Mit neuer Energie zum Wunder?

Von Jonas Schützeneder
Enger zusammengerückt: Stephan Schmidt hat in Cottbus vor allem am Teamgeist gearbeitet.
© getty

Nach einer katastrophalen Hinrunde und Platz 18 steht Energie Cottbus vor dem Rückrundenstart der 2. Liga gewaltig unter Druck. Fehler aus der Vergangenheit haben den Ostklub stark beschädigt. Hoffnung für die Rückrunde gibt es trotzdem. Ein "positiv Verrückter" und eine neue Stimmung sollen Wunder bewirken.

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Der Mann, der Cottbus retten soll, hat eine kurze Visitenkarte. Name: Stephan Schmidt. Alter: 37. Bisherige Profi-Stationen als Trainer: SC Paderborn (2012-2013). Seit November steht der zweite Verein auf der Karte. Bei Energie Cottbus holte der gebürtige Berliner aus sechs Spielen keinen Punkt. Trotzdem ist er vor dem Rückrundenstart einer der Hoffnungsträger für einen Verein, der knapp vor dem Abgrund steht.

Mickrige 13 Punkte hat Cottbus in der Hinrunde gesammelt. Mit acht Pleiten in Serie und acht Zählern Rückstand auf Platz 16 ging es in die Winterpause. In den letzten Wochen hat sich in der Lausitz einiges getan. Schmidt will einen neuen Teamgeist ausgemacht haben, neue Spieler sind da, etablierte Stammkräfte wurden davongejagt. "Wir haben nichts mehr zu verlieren, aber viel zu gewinnen", sagt Schmidt eine Woche vor dem Auftakt gegen Sandhausen in der "Sport Bild".

Kritik an Vorgänger Bommer

Schmidt will sich stellen. Aller Kritik, die seinen unterirdischen Start betrifft, aller Vorhersagen, die jetzt das Ende des ehemaligen ostdeutschen Vorzeigeklubs kommen sehen. Schmidt will kämpfen, für eine Zukunft im Profigeschäft. Dafür, dass in den letzten Jahren viele Fehler gemacht wurden, kann er nichts. Beschwert hat er sich trotzdem erst einmal. Gleich zu Beginn kritisierte Schmidt den schlechten Fitness-Zustand der Mannschaft und damit seinen Vorgänger Rudi Bommer.

"Wir trainieren hart und viel. Wir müssen mehr machen als andere Vereine", sagte Schmidt vor der Winter-Vorbereitung. Als erstes Team begann Energie am 3. Januar mit dem Training. Es hat sich offenbar gelohnt. "Wir sind fitter, die Spieler haben eine ganz andere Körpersprache", urteilt der Trainer.

Auch am Kader hat Schmidt gearbeitet. Mit seiner Ankündigung, dass die beiden Bundesliga-erfahrenen Markus Brzenska und Marc-Andre Kruska den Klub verlassen dürfen, hat er früh ein deutliches Signal gesetzt. Auch Angreifer Mosquera bekam die Freigabe. Dafür kamen mit Fanol Perdedaj (Hertha BSC II), Sven Michel (Mönchengladbach II) und Mathias Fetsch (FC Augsburg) drei junge, ambitionierte Spieler. Außerdem konnten die zuletzt vertraglosen Ahmed Madouni und Steffen Boll im Probetraining überzeugen.

Keine Konstanz auf der Trainerposition

Insgesamt hat sich Schmidt damit einen breiteren und flexiblen Kader gebastelt. Ganz oben steht mittlerweile der Teamgeist. "Wenn ich merke, dass ich einen Spieler überreden muss, für Energie zu spielen [...], dann breche ich das Gespräch ab", so Schmidt über die Verhandlungen mit Neuzugängen. Die führt er als Trainer selbst.

Einen Sportdirektor hat der Klub nämlich nicht - nur einer von mehreren strategischen Schwachpunkten der letzten Jahre. Vereinsboss Ulrich Lepsch ließ zuletzt trotz großer Machtfülle einen klaren Kurs vermissen. Seit der Entlassung von Kult-Trainer Ede Geyer im November 2004 hat kein Coach drei Jahre am Stück an der Linie gestanden.

"Verzicht auf Sportdirektor ist bedenklich"

Dann übergab Lepsch die sportliche Verantwortung an Claus-Dieter Wollitz, der quasi als Team-Manager fungierte. Nach dessen Entlassung 2011 übte Bommer zuerst weiter die Doppel-Funktion aus, bekam dann den ehemaligen Energie-Verteidiger Christian Beeck an die Seite gestellt. Auch dieses Experiment scheiterte, innerhalb weniger Wochen mussten beide gehen. Jetzt ist Schmidt wieder Trainer und Manager in einer Person. Immerhin: Laut Lepsch soll im Sommer ein neuer Sportdirektor kommen.

Ob dieser Schritt nicht zu spät kommt? Geyer schlug kürzlich jedenfalls Alarm: "In der jetzigen Situation komplett auf einen Sportdirektor zu verzichten, halte ich für bedenklich", sagte der erfolgreichste Cottbus-Trainer der jüngeren Vergangenheit. Geyer ist einer von acht Trainern in den vergangenen neun Jahren.

Unter ihm spielte Energie in der Bundesliga, etablierte sich als auch als Stützpunkt für solide Nachwuchsarbeit. Auch davon ist heute nichts mehr zu sehen. Die A-Junioren sind aus der Bundesliga abgestiegen, die Cottbuser U 23 spielt mittlerweile in der 5. Liga. Potential für einen Neuanfang sieht anders aus.

Zuschauerschnitt auf Tiefpunkt

Genau das würden sich allerdings große Teile der Anhängerschaft wünschen, die dem Ostklub zuletzt scharenweise davonliefen. Mit unter 9000 Zuschauern pro Heimspiel hat Energie den schlechtesten Schnitt seit 1999. Dabei ertrug der Anhang die katastrophale Hinrunde lange Zeit fast klagelos. Schmidt ist deutlich bemüht, die Fans wieder zurückzuholen. "Wir können es nur zusammen schaffen", sagt er und geht mit gutem Beispiel voran.

Im Trainingslager ließ Schmidt die Mannschaft über Kapitän und Mannschaftsrat abstimmen. Routinier Uwe Möhrle blieb mit großer Zustimmung im Amt, Ivica Banovic flog dagegen aus dem Mannschaftsrat. Dazu wurden die Zimmerpartner ausgelost. "Wir müssen mehr kommunizieren. Auf und neben dem Platz", fordert Schmidt.

Kapitän Möhrle ergänzt im Gespräch mit SPOX: "Jetzt sind vor allem die Erfahrenen gefragt. Wir müssen vorangehen." Der Zustand der Mannschaft sei mittlerweile völlig anders. "Wir sind in der Hinrunde zu wenig gelaufen, das ist Fakt. Jetzt sind wir topfit und werden auf jeden Fall mehr Tempo gehen, gerade im Umschaltspiel", verspricht der ehemalige Wolfsburger.

Böhme als Geheimwaffe?

Taktisch wird sich aller Voraussicht nichts ändern. Schmidt will weiter am 4-2-3-1 oder alternativ 4-4-2 festhalten. Die wohl größte Überraschung ist ihm ohnehin mit der Berufung seines Co-Trainers gelungen.

Der ehemalige Schalker Jörg Böhme steht mittlerweile an Schmidts Seite, leitet Teile des Trainings und ist vor allem mit seiner Erfahrung (acht Länderspiele, zwei Pokalsiege) wertvoll. "Man bringt ihm durch seine großen Erfolge sofort Respekt entgegen und er hilft der Mannschaft auf jeden Fall weiter", so Möhrle über den Neuzugang.

Seit Oktober unter Druck

Einst als "positiv Verrückter" bezeichnet, übt sich Böhme seit seinem Amstantritt in Bescheidenheit und Vorsicht. Keine großen Sprüche, sondern sachlich und betont gelassen gibt er sich. Böhme soll wieder Selbstvertrauen in die Truppe bringen und mit seiner kämpferischen Art als Vorbild dienen.

Trotz allem: Der Druck auf die Lausitzer lastet schwer, die Existenz des Vereins ist bedroht. Genau das soll jetzt die restlichen Prozentpunkte für die Wende bringen.

"Wir stehen seit Oktober unter Druck und haben uns daran gewöhnt. Für andere Klubs wird der Druck jetzt erst kommen, da haben wir dann einen Vorteil", hofft Möhrle. Ein guter Auftakt bei drei Heimspielen im Februar und alles ist wieder möglich. Energie will sportlich die Kurve kriegen, spätestens dann ist auch die Fankurve wieder voll.

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