SPOX: Für Sie war es ja recht ungewöhnlich, mitten in der Saison einen neuen Trainer zu verpflichten. Wie kamen Sie denn auf die Idee mit Daum?
Bruchhagen: Ich hatte festgestellt, dass das Selbstbewusstsein nicht besonders ausgeprägt war. Zehn unserer Spieler haben in den vier, fünf Jahren zuvor ja immer Platz neun bis zwölf in der Bundesliga belegt. Ich dachte, dass Christoph Daum geeignet ist, das fehlende Selbstbewusstsein und die Deprimiertheit um die Mannschaft herum zu lösen.
SPOX: War es schwer, ihn von dieser Aufgabe zu überzeugen?
Bruchhagen: Ich habe vehement auf ihn eingeredet und ihm das feste Versprechen gegeben, dass wir nicht absteigen. Es musste ja schnell gehen. Zwei Stunden später hat er zugesagt. Im Nachhinein ist mir das ihm gegenüber schon ein bisschen peinlich. Er hat auch Schaden genommen. Das tut mir ausgesprochen leid, das hat er nicht verdient.
SPOX: Angenommen, die Eintracht steigt wieder auf: Wie lange müsste man dann in der Bundesliga spielen, um wieder den Stellenwert von Anfang 2011 zu besitzen?
Bruchhagen: Auch das ist hypothetisch. Die TV-Gelder entscheiden auch über das sportliche Ranking. Da müssten wir uns wieder brav hinten anstellen. Wir müssten uns mit Augenmaß und Konzentration Schritt für Schritt nach vorne entwickeln. Wie die Schritte im Einzelnen aussehen, das ist nicht zu prognostizieren. Ich weiß ja auch nicht, was Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim machen werden. Diese drei Vereine sind von mittleren Traditionsvereinen wie Hannover, Nürnberg oder Gladbach überhaupt nicht zu erreichen.
SPOX: Trainer Armin Veh kritisierte zuletzt die Stimmung. Es fehle ihm im Umfeld die Leidenschaft, um das Ziel Wiederaufstieg zu packen.
Bruchhagen: Armin Veh steht für nüchterne Analyse. Deshalb haben wir ihn als Trainer ausgewählt. Seine Wahrnehmung, was die Stimmung betrifft, teile ich nicht, die ist in unserem Stadion großartig.
SPOX: Fehlt Ihnen die Leidenschaft?
Bruchhagen: Worin sollte denn die Leidenschaft im Aufsichts- oder Verwaltungsrat bestehen? Ein Vorstand oder Aufsichtsrat ist nicht für Leidenschaft oder Stimmung zuständig, sondern die muss sich in der Mannschaft und im Trainerteam selbst entwickeln. Das Umfeld ist identisch mit der Leidenschaft von Armin Veh und verkörpert die gleiche Emotion. Und deshalb passt er sehr gut zu uns.
SPOX: Veh knüpft seinen Verbleib an den Aufstieg. Gelingt der nicht, ist er weg. Lässt sich mit einer solchen Konstellation überhaupt zweigleisig planen?
Bruchhagen: Was wollen Sie mit dieser Fragestellung erreichen? Was wissen Sie von den Zukunftsplänen von Armin Veh? Im Mai ist die Saison zu Ende und wir werden sehen, welches Ergebnis wir erzielt haben. Dann nehmen wir die Planungen auf - für die erste oder die zweite Liga.
SPOX: Muss das nicht deutlich früher geschehen?
Bruchhagen: Nein. Bruno Hübner hat schon den einen oder anderen Spieler angesprochen, der sowohl für die erste als auch für die zweite Liga interessant ist.
SPOX: Aber der will doch wissen, wie der Trainer heißt.
Bruchhagen: Nein, das will er nicht wissen. Spieler wollen das nicht wissen. Die wollen wissen, in welcher Liga sie spielen und was sie verdienen.
SPOX: Was ist, wenn ein Spieler bereits gute oder eben schlechte Erfahrungen mit Veh gemacht hat?
Bruchhagen: Dann muss er damit leben, dass Veh bleibt oder Veh geht. Ich habe in 24 Jahren noch nie einen Spieler erlebt, der zu mir gekommen ist und gesagt hat: 'Hier ist mein Vertrag, ich möchte auch kein Geld mehr, weil der Trainer gegangen ist.' Wenn Armin Veh geht, kommt ein Neuer.
SPOX: Unsicher wie Vehs Zukunft ist auch das künftige Vorgehen gegen gewalttätige Fans. Sie sagten, dass oft die Bürokratie im Wege stünde. Wie meinten Sie das?
Bruchhagen: Die Staatsanwaltschaft stellt doch jedes Verfahren ein. Für die Gewalttäter ist das ein El Dorado. Ort, Zeitpunkt, Zeuge, Geschädigter - all das muss für die Beweisführung benannt werden. Das gelingt nur in den seltensten Fällen.
SPOX: Es gibt Ordnerdienste und Fanprojekte, dennoch gelten die Frankfurter Ultras als besonders gewalttätig. Warum?
Bruchhagen: Das Thema Ultra-Kultur ist zu schwierig. Das versteht weder Theo Zwanziger oder Reinhard Rauball noch der eine oder andere Innenminister.
SPOX: Wie verstehen Sie es?
Bruchhagen: Das ist eine Jugendkultur, die sich in beispielloser Art und Weise selbst verehrt, sich konspirativ trifft, schwarz gekleidet, ihre eigene Philosophie ohne Hierarchien entwickelt und den Kommerz ablehnt. Die Stadionverbotler werden berühmt, da genießen 15-jährige Pennäler höchstes Ansehen. Das ist eine gesellschaftliche Entwicklung, die nur ganz schwer zu lösen sein wird - und schon gar nicht mit Hau-drauf-Vorschlägen. Da kommt man mit Strafen nicht weiter.
SPOX: Wie dann?
Bruchhagen: Ich habe keine Ahnung. Ich habe vielfach versucht - auch privat - Gespräche mit Ultra-Köpfen zu führen. Das ist nur möglich, wenn man sie alleine vor sich hat. In der Gruppe ist das nicht zu machen. Es ist auch im Ansatz falsch, den Politikern oder Behörden einen Vorwurf zu machen. Das ist eine neuere Entwicklung, die man erst einmal verstehen muss. Wenn man sie verstanden hat, was schwer genug ist, hat man aber noch lange keine Lösung.
SPOX: Haben Sie eine Lösung zum aktuellen Dauerthema in der Bundesliga: Michael Ballack und Bayer Leverkusen?
Bruchhagen: Das war doch bei Pal Csernai und Gerd Müller oder Günter Netzer und Hennes Weisweiler genauso. Bei einem 35-jährigen Profi, der am Ende seiner Laufbahn steht, kommt es immer zu solchen Rivalitäten. Das weiß man und ist ganz normal.
SPOX: Macht auch Ballack Fehler?
Bruchhagen: Das kann ich nicht beurteilen. Was Wolfgang Holzhäuser von sich gibt, wirkt ja sehr provokativ. Ich habe den Eindruck, dass Rudi Völler nicht mehr mit Ballack plant und Wolfgang Holzhäuser abgesprochen den advocatus diaboli spielt.
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