er sagt, hat das alles Hand und Fuß. Das sind alles vernünftige Sachen, die er seinen Spielern mit auf den Weg gibt. Das hätte ein Sigurdsson nicht besser sagen können.