Es trägt sich Wunderliches zu im Spanien dieser Tage. In dem Land, das zuletzt 2004, also vor 14 Jahren, einen anderen Meister gesehen hat als den FC Barcelona , Real oder Atletico Madrid, schickt sich ein kleiner Klub aus dem Norden des Landes an, sensationell die Tabellenführung zu übernehmen.
Vor diesem 13. Spieltag liegt Deportivo Alaves noch auf dem 4. Rang, der Abstand zu Tabellenführer Barca beträgt jedoch nur einen Zähler. Ein Sieg am Freitag gegen Leganes und man hat, mindestens für eine Nacht, den Platz an der Sonne inne. Was steckt hinter dieser außergewöhnlichen Konstellation?
Alaves könnte die Tabellenführung übernehmen
Platz | Team | Sp. | Tore | Diff | Pkt. |
1. | FC Barcelona | 12 | 34:18 | 16 | 24 |
2. | FC Sevilla | 12 | 24:14 | 10 | 23 |
3. | Atlético Madrid | 12 | 16:8 | 8 | 23 |
4. | Deportivo Alaves | 12 | 17:12 | 5 | 23 |
5. | Espanyol Barcelona | 12 | 16:10 | 6 | 21 |
6. | Real Madrid | 12 | 20:16 | 4 | 20 |
Calleri und Guidetti als "Stars" der Mannschaft
In der Mannschaft aus dem Baskenland sucht man vergeblich nach Stars. Spieler, denen man das Attribut "berühmt" zumindest mit Wohlwollen verleihen kann, sind die Stürmer John Guidetti und Jonathan Calleri.
Der Erstgennante kam vor der Saison für vier Millionen Euro Ablöse von Celta Vigo und ist damit der teuerste Transfer der Babazorros überhaupt. Der Schwede ist jedoch eher wegen seiner schillernden Vergangenheit als Top-Talent bei Manchester City bekannt, bei Alaves sitzt er zumeist auf der Bank, getroffen hat er bei seinen 273 Einsatzminuten in LaLiga noch nicht. Ob er der Mannschaft langfristig weiterhelfen kann, daran gibt es berechtigte Zweifel.
Also ein Blick auf den anderen Angreifer, der ebenfalls erst vor dieser Spielzeit gekommen ist: Calleri hat Alaves für ein Jahr von Maldonado aus der zweiten Liga Uruguays ausgeliehen. Das klingt unspektakulär, der 25-Jährige spielte aber bereits wesentlich höherklassig, zum Beispiel bei West Ham United. Er ist bei den Basken gesetzt, steht bei drei Treffern und ist damit Top-Torschütze des Klubs.
Abelardo: Tränenreicher Abschied aus Gijon
Nach zwölf Partien mit drei Toren Toptorschütze? Viel los ist im Angriff von Alaves nicht, man hat nur halb so oft in das gegnerische Gehäuse getroffen wie Barcelona. Das Erfolgsgeheimnis muss woanders gesucht werden, in der Defensive wird man dabei aber auch nicht fündig. Zwölf Gegentore bis dato sind zwar gut, aber nicht weiter erwähnenswert im Vergleich zur Abwehrarbeit anderer Vereine im oberen Tabellendrittel.
Dann eben ein Blick auf den Trainer, und langsam beginnt man zu begreifen, warum die Truppe sich beharrlich nach oben gearbeitet hat. Der ehemalige spanische Nationalspieler Abelardo steht bei den Basken an der Seitenlinie, er hat das Traineramt im Dezember 2017 übernommen und den damals akut abstiegsbedrohten Klub dann noch auf Rang zwölf geführt.
Wenn man verstehen will, wie der 38-Jährige tickt, muss man sich seine Entlassung beim vorherigen Klub Sporting Gijon anschauen. Wobei Entlassung hier wohl das falsche Wort ist. Bei der Abschieds-Pressekonferenz brach Abelardo in Tränen aus, richtete sich mit einzigartigen Worten an Verein und Fans: "Ich weine für die Menschen hier, für diesen Klub und die Fans, die ich so sehr liebe."
Er lehnte eine Abfindung in Höhe von vier Millionen Euro ab, damit sein verschuldeter Herzensklub einen neuen Trainer verpflichten konnte. "Für mich ist es kein Problem, dieses Geld liegen zu lassen. Das Gleiche habe ich auch schon bei anderen Klubs getan. Es gibt wichtigere Dinge. Die Loyalität zu meinem Klub ist wichtiger als alles andere", gewährte er einen Einblick in sein Seelenleben.
Vorbei an Barcelona: Wird und bleibt Alaves Tabellenführer?
Für Abelardo sind Loyalität und Verbundenheit wichtiger als ein schnörkel- und fehlerloses Spiel. Das spiegelt sich nun auch bei Alaves wieder, das definitiv nicht den zuschauerfreundlichsten Fußball zeigt. Aber man kämpft bis zur letzten Minute mit allem für den Klub und den Sieg, ist vor allem spät in der Partie gefährlich. Nicht umsonst gelang der Coup gegen das große Real Madrid durch ein Tor in der 90. Minute.
Nur einen der bisherigen sieben Ligasiege holte man mit mehr als einem Tor Vorsprung. Zudem gerät man meist in Rückstand, kämpft sich dann aber wie zuletzt gegen Huesca und Villarreal in Halbzeit zwei zurück.
Mit dieser Hingabe und der Fähigkeit, Rückschläge wegzustecken, will man nun auch Leganes schlagen, das derzeit auf dem 18. Rang liegt. Möglich ist die Tabellenführung für die Basken also allemal. Wenn sich am Samstag dann auch noch Atletico Madrid und Barcelona Unentschieden trennen und am Sonntag Sevilla nicht gewinnt, ist man die Woche über ganz oben.
Dann wäre man bei Deportivo Alaves endgültig im Ausnahmezustand angekommen, mit einem Trainer, der vorlebt, was Loyalität bedeutet und was man damit erreichen kann. Weinen muss Abelardo dann zum Glück nicht, zumindest nicht aus Trauer.