Der 23. April 2017 wird wohl noch vielen Fans von Real Madrid lange im Gedächtnis bleiben. Es ist der Tag, des bis dato letzten Liga-Duells zwischen den Königlichen und dem FC Barcelona - und der Tag, an dem Lionel Messi ein ganzes Stadion zum Schweigen brachte.
Der FC Barcelona hat in der Primera Division zu diesem Zeitpunkt bereits drei Punkte Rückstand auf Real. Eine Niederlage würde die Vorentscheidung im Kampf um die Meisterschaft bedeuten und auch ein Remis wäre für die Katalanen eigentlich zu wenig. Doch in der 92. Minute taucht Lionel Messi nach einem Bilderbuchkonter an der Sechzehnerkante auf und trifft mit chirurgischer Präzision zum 3:2.
Ein Treffer, der bezeichnend ist für Messis Spielstil: Schleichend, zwischen gefühlter Teilnahmslosigkeit und technischer Magie, und urplötzlich tödlich. Ein Treffer, der das Titelrennen am 33. Spieltag wieder neu eröffnete. Für Messi war es sein 500. Pflichtspieltor im Trikot des FC Barcelona - eine historische Marke.
Messi und die Pose des Toreros
Ebenso historisch wie provokant sein Jubel: Messis Pose als "Torero" mit dem Trikot in den Händen vor der Tribüne der Real-Fans hat sich nicht nur beim königlichen Anhang eingebrannt, sondern auch bei seinem Dauerrivalen Cristiano Ronaldo, der Messis Provokation vier Monate später im Supercopa-Finale auf gleiche Weise erwiderte.
Das letzte Liga-Aufeinandertreffen, als Barca dem vorzeitigen K.o. im Kampf um die Meisterschaft in letzter Sekunde entkam, war für viele Beobachter einer der spektakulärsten Clasicos der jüngeren Historie, wenngleich sein Ausgang letztendlich nichts mehr am Titelgewinn der Blancos änderte.
Real gegen Barca: (K)eine Vorentscheidung
Auf den Tag genau acht Monate später sind die Vorzeichen nun komplett umgekehrt: Zwischen Barca und Real liegen zumindest mit Blick auf die Tabelle Welten. Elf Punkte Vorsprung haben die Katalanen bereits auf die Königlichen. Der 237. Clasico ist für Real ein Spiel unter anderen Umständen. Ein Spiel mit dem Rücken zur Wand, auch wenn das keiner der Protagonisten bei Pressegesprächen im Vorfeld der Partie so richtig zugeben wollte.
So verwies Toni Kroos beispielsweise gegenüber der Bild darauf, dass die Saison noch lang und man doch noch in Schlagdistanz sei: "Um das Titelrennen offen zu halten, sollten wir aber die Partie gewinnen." Nur ein My deutlicher wurde Kapitän Sergio Ramos, der seine Mannschaft in die Pflicht nahm, zu gewinnen. Sie alle versuchen dem anstehenden Clasico bezüglich einer Vorentscheidung so wenig Bedeutung wie möglich beizumessen, auch wenn das mannschaftsintern sicherlich anders thematisiert wird.
Aus Sicht der Katalanen sind zurückhaltende Äußerungen allerdings durchaus nachvollziehbar, schließlich sind die Königlichen aktuell nicht der schärfste Konkurrent in der Meisterschaft. Das ist Reals Stadtrivale Atletico mit sechs Zählern Rückstand. Daher ist es nicht unbedingt Understatement, wenn Andres Iniesta sagt, dass es schwierig sei, bezüglich des Clasicos von einer Entscheidung im Titelkampf zu sprechen.
Vor El Clasico: CR7 angeschlagen - Unsicherheitsfaktor Vermaelen
Wie groß die Hoffnung der Blancos sein darf, dort noch einmal ernsthaft eingreifen zu können, wird das Spiel am Samstag zeigen. Zwar geht Real zum ersten Mal überhaupt in dieser Saison mit Bestbesetzung und ohne Verletzungen in ein Spiel, doch wirft ausgerechnet der Fitnesszustand von Cristiano Ronaldo Fragen auf.
Nach einem Tritt des Ex-Kölners Pedro Geromel im Finale der FIFA Klub-WM trainierte CR7 in der Woche vor dem Showdown lediglich individuell und lange war unklar, mit welchem Handicap Ronaldo in das Duell mit den Katalanen gehen würde. Am Freitagmittag gab Zidane auf der Pressekonferenz allerdings Entwarnung: "Cristiano ist zu 100 Prozent fit für den Clasico."
Auch die Blaugrana konnte bei einem ihrer wichtigsten Spieler grünes Licht geben: Jordi Alba kehrte am Donnerstag ins Mannschaftstraining zurück und ist einsatzbereit. Allerdings hat Barca-Trainer Ernesto Valverde ein weitaus größeres Problem in der Innenverteidigung. Dort vertritt aktuell mit Thomas Vermaelen ein Ergänzungsspieler den langzeitverletzten Samuel Umtiti, der in drei Jahren beim FC Barcelona auf lediglich 15 Liga-Einsätze gekommen ist.
Mit Blick auf die individuelle Klasse der Real-Offensive, die eventuell das erste Mal seit dem 23. April wieder mit Bale, Benzema und Ronaldo aufwartet, ist das durchaus ein Sicherheitsrisiko, das Valverde in Ermangelung an Alternativen aber wohl eingehen muss.
Barca im Clasico: Das Bernabeu als zweites Wohnzimmer
Doch auch ohne Umtiti und mit Vermaelen läuft es beim FC Barcelona in dieser Saison. Keine einzige Niederlage mussten die Katalanen bislang wettbewerbsübergreifend hinnehmen. Ein Ausdruck der Dominanz, zu der die Blaugrana unter Valverde zurückgefunden hat. Eine Dominanz, die Barca gerade im Bernabeu in der jüngeren Vergangenheit ausgelebt hat.
Real gewann lediglich zwei der letzten neun Liga-Clasicos im eigenen Stadion und ging sechs Mal als Verlierer vom Platz. Doch das scheint angesichts der Vorzeichen vor dem Prestigeduell am Samstag kein schlechtes Omen zu sein, schließlich kam der FC Barcelona bei eben jenen zwei Siegen Reals als Tabellenführer ins Bernabeu.
Dahingehend wird auch der 237. Clasico nur der nächste Akt in einem ewigen Duell sein: Spanien gegen Katalonien, Messi gegen Ronaldo und einer steht mit dem Rücken zur Wand. Nur dieses Mal wird den Königlichen diese Rolle zuteil. Dass sie damit aber umzugehen wissen, stellten sie schon des Öfteren unter Beweis.