Horst Hrubesch schritt mit ein bisschen Verspätung die Treppen hinab zum Trainingsplatz, immer eine Hand lässig in der Tasche seiner Trainingshose und begrüßte die wartenden Fans standesgemäß. "Moin", sagte Hrubesch, die Klub-Legende, das Kopfball-Ungeheuer von einst, der neue Hoffnungsträger bei seinem Hamburger SV. Und dann machte sich Hrubesch an die Arbeit. Als Nachfolger des geschassten Daniel Thioune soll Hrubesch retten, was kaum noch zu retten ist - die Rückkehr in die Bundesliga.
"Wir müssen alles daransetzen, den Mist, den wir verbockt haben, wieder geradezurücken", sagte Hrubesch. Und rund 50 Zuschauer wollten trotz der Coronapandemie am Montag sehen, wie der 70-Jährige den alten Glanz zurück in den Volkspark holen will.
"Zunächst einmal geht es darum, die Köpfe der Spieler freizubekommen. Zuletzt hat die Mannschaft leider oft unter Wert gespielt", sagte der 70-Jährige, nachdem Thioune zuvor nach fünf Spielen ohne Sieg freigestellt wurde: "Sie verfügt über eine andere Qualität, die wir jetzt in den verbleibenden Spielen auf den Platz bringen müssen. Ich werde viele Gespräche führen, reinhören und versuchen, ein paar Akzente zu setzen."
Drei Partien hat "Hotte" Hrubesch jetzt noch Zeit für das Aufstiegs-Wunder, fünf, wenn es der HSV in die Relegations schafft. Eine Mission, die sie in Hamburg nur noch Hrubesch zutrauen. Schließlich haben die Hanseaten den Anschluss an die direkten Aufstiegsplätze längst verloren, es droht das Nichtaufstiegs-Triple. Der Hinrundenmeister belegt aktuell den Relegationsplatz, Verfolger Holstein Kiel hat nur zwei Punkte weniger - und noch drei Nachholspiele.
Jetzt soll, nein muss es also Hrubesch richten - einen größeren Namen hat in Hamburg wohl nur Uwe Seeler. Europameister von 1980, Vizeweltmeister von 1982, dreimal deutscher Meister und einmal Europapokalsieger der Landesmeister mit dem HSV war er - und dabei laut Günter Netzer, der den "Rübe" genannten Angreifer aus Essen an die Elbe lockte, ein "lausiger Kicker".
HSV: Hrubesch kehrt nach Saison in Nachwuchs zurück
Doch Hrubesch wollte, biss, krempelte die Ärmel hoch, trieb die Mannschaft an. Und genau das soll der Talenteflüsterer jetzt wieder beim HSV einbringen. Sportvorstand Jonas Boldt erwartet von Hrubesch, "einfach er selbst zu sein" und eine gewisse "Lockerheit" zu vermitteln, um das Ziel Aufstieg doch noch irgendwie zu erreichen. "Wir wollen nichts abschenken, sondern voll angreifen", sagte Boldt.
Sein Debüt feiert Hrubesch am kommenden Montag gegen den 1. FC Nürnberg, danach stehen noch die Partien gegen den VfL Osnabrück (16. Mai) und Eintracht Braunschweig (23. Mai) auf dem Programm sowie eine mögliche Relegation.
Der Klub habe festgestellt, "dass die Dynamik in den letzten Tagen deutlich schneller und dramatischer geworden ist", sagte Sportvorstand Jonas Boldt über den Trainerwechsel: "Wir laufen große Gefahr, von unserem Weg abzukommen. Das wollen wir nicht und das werden wir nicht." Die Negativserie zuletzt sei "nicht spurlos" an Thioune vorbeigegangenen, sagte Boldt, der von Hrubesch erwartet, "einfach er selbst zu sein".
Dass Thioune selbst um eine Entlassung gebeten habe, dementierte Boldt: "Daniel hat definitv keine Signale gesendet, dass er sich nicht mehr in der Lage für das Traineramt fühlt. Natürlich ist er enttäuscht, das sind wir alle ein Stück weit. So schade es ist und so leid es uns tut, es ist alternativlos."
Der Hinrundenmeister belegt aktuell den Relegationsplatz, Verfolger Holstein Kiel kann durch Nachholspiele aber noch vorbeiziehen. Hrubesch, der im Duell mit dem 1. FC Nürnberg am kommenden Montag (10. Mai) erstmals auf der Bank sitzen wird, soll es nun doch noch richten - einen größeren Namen als der einstige Stürmer hat in Hamburg nur Uwe Seeler.
HSV: Hrubesch strebt "Mischung aus Spaß und Zielstrebigkeit" an
Thioune, der erst vor Saisonbeginn vom VfL Osnabrück mit einem Zweijahresvertrag an die Elbe gewechselt war, wurde der Negativtrend zum Verhängnis. "Die Dynamik", sagte Boldt, sei "in den letzten Tagen deutlich schneller und dramatischer geworden". Der HSV ist fünf Spiele ohne Sieg und sah keinen Ausweg mehr. Bis zuletzt hatte Sportvorstand Jonas Boldt den 46-Jährigen gestützt.
Boldt ist an der Elbe angetreten, nicht ständig den Trainer zu wechseln. Doch auch Thioune wusste schon nach dem 1:1 zuletzt gegen den Karlsruher SC, dass es eng werden könnte: "Unterm Strich ist ein Unentschieden eindeutig zu wenig, für den Anspruch den wir hatten."
Hrubesch will nun "eine gute Mischung aus Lockerheit, Spaß und Zielstrebigkeit" erreichen und setzt dabei nicht auf ein "ich", sondern auf ein "wir. Dabei erwarte ich, dass unser gesamter Kader inklusive Trainer, Staff und Spieler alle Kräfte und alle Konzentration für die letzten drei Ligaspiele bündelt", sagte der Coach, der 2009 mit der U21 Europameister wurde und 2016 in Rio die olympische Silbermedaille gewann: "Da nehme ich auch angeschlagene oder verletzte Spieler nicht aus."
Nach der Saison kehrt Hrubesch dann wieder auf seinen Posten des Direktor Nachwuchs bei den Hamburgern zurück - dann soll der HSV wieder Erstligist sein.