Wie im Hinspiel dominierte die deutsche Mannschaft die erste Halbzeit, nur um dann in den zweiten 30 Minuten die Partie noch aus der Hand zu geben. Beste Werfer in der DHB-Auswahl waren im wichtigsten deutschen Handballspiel der vergangenen Jahre Uwe Gensheimer und Holger Glandorf mit je 7 Toren. Bei Polen trafen Karol Bielecki (7) und Michal Jurecki (5) am besten.
Damit findet nach Olympia 2012 und der EM 2014 zum dritten Mal innerhalb von kürzester Zeit ein Großereignis ohne Deutschland statt. Ohne das Handball-Land mit der stärksten Liga der Welt und zwei Champions-League-Finalisten - eigentlich unvorstellbar, aber jetzt traurige Realität. Für Bundestrainer Martin Heuberger bedeutet das Scheitern mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Ende seiner Amtszeit.
Die Reaktionen:
Patrick Groetzki: "Man kann noch gar nicht absehen, was wir da angerichtet haben. Es war auch kein Pech, am Ende war Polen über beide Partien gesehen besser."
Bob Hanning (DHB-Vizepräsident): "Das tut sehr, sehr weh. Wir werden uns Gedanken machen, wie es weitergeht, aber erst einmal müssen wir das Spiel verarbeiten. Jeder wollte ja das Beste geben, wir haben es nur nicht zusammen hinbekommen."
Der SPOX-Spielfilm:
Vor dem Spiel: Keine Überraschungen beim DHB-Team, Heuberger setzt auf die Startformation aus dem Hinspiel. Heinevetter hat seine muskulären Probleme überwunden und steht im Kasten. Im Angriff beginnen im Rückraum Kraus, Mittelmann Kneule und Glandorf, dazu Wiencek am Kreis und wie gewohnt die Außen Gensheimer und Groetzki.
Einen Schock hat Polens Coach Biegler zu verkraften. Rückraum-Shooter Jurkiewicz, der in Halbzeit zwei vom Hinspiel überhaupt nicht zu stoppen war, fällt verletzt aus. Auch Spielmacher Jaszka fehlt erneut. Aber es gibt auch eine prominente Verstärkung: Rückraum-Star Krzysztof Lijewski ist wieder fit und steht gleich auf der Platte.
7.: Erste kritische Phase für das DHB-Team. Wisniewski, Michal Jurecki und Chrapkowski sorgen für einen schnellen 3:0-Run, aber Kneule und Glandorf schlagen sofort zurück. 4:4.
11.: Es geht um alles und so wird in der Deckung auch gespielt. Mit einem Wort: brutal. Wiencek wird am Kreis von drei Mann umgerammt, Grabarczyk hat ihn richtig erwischt. Der deutsche Kreisläufer muss behandelt werden und humpelt schließlich vom Feld. Groetzki fliegt danach von Außen ein und trifft ins lange Ecke. 5:4 Deutschland.
17.: Eigentlich überragend gespielt von den Polen auf den einlaufenden Wisniewski, aber Heinevetter fährt die Beine aus - sein erster überragender Save! Auf der anderen Seite haut Kraus das Ding rein. 7:6 Deutschland.
20.: Sensations-Einzelleistung vom Captain und besten Linksaußen der Welt! Gensheimer lässt seinen Gegenspieler mal ganz locker stehen und trifft herrlich zum 8:6. Dann legt Weinhold aus dem Rückraum nach! 9:6! Erste 3-Tore-Führung. Biegler legt die grüne Karte hin - Timeout.
25.: Heinevetter is on fire! Der DHB-Torwart packt eine Parade nach der anderen aus und nach jeder Parade gibt's dazu die passende Geste in Richtung der Polen. Silvio-Style! Nach einem schönen Kraus-Unterhandknaller sind es jetzt schon 5 Tore. 12:7 Deutschland. Biegler wirkt verzweifelt.
30.: Heinevetter ist komplett im wahnsinnigen Heinevetter-Modus! Kurz vor der Pause hält er den nächsten Lijewski-Wurf und rennt dann wie von Sinnen zur deutschen Bank! Heuberger hatte die Auszeit schon genommen, nach kurzer Diskussion gibt's noch vier Sekunden für den letzten Angriff, der führt aber zu keinem Tor mehr. 14:10 Deutschland.
35.: Lijewski hatte seit Ewigkeiten nicht mehr getroffen, jetzt steigt er aber in Überzahl mal hoch und knallt den Ball rein. Polen ist vor allem offensiv stark aus der Pause gekommen. Nur noch 16:14 Deutschland.
44.: Ein vogelwildes Spiel jetzt. Oder kürzer: Handball. Die Polen gleichen durch Bielecki, der plötzlich zum Faktor wird, und Daszek zum 18:18 aus und haben nach einem schlimmen Turnover des DHB-Teams sogar die Chance zur Führung. Aber dank polnischer Fehler kann Gensheimer mit zwei Gegenstoß-Toren dafür sorgen, dass nicht Heuberger, sondern doch wieder Biegler die Auszeit braucht. 20:18 Deutschland.
46.: Nicht zu fassen! Jetzt braucht Heuberger doch dringend das Timeout. Wyszomirski hält plötzlich ein paar Bälle und Glinski trifft zur polnischen Führung. 20:21. Krisenzeit!
51.: Wie im Hinspiel: Fäth kommt auf die Platte und bringt gleich ein klasse Anspiel an den Kreis an, Pekeler, drin! Deutschland wieder vorne. 24:23.
57.: Fäth setzt sich im 1-1 stark durch und sorgt für die nötige 2-Tore-Führung, aber auf der anderen Seite schlägt es auch schon wieder ein. Schon wieder Bielecki oben in den Winkel, Wahnsinn. 27:26. Drei Minuten noch.
60.: Wyszomirski hält gegen Weinhold, die Polen setzen sich am Kreis durch. 27:28. Das war's! Polen fährt zur WM, Deutschland bleibt daheim.
Der Star des Spiels: Karol Bielecki. An dieser Stelle hätten Silvio Heinevetter oder Uwe Gensheimer stehen können. Aber Heinevetter war nach einer Weltklasse-Leistung in der ersten Halbzeit gegen die Bielecki-Geschosse von Halbzeit zwei machtlos und Gensheimers super Leistung (7/8) nutzte am Ende auch nichts. Matchwinner war ohne jeden Zweifel Bielecki. Der Rückraum-Shooter saß erst mal lange auf der Bank und als er dann kam, kam auch erst mal wenig. Wie Bielecki dann aber die WM mit seinen Knallern fast alleine für Polen klarmachte, war aus polnischer Sicht großes Kino. Auch ein großer Faktor: Wyszomirski, Polens Nummer zwei im Tor, mit seinen Paraden in Halbzeit zwei.
Der Flop des Spiels: Steffen Weinhold. Schwierig bis unmöglich, einen deutschen Spieler rauszupicken. Glandorf (7/15) leistete sich zwar viele Fahrkarten, riss das Spiel aber in Halbzeit zwei auch kurzzeitig an sich. Kraus (4/5) begann stark, konnte sich aber in der entscheidenden Phase nicht mehr in Szene setzen. Weinhold (3/8) gelang insgesamt an diesem Tag leider zu wenig, etwas bezeichnend, dass sein Fehlwurf das Aus besiegelte.
Das fiel auf:
- Deutschland stellte wie schon im Hinspiel in den ersten 30 Minuten eine überragende Abwehr hin mit einem alles überragenden Heinevetter dahinter. Nur 10 Gegentore in der ersten Halbzeit sprechen für sich.
- Besonders bemerkenswert: Die Arbeit des Mittelblocks, den nach der Wiencek-Verletzung Hendrik Pekeler und Felix Danner bildeten. Pekeler war schon im Hinspiel bärenstark und auch sein Rookie-Partner fügte sich glänzend ein. Die deutsche Deckung hielt Polen in Halbzeit eins bei einer Angriffs-Effektivität von gerade mal 26 Prozent (Deutschland zum Vergleich: 42 Prozent).
- So gut wie die deutsche Abwehr in Halbzeit eins war, so schlecht war sie wieder in Halbzeit zwei. 19 Gegentore in 30 Minuten sind einfach viel zu viel. Bielecki bekam man überhaupt nicht mehr in den Griff, trotz vieler Überzahlsituationen. Bitter, dass die Polen das Spiel trotz des Fehlens von Jurkiewicz und Jaszka und einer wenig effektiven Leistung von Lijewski so drehen konnten.
- Diesmal waren es zwar "nur" drei Siebenmeter, aber Bartosz Jurecki bleibt unfassbar sicher. Wieder verwandelte er jeden 7-Meter, ob gegen Heinevetter oder Bitter, war ihm während der zwei Spiele gänzlich egal.
- Das große deutsche Problem bleibt die Konstanz. Eine Halbzeit hui, die andere pfui. Eine Phase überragend, die nächste unerklärtlich schwach. Es hing wie erwartet in zwei Spielen an wenigen Momenten, aber Polen war den Tick besser und cleverer. Und sie hatten Bielecki.
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