Wer es im Leben einfach haben will, der sollte sich nicht unbedingt Atletico Madrid als Lieblingsklub aussuchen. Auch wenn die Rojiblancos ihre schwierigsten Zeiten sicherlich hinter sich haben, zählt eine gewisse Bereitschaft für Leiden doch noch immer mit zum Anforderungsprofil.
Die beiden Niederlagen im Finale der Champions League gegen den Lokalrivalen. Das Scheitern im Halbfinale letzten Jahres, zuletzt drei Jahre in Folge auf Rang drei in der Liga. Die Registrierungssperre. Die Abgänge von Diego Costa oder Arda Turan, nun bald der Verlust von Theo Hernandez an Real.
So richtig strahlte die Sonne über dem Vicente Calderon schon lange nicht mehr, respektive dem Wanda Metropolitano - noch so eine der ungeliebten Geschichten bei den Rojiblancos. Hin und wieder reißt die Wolkendecke aber dann doch auf und lässt die warme Sonne hindurchscheinen.
Saul verlängert bis 2026
Nicht viele vermögen das. Diego Simeone kann es mit seiner unnachahmlichen Art, Antoine Griezmann mit manchem Treffer. Koke und Diego Godin vielleicht. Seit kurzem stößt ein weiteres Gesicht in diese Kategorie. Saul Niguez ist schon seit 2008 im Verein, die letzten zwei Jahre sammelte er Einsätze als Stammspieler.
Doch etwas ist anders in diesem Sommer. Simeones Verbleib wurde früh klar, Griezmann wurde schnell aus den Schlagzeilen verdrängt. Saul ist das bestimmende Thema der Rojiblancos. "Ich bin genau bei dem Klub, bei dem ich sein will und die Dinge werden sich nicht ändern", ließ der 22-Jährige verlauten.
Wenige Tage später unterschrieb er einen neuen Vertrag. Nicht irgendeinen wohlgemerkt, sondern einen Vertrag bis 2026. Neun Jahre sind nicht nur im Fußball eine lange Zeit. Erst im Mai 2016 war bis 2021 verlängert worden, etwas mehr als ein Jahr später setzt Saul schon wieder eine Unterschrift.
Barcelona hat Vorkaufsrecht bei Saul
Ein Zeichen an die Konkurrenz aus Barcelona und der eigenen Stadt. Real hat sich in der laufenden Transferperiode mit Theo schon eines der vielversprechenden Talente Atleticos geangelt, der Spieler gab obendrein auch noch an, schon immer für Real spielen zu wollen.
Saul hat die Zeit bei den Königlichen schon hinter sich. Nach zwei Jahren in der Jugendabteilung verabschiedete er sich. Später sprach er mit El Mundo über Mobbing durch seine Teamkameraden. Er zog weiter zu Atletico und fand dort sein Glück. Jahr für Jahr ging es nach oben, eine Leihe bei Rayo Vallecano brachte den Durchbruch.
Seit jenem Jahr ist man auch in Katalonien auf den Spieler aufmerksam geworden, erste Gerüchte begannen 2013. Das Interesse aus Barcelona wurde auch in diesem Sommer schnell abgelehnt. Die Katalanen fragten nicht ohne Grund an, halten sie doch weiterhin eine Vorkaufsklausel am Spanier.
Jorge Mendes hält Anteile an Transferrechten
Als Atletico einst David Villa von den Katalanen verpflichtete, garantierten sie Barca zwei Vorkaufsrechte. Sollte für Javier Manquillo oder eben Saul ein Angebot eingehen, hat der FC Barcelona immer eine gewisse Zeitspanne zur Verfügung, um die Offerte zu überbieten und selbst zuzuschlagen.
Der Villa-Transfer war nicht die erste Monetarisierung von Saul. Football Leaks veröffentlichte Dokumente mit dem Namen des jungen Spielers. Atletico, 2015 von einem enormen Schuldenberg belastet, verkaufte damals Rechte an über 20 Spielern an verschiedene Investoren.
Darunter auch Transferrechte von Saul. 40 Prozent gingen an das ominöse Unternehmen Quality Football, hinter dem unter anderem Spielerberater Jorge Mendes steckt. 150 Millionen Euro haben Atletico und Saul in ihrem neuen Vertrag als Ablösesumme festgeschrieben - das Unternehmen zahlte einst 1,5 Millionen Euro für seine Anteile.
Merkwürdige Familie, merkwürdiger Sohn
Wäre Saul also in diesem Sommer gewechselt, hätte sich der Klub nicht über allzu große Einnahmen freuen dürfen. Umso glücklicher dürften die Verantwortlichen sein, dass Saul von "einer Familie" sprach und ankündigte, sich für das Vertrauen vollumfänglich zu revanchieren.
Angesichts der finanziellen Verstrickungen eine merkwürdige Familie. Und auch ein wenig ein merkwürdiger Sohn, der seine Eltern doch nicht gerade leise um mehr Taschengeld bat: "Ich würde schon gerne ein bisschen mehr Geld verdienen, um meiner Familie besser helfen zu können."
Wer solche Aussagen im Rahmen einer U21-Europameisterschaft streut, weiß ganz genau, welche Auswirkungen sie haben können. Gerade in einem Sommer, in dem Atletico alles daran setzt, seine Stars beisammenzuhalten, ist die Möglichkeit einer Verstärkung doch nicht gegeben.
Neun Jahre bis 2026
Eine Familie im klassischen Sinne ist es also vielleicht nicht. In neun Jahren kann viel passieren, zum Vertragsende ist Saul bereits 31 Jahre alt. Er hat vermutliche zwei Weltmeisterschaften gespielt, die dritte steht kurz bevor. Ob er das alles noch als Spieler von Atletico getan hat?
Vielleicht hat er sich dann im Jahr 2026 auch zwei Kreuzbandrisse zugezogen und ist froh, dass der Weg von Couch zu Fernbedienung nicht mehr als einen Meter beträgt. Wünschen will man ihm es natürlich nicht, auszuschließen ist es aber auch nicht.
Saul war schon einmal nahe dran. 2015 prallte er mit Kyriakos Papadopoulos zusammen, später wurde ihm ein Nierenriss diagnostiziert. Blut im Urin, ein Katheter, starke Schmerzen. Aus Angst, das erarbeitete Standing in seiner Familie zu verlieren, spielte er zwei Jahre lang mit mit Schmerzmitteln.
Saul gefährdete sein Leben
Im Nachhinein spricht er davon, dass sich die Gefährdung seines Lebens mit 20 Jahren gelohnt hat. "Ich habe meine Gesundheit aufs Spiel gesetzt, um für Atletico zu spielen und meine Träume zu erfüllen", stellte er im Frühjahr fest. Ein Held, sagt der eine. Ein zu großes Risiko, sagt der andere.
Festzuhalten bleibt, dass Saul in diesen zwei Jahren zu einem der größten Talente im Mittelfeld gereift ist. Flexibel einsetzbar, torgefährlich, arbeitsam, technisch und taktisch nahezu einwandfrei. Trainer Simeone ist begeistert: "Saul hat alle Voraussetzungen, um zu den besten Mittelfeldspielern der Welt zu gehören."
Und er hat die Voraussetzungen, den Fans im Wanda Metropolitano ein Lächeln zu schenken. Sie werden ihn als Helden aufnehmen, jetzt mehr denn je. Es gilt eben: Wer es im Leben einfach haben will, der sollte sich nicht unbedingt Atletico Madrid als Lieblingsklub aussuchen.