James Lawrence im Interview: "Cruyff wollte, dass ich den Rollstuhl kippe"

Die Karriere von James Lawrence vom FC St. Pauli wurde von großen Persönlichkeiten geprägt.
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Bei Ajax bekamen Sie einen prominenten Jugendtrainer: Dennis Bergkamp. Können Sie sich an Ihr erstes Treffen mit ihm erinnern?

Lawrence: Bergkamp hat damals seinen Trainerschein gemacht und im Zuge dessen musste er Jugendmannschaften auf einzelne Spiele vorbereiten und dann coachen. Zufälligerweise fiel eines dieser Spiele auf mein allererstes Freundschaftsspiel für Ajax, nur wusste ich davor nichts davon. Ich saß also in der Kabine und auf einmal kam Bergkamp hereinspaziert. Man muss wissen: Ich bin seit jeher Arsenal-Fan und Bergkamp war eines meiner ersten großen Idole. Er ging herum und begrüßte alle Jungs einzeln, die meisten schienen ihn schon von vorherigen Spielen zu kennen. Als er schließlich vor mir stand, war ich komplett überwältigt. Das war eine unglaubliche Erfahrung für mich. Noch besser wurde es, als er später der Co-Trainer meiner Mannschaft wurde.

Haben Sie ihm davon erzählt, dass er Ihr großes Idol war?

Lawrence: Nein, natürlich nicht. Ich wollte cool rüberkommen und nicht wie ein Fan.

Hat er im Training manchmal mitgespielt?

Lawrence: Bei Rondos und Torschussübungen hat er meistens mitgemacht und uns gezeigt, wie es geht. Unsere Keeper haben Torschussübungen mit ihm gehasst, weil er jeden Ball in den Winkel gejagt hat und sie keine Chance hatten.

Während Ihrer Zeit bei Ajax arbeiteten Sie ehrenamtlich für die Johan Cruyff Foundation. Wie kam es dazu und was haben Sie da genau gemacht?

Lawrence: Bei meiner Schule gab es die Vorgabe, dass alle Schüler irgendeine Form von ehrenamtlicher Arbeit verrichten müssen. Ich wollte unbedingt etwas mit Sport-Bezug machen, insofern war die Johan Cruyff Foundation eine perfekte Wahl für mich. Ziel der Stiftung ist es, Kindern mit Behinderungen die Möglichkeit zu geben, Sport zu treiben und zu spielen. Ich habe hauptsächlich bei der Organisation von Events mitgeholfen: Erst alles aufbauen, dann mit den Kindern spielen und dafür sorgen, dass sie Spaß haben, und nachher wieder alles aufräumen. Für mich war das eine sehr gute Lebenserfahrung.

Wie präsent war Cruyff selbst?

Lawrence: Er war sehr involviert und bei allen Events selbst vor Ort. Nicht nur für eine halbe Stunde oder so, sondern vom Anfang bis zum Ende. Ihm war es wichtig, dass alle eine gute Zeit haben. Er hat sich auch immer wieder mit uns Helfern unterhalten. Ich hatte das Gefühl, dass er unsere Arbeit sehr schätzt. Hin und wieder habe ich auch mit ihm unter vier Augen gesprochen. An das erste Mal kann ich mich noch genau erinnern.

Erzählen Sie!

Lawrence: Als wir nach einem Event alles zusammengeräumt haben, standen ein paar Rollstühle herum. Ich habe mich in einen reingesetzt und versucht, den Ball im Sitzen hochzuhalten. Auf einmal kam Cruyff vorbei und meinte, dass er das beeindruckend findet - aber dass es zu leicht für mich aussieht. Er wollte, dass ich den Rollstuhl kippe und es auf zwei statt vier Rädern probiere, um mich noch mehr herauszufordern.

Und?

Lawrence: Naja, fünfmal oder so habe ich es geschafft.

Cruyff scheint eine sehr prägende Figur in Ihrem Leben gewesen zu sein: Sie haben nicht nur für die Johan Cruyff Foundation gearbeitet, sondern auch am Johan Cruyff Institute studiert.

Lawrence: Als ich mit der Schule fertig war, wollte ich mein Gehirn weiterhin fordern und habe deshalb nach einer entsprechenden Möglichkeit gesucht, die sich mit meinem Traum vom Profifußball vereinbaren lässt. So bin ich auf das Johan Cruyff Institute gestoßen, an dem man als Profisportler dank einer speziellen Regelung ohne vorherigen Bachelor direkt einen Master in Sport-Management absolvieren kann. Jeden Tag gab es die gleichen Vorlesungen am Vormittag und am Nachmittag. Es ließ sich also alles flexibel rund um die Spiel- und Trainingszeiten organisieren.

Hat Cruyff selbst Vorlesungen gehalten?

Lawrence: Nein, leider nicht. Seine Expertise beschränkt sich eher auf die fußballerische Praxis, beim Studium ging es dagegen hauptsächlich um wirtschaftliche Dinge und Prozesse in Klubs oder Verbänden. Cruyff hat die Hochschule gegründet, um mitdenkende Sportler zu fördern. Das war ihm sehr wichtig. Bei meinem Abschluss war er vor Ort, hat mir mein Zeugnis überreicht und gratuliert.

James Lawrence wechselte 2019 zunächst per Leihe vom RSC Anderlecht zum FC St. Pauli, ehe er 2020 für 500.000 Euro fest verpflichtet wurde.
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James Lawrence wechselte 2019 zunächst per Leihe vom RSC Anderlecht zum FC St. Pauli, ehe er 2020 für 500.000 Euro fest verpflichtet wurde.

Haben Sie noch Kontakt mit Leuten von Ajax, der Johan Cruyff Foundation oder dem Johan Cruyff Institute?

Lawrence: Mein Vater ist Architekt. Er war am Entwurf und Bau der Schule für den Nachwuchs bei Ajax beteiligt. Als Teil meines Abschlusses beim Johan Cruyff Institute habe ich einen entsprechenden Plan für diese Zusammenarbeit erstellt, der jetzt tatsächlich umgesetzt wird. Das finde ich richtig cool. Insofern habe ich zumindest noch indirekt Kontakt. Außerdem bin ich gut mit Ruben Jongkind befreundet, der während meiner Zeit bei Ajax im Nachwuchsbereich gearbeitet hat und sich mittlerweile um Montessori-Sport kümmert. Er analysiert meine Spiele mit mir, gibt mir fußballerische Tipps und ist bei Problemen einer meiner ersten Ansprechpartner. Ruben hatte ein enges Verhältnis zu Cruyff und versucht nun, seine Prinzipien weiterzutragen.

Nach Ihrer Zeit in der Jugend von Ajax spielten Sie in den Niederlanden noch für die zweiten Mannschaften von Sparta Rotterdam und RKC Waalwijk, ehe Sie zum slowakischen Erstligisten AS Trencin wechselten. Wie kam es dazu?

Lawrence: Der Besitzer von Trencin, Tschen La Ling, spielte als Aktiver bei Ajax mit Cruyff zusammen und wollte dessen Philosophie auf seinen Klub übertragen: 4-3-3-System, flache Pässe von hinten heraus, junge Talente, die komplette Palette. Für die Umsetzung verpflichtete er einige Spieler aus den Niederlanden, abgesehen von mir auch noch Gino van Kessel, Mitchell Schet und Ryan Koolwijk. Dazu kamen ein paar afrikanische Talente und slowakische Routiniers. Das war eine ziemlich zusammengewürfelte Gruppe, aber es hat funktioniert und wir haben zweimal das Double gewonnen.

Anschließend standen Sie für eine Saison beim RSC Anderlecht unter Vertrag und wechselten dann zunächst per Leihe und schließlich fest zum FC St. Pauli. Was wussten Sie davor über den Klub?

Lawrence: Nicht viel, aber als sich die Möglichkeit zum Wechsel ergab, habe ich direkt mit der Recherche angefangen. Unter anderem habe ich mir bei YouTube ein paar Fan-Videos aus dem Stadion angeschaut. Alles hörte sich unfassbar positiv an. Als ich das erste Mal bei Hells Bells ins Stadion am Millerntor einlief, wusste ich zwar, was mich erwartet, war aber trotzdem komplett überwältigt und habe am ganzen Körper gezittert. Es war unfassbar cool, das zu sehen und zu fühlen.

James Lawrence: Seine Karrierestationen

ZeitraumKlubLand
2001 bis 2003FC Arsenal (Jugend)England
2003 bis 2008Queens Park Rangers (Jugend)England
2008 bis 2009HFC Haarlem (Jugend)Niederlande
2009 bis 2011Ajax Amsterdam (Jugend)Niederlande
2011 bis 2012Sparta Rotterdam (Reserve)Niederlande
2012 bis 2014RKC Waalwijk (Reserve)Niederlande
2014 bis 2018AS TrencinSlowakei
2018 bis 2019RSC AnderlechtBelgien
seit 2019FC St. PauliDeutschland
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