Auch Brasiliens "Hiroshima", wie der berühmte Schrifsteller Nelson Rodrigues das 1:2 bei der WM 1950 gegen Uruguay nannte, trägt den Namen dieser Arena: "Maracanazo".
"Nur drei Männer haben das Maracanã verstummen lassen", sagte Alcides Ghiggia, der Schütze des 2:1 für Uruguay später, "Frank Sinatra, Papst Johannes Paul II. - und ich."
Doch das stimmt nicht mehr. Das Maracanã, wie es die Brasilianer kannten und liebten, ist tot - und Ghiggia, ein gebeugter, aber wacher Mann von 87 Jahren, kann gar nichts dafür. Den "Mord am Maracanã", wie es eine Zeitung nannte, haben die Brasilianer selbst begangen. Sie haben ihren Tempel entweiht.
Denkmal für die neue Größe Brasilien
Das Maracanã war von Anfang an mehr als nur ein Fußball-Stadion. Erbaut für die WM 1950, sollte es ein Denkmal der neuen Größe Brasiliens sein, ein Versprechen für die Zukunft.
Benannt nach einer Papageienart und einem gleichnamigen Bächlein, das hinter der Tribüne plätschert, wurde sein Standort nicht zufällig gewählt: An diesem Rinnsal trafen reicher, weißer Süden und armer, schwarzer Norden aufeinander. Ein Stadion als Schmelztiegel.
Die Architektur war ein Symbol für die junge Demokratie: Im Rund sollte jeder gleich gute Sicht auf den Rasen haben. Das Maracanã war egalitär, nicht elitär. Ein Ort des Volkes. Jetzt, nach der Renovierung für die WM, ist es für viele ein Ort für VIPs. Manche hatten Tränen in den Augen, als sie die runderneuerte Arena erstmals betraten.
Mächtig, aber kalt
Das neue Maracanã hat hat eine Aura wie das neue Wembley oder die Allianz Arena - mächtig, aber irgendwie kalt. Der Mythos ist zur leeren Hülle verkommen. Bunte Schalensitze sollen Fröhlichkeit ausstrahlen; sie haben die Stehplätze verdrängt. Vor den neuen Logen sitzen die Schönen und Reichen in schweren Sesseln und schlürfen Champagner.
Die Befürchtung, dass sich der gemeine Fan nach dem 420 Millionen Euro teuren Umbau keine Karte mehr würde leisten können, ist allerdings nicht eingetreten. Beim Derby zwischen Flamengo und Fluminense (Fla-Flu) am 11. Mai war das billigste Ticket für 30 Reais (zehn Euro) zu haben.
Früher, maulen manche Fans, hätten sie für die Stehplätze hinter den Toren fünf Reais bezahlt. Außerdem seien große Fahnen und Trommeln verboten, statt heimischer Kost gibt es amerikanische Hotdogs.
Eigentum des Staat
Die Verantwortlichen weisen die Kritik zurück. Man hätte das Maracanã den Erfordernissen des modernen Fußballs anpassen müssen. Aus der Vogelperspektive sehe es noch fast aus wie früher, sagte Bauleiter Ícaro Moreno. Und die Privatisierung nach der WM, die viele empörte? "Das Stadion wird nur privat betrieben, es gehört dem Staat."
Sepp Blatter spürt im Maracanã noch "den alten Geist". Dabei war Blatters FIFA mitverantwortlich beim Austreiben desselben. Für die vom Weltverband geforderte Anzahl an Parkplätzen musste eine Favela weichen. 650 Familien - umgesiedelt. Das erste Indianer-Zentrum in Lateinamerika, einen Steinwurf entfernt, wurde zwangsgeräumt.
Fla-Flu wollten nur 26.178 zahlende Zuschauer sehen. Bei normalen Ligaspielen sind es noch weniger, die Stimmung ist schlechter als bei manchem deutschen Fünftligakick.
Nur wenn Brasilien spielt, ist wie beim Confed-Cup-Finale 2013 Feuer unterm (neuen) Dach. Während die Seleção drinnen Spanien verprügelte, riefen draußen ein paar Leute: "O Maraca é nosso!" Das Maracanã gehört uns. Das war einmal.