Als Carles Puyol noch nicht lange in der ersten Mannschaft des FC Barcelona war, rief ihn sein damaliger Trainer Louis van Gaal in sein Büro. Der Grund: Puyols Haare. "Was ist dein Problem? Kannst du dir keinen Friseur leisten?", fragte der Coach den Nachwuchsspieler.
Aber Puyol schwieg einfach. Weder widersprach er dem Trainer, noch gab er kleinlaut bei. Allerdings schwor er sich an diesem Tag seine Frisur niemals zu ändern und das ist bis heute so geblieben: "Ich liebe meine Haare. Und es ist sicher eine Sache, die mich im Vergleich zu anderen Spielern auf den ersten Blick erkennbar macht."
Das war Puyol! Er kümmerte sich nicht um Konventionen, sondern genoss es, anders zu sein. Diese Attitüde übertrug er auch nur allzu gerne auf den Platz.
Carles Puyols unkonventioneller Spielstil als Ergänzung zum Tiki-Taka
Denn während seine Mannschaften das Kurzpassspiel, das Tiki-Taka, perfektionierten, setzte Puyol auf dem Spielfeld andere Akzente: Zweikampfbetont, aufopferungsvoll, direkt. Doch damit machte er sein Barcelona umso stärker. Er gab dem Passspiel die Sicherheit und hielt Xavi, Iniesta und Messi den Rücken frei.
"Ob als Trainer oder Spieler habe ich selten einen Spieler gesehen, der im Eins-gegen-eins so stark ist wie er", erklärte sein ehemaliger Trainer Frank Rijkaard einst. Die Fans verliehen ihm deshalb den Spitznahmen "El tiburon", auf Deutsch etwa "Der Hai".
Trotz der harten Spielweise war Puyol nie ein unfairer Akteur. In fünfzehn Jahren erhielt er als Innenverteidiger nur drei Platzverweise in fast 600 Spielen. Vielmehr zeigte er sich stets als Musterbeispiel für Fairness. Als ihm der Mallorca-Spieler Sergio Ballesteros 2005 eine Ohrfeige verpasste und Puyols Teamkollege Ronaldinho sofort auf diesen losstürmen wollte, hielt Puyol ihn zurück. Kein Drama, keine Allüren.
Carles Puyol: Leistungsdaten und Platzverweise bei Barcelona
Wetbewerb | Spiele | Platzverweise |
Primera Division | 393 | 2 |
Spanische Pokalwettbewerbe | 64 | - |
Europäische Pokalwettbewerbe | 137 | 1 |
Carles Puyol menschlich ein wahre Größe
"Er ist für alle so etwas wie eine Vaterfigur. Er hat Führungsqualitäten, aber auch etwas von einem Rebellen an sich", beschrieb Gerard Pique seinen ehemaligen Kollegen: "Gerade wenn es nicht so läuft und wenn der eine oder andere vielleicht den Kopf hängen lässt, dann ist er da und rüttelt alle wieder wach und pusht uns."
Sein großes Herz bewies Puyol im Champions-League-Finale 2011 gegen Manchester United. Puyol überreichte nach Schlusspfiff seine Kapitänsbinde umgehend an Eric Abidal, der gerade erst von einer Lebertransplantation genesen war und im Finale sein erstes Spiel über 90 Minuten absolviert hatte. So durfte Abidal als Triumph über seine Krankheit den Pokal entgegen nehmen und den Pott als erster in den Nachthimmel von London stemmen.
Puyols langer Weg zum FC Barcelona
Fair, bodenständig, herzlich - diese Adjektive kommen nicht von ungefähr. Puyol wuchs in einem katalanischen Bergdorf auf und interessierte sich zunächst viel mehr für Traktoren und Landarbeit. Als er mit dem Fußball begann, wollte er zunächst Torwart werden, um dort die Drecksarbeit zu verrichten, aber sein Arzt riet ihm davon ab: Auf den Betonplätzen seiner Heimat würde er sich die Knochen ruinieren.
Also probierte es der junge Puyol als Feldspieler. Mit 17 Jahren schaffte er es schließlich in Barcas berühmte Nachwuchsakademie La Masia. Dort gelang es ihm nur schwerlich sich durchzusetzen, aber sein Wille half ihm dabei. "Kann sein, dass der Junge viel weniger Talent besitzt als andere, aber was er können muss, wird er schon erlernen. Ich habe noch nie einen erlebt, der solchen Ehrgeiz hatte, dazuzulernen", erinnerte sich sein Jugendtrainer Oriol Tort.
Dass es Puyol schließlich in die erste Mannschaft schaffte, war auch dem Glück geschuldet. Schließlich spielte er 1998 noch in der dritten Mannschaft und sollte bereits verkauft werden: "Ich war richtig schlecht", erinnerte sich Puyol. Ein ausgedünnter Kader erlaubte ihm dann doch die Teilnahme am Training und Trainer van Gaal zeigte sich vom Kämpferherz des Katalanen beeindruckt.
Der Aufstieg zu einem absoluten Star
Fortan wurde er eine wichtige Stütze in Barcas Defensivreihe, zunächst noch als Außenverteidiger, später in der Innenverteidigung. Die Nominierung für die spanische Auswahl sollte nicht lange auf sich warten.
Der sympathische Lockenkopf wurde zum Anführer, zur Seele beider Mannschaften. Sowohl Spanien als auch der FC Barcelona entwickelten sich parallel zu Puyols Aufstieg zu den dominierenden Mannschaften im Weltfußball, sodass der in seiner Karriere alles gewann, was es als Fußballer zu gewinnen gibt.
Dass Puyol nicht nur sportlich ein Gewinner war, zeigte die Reaktion auf sein Karrierende im Mai 2014. Teamkollege Xavi fing vor laufenden Kameras an zu weinen und war kaum zu trösten. Er hatte einen Teamkollegen verloren und auch "einen sehr guten Freund" - Barca verlor nicht nur auf dem Platz eine große Persönlichkeit.
Nach dem FC Barcelona: Hat Puyol seine Berufung gefunden?
Eine anschließende Anstellung im Management des Vereins war nur von kurzer Dauer. Nach dreieinhalb Monaten als Assistent von Sportdirektor Andoni Zubizarreta trennte sich der Klub plötzlich von diesem und Puyol ging mit ihm.
Auch wenn er nichts für die von Zubizarreta verursachte Transfersperre konnte, er blieb ein Teamplayer. Puyol erklärte damals: "Ich habe viel gelernt und bin dankbar, doch nun will ich aus einer anderen Perspektive an einem anderen Ort andere Dinge erleben."
Und diese andere Perspektive scheint er gefunden zu haben. Mittlerweile ist er Spielerberater von seinem ehemaligen Mitspieler Marc Bartra. "Puyol hat mir immer wieder Ratschläge gegeben. Er ist derjenige, der mir am meisten in Sachen Fußball beigebracht hat", erklärte Bartra Puyols Qualitäten.
Es scheint ein Job zu sein, der optimal zu Puyol passt. Schließlich kann er dort das ausüben, was ihm am meisten liegt: Spieler prägen, motivieren und ihnen menschlich zur Seite stehen.