SPOX: Wissen Sie von deutschen Profifußballern, die generell Lust auf ein Comingout haben? Oder ist die generelle Grundhaltung: bloß nicht?
Quindt: Ich habe von zwei Fußballern gehört, die sich ausgetauscht haben und überlegen, es zu tun, aber nur in einer Gruppe mit mehreren Spielern. Zu zweit trauen sie sich nicht.
SPOX: Der Chairman des englischen Fußballverbandes Greg Clarke hat vor einem halben Jahr gesagt, mit mehreren schwulen Fußballern der Premier League gesprochen und sie zu einem gemeinsamen Comingout im großen öffentlichkeitswirksamen Stil ermutigt zu haben. Gleichzeitig riet er ihnen aber davon ab, es alleine zu probieren.
Quindt: Ich fände das gut. Vorausgesetzt, es gibt einen organisierten Plan dafür. Eine Hauruck-Aktion ohne vernünftige Vorbereitung könnte bei so einem sensiblen Thema auch zum Problem werden. Hinter manchen Vereinen stehen ja auch Sponsoren aus Regionen, in denen es mit Aufklärung und Toleranz noch nicht so weit her ist und dann könnte es krachen.
SPOX: Warum haben die beiden deutschen Spieler Bedenken?
Quindt: Weil bei nur zwei Spielern, gerade wenn sie nicht im selben Verein spielen, die Fokussierung auf sie sehr hoch wäre. Haben plötzlich mehrere Vereine schwule Spieler, würde die Situation auch in den Stadien leichter.
SPOX: Warum?
Quindt: Wenn in beiden Mannschaften ein homosexueller Spieler aufläuft, kann keine der beiden Fangruppen homophobe Gesänge anstimmen.
SPOX: Um das nochmal festzuhalten: Zwei Bundesliga-Spieler haben die Absicht, sich zu outen?
Quindt: Ja, das ist so. Aber wie gesagt: Sie trauen sich noch nicht. Und ich kann Sie auch verstehen. Die Bundesliga, mit allem, was dran hängt, ist nochmal eine andere Hausnummer. Diese Fußballer denken, dass das Gesamtkonstrukt dafür noch nicht bereit ist.
SPOX: Wird vom DFB, der DFL und generell im deutschen Fußball genug für die Aufklärung und für die Akzeptanz von Homosexuellen getan?
Quindt: Gerade medial ist sehr viel Luft nach oben. Nicht nur bei den nationalen Verbänden wie dem DFB. Auch bei den Landesverbänden. Es wird immer viel geredet. Ich war selbst schon in Gesprächen mit meinem Landesverband in Schleswig-Holstein. Aber es wird zu wenig getan.
SPOX: Was meinen Sie konkret?
Quindt: Ich habe in Elmenhorst mit meinem Verein ein Turnier gegen Homophobie organisiert und der Verband hat mich dabei unterstützt, die Sieger mit Trikots mit dem Schriftzug "Schleswig-Holstein kickt fair" ausgestattet. Aber ich erkenne über die Geste hinaus nicht, dass wirklich der Wille da ist, etwas zu unternehmen.
SPOX: Haben Sie denn konkrete Ideen?
Quindt: Mehrere. Borussia Dortmund hat im Zuge eines Bundesligaspiels einen Aktionstag veranstaltet. Warum machen das die anderen nicht auch? Kein anderer Bundesligaverein ist in den letzten Jahren auf so eine eigentlich simple Idee gekommen. Der Berliner Fußballverband macht das seit Jahren vorbildlich. Darüber hinaus wäre ich dafür, dass das Thema auch in der Trainer- und Schiedsrichterausbildung verankert wird - verpflichtend! Trainer und Schiedsrichter haben einen großen Einfluss auf den Profifußball. Was die Verbände angeht: Öffentlichkeitsarbeit ist da das Zauberwort.
SPOX: Der Amateurfußball bildet ja einen großen Teil der Gesellschaft ab. Haben sich im Laufe der Zeit eigentlich Fußballer bei Ihnen gemeldet, wenn sie sich outen wollten oder um sich einen Rat abzuholen?
Quindt: Ich bekomme immer dann Nachrichten und Feedback, wenn ich größere Interviews wie das hier gegeben habe. Viele tolle Nachrichten, aber auch traurige Geschichten und Mitteilungen von Diskriminierungen. Da kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Diese Nachrichten betreffen nicht nur den Fußball. Es melden sich Menschen aus allen Sportarten, aber auch Schiedsrichter. In der Sparte ist es wohl richtig schlimm.
SPOX: Was meinen Sie?
Quindt: Ein Schiedsrichter mit mehr als 30 Jahren Erfahrung hat sich bei mir gemeldet. Seitdem bekannt ist, dass er homosexuell ist, darf er nicht mehr pfeifen.
SPOX: Wie bitte?
Quindt: Das habe ich auch gesagt. Dann habe ich ihn nach der Begründung gefragt. Weil er auf Männer steht, bestünde die Gefahr, dass er Spieler aufgrund der Attraktivität bevorteilen könne, hieß es. Deswegen wurde er beurlaubt.
SPOX: Von einem Landesverband?
Quindt: Nach meinen Informationen vom DFB. Da war ich sprachlos, das ist ein klassisches Beispiel für Doppelmoral. Einerseits will man sich gegen Homophobie einsetzen und steht hinter Hitzlspergers Aussagen. Und in so einem konkreten Fall im Amateurbereich wird so gehandelt - vom DFB.
SPOX: Kommen wir zu einer erfreulicheren Sache: Sie spielen parallel zum Ligabetrieb in einem Hamburger Schwulenverein. Sind eigentlich alle aus dem Schwulenverein auch in - wie Sie sie nennen - Heterovereinen am Ball?
Quindt: Der Verein ist übrigens auch für Lesben und die Altersstruktur ist von 16 bis weit über 40 bunt gemischt. Als ich dort angefangen habe, war ich der Einzige, der im Ligabetrieb mitspielte. Es war eine reine Hobbymannschaft. Mittlerweile sind es drei Spieler, die im Verein spielen - alle in Elmenhorst.
SPOX: Drei klingt dennoch nach sehr wenig.
Quindt: Sie dürfen nicht vergessen: Viele kommen der Gemeinschaft wegen nach Hamburg. In dieser Mannschaft sind alle schwul. Für die Zeit des Trainings müssen sie sich nicht verstellen oder verstecken. Es gab Überlegungen, dieses Team auch im Ligabetrieb anzumelden. Aber dafür waren wir nicht genug. Aber für die, die es ernsthafter betreiben wollen, gibt es eigentlich immer weniger Hürden - zumindest bei mir im Verein. Wir haben auch Freundschaftsspiele organisiert. Das Schwulenteam weiß die Toleranz meiner Mannschaft sehr zu schätzen. Es wird niemand diskriminiert, deswegen sind die beiden auch zu uns gewechselt.