"Es ist schwer, Totti zu verstehen"

Dr. Helge Riepenhof ist Mannschaftarzt bei der AS Rom
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SPOX: Welche Rolle spielt das Thema Doping in Ihrer Radsport-Vergangenheit?

Dr. Helge Riepenhof: Es gab bestimmt ganz schlimme Jahre, aber der Radsport hat sich gewandelt. Ich glaube das T-Mobile-Team war damals der Impuls, den Radsport zu verändern. Beim Umwälzen sind viele gedopte Fahrer aufgeflogen. In anderen Sportarten wurde das nicht so konsequent umgesetzt. So wurde der Radsport schneller saubergemacht. Damit behaupte ich nicht, dass kein Radfahrer gedopt ist, der Radsport hat jedoch im Vergleich zu anderen Sportarten den größten Schritt nach vorne gemacht. Der Sport ist lange nicht mehr so wie er es in den 90er Jahren noch war.

SPOX: Würden Sie sagen, dass das Thema Doping im Fußball genauso präsent ist, nur die Kontrollen etwas zu fahrlässig, zu inkonsequent durchgeführt werden?

Dr. Helge Riepenhof: Das Thema Doping ist in allen Sportarten präsent. Den Satz würde ich dennoch nicht unterschreiben. Die Kontrollen im Fußball sind lediglich anders. Beim Radsport wird sicher häufiger kontrolliert als im Fußball. Ein Radsportler hätte aber auch ganz andere Dopinginteressen. Natürlich ist in jeder Sportart eine Leistungssteigerung durch Doping möglich - von Golf bis zum Zumba. Im Fußball macht es aufgrund der Leistungsfaktoren aber weniger Sinn.

SPOX: Ist das Kontrollsystem im Fußball aufgrund dieser Annahme vielleicht etwas zu locker?

Dr. Helge Riepenhof: Es funktioniert immer besser. Vor allem, weil die UEFA nun auch anfängt, mit den nationalen Anti-Doping-Agenturen zu arbeiten. Man sieht in allen Sportarten eine positive Entwicklung, nicht, weil mehr getestet wird, sondern weil die Organisationen hinter den Tests endlich zusammenarbeiten und spezifischer kontrollieren. Auch in Italien funktioniert das langsam, aber mittlerweile auch ganz gut.

SPOX: Stichwort Italien. Sie arbeiteten vor Ihrem Engagement beim AS Rom bereits von 2012 bis 2014 als Head of Sports Medicine and Science beim englischen Zweitligisten Brighton & Hove Albion. Wieso zog es Sie schon damals ins Ausland?

Dr. Helge Riepenhof: Das liegt auch ein bisschen an den Strukturen in Deutschland. In der Bundesliga haben die Vereine keinen festangestellten Arzt oder zumindest eine Kooperation, die es dem Arzt ermöglicht, jeden Tag vor Ort zu arbeiten. Das funktioniert auch, ist allerdings ein Anspruch, den Vereine außerhalb von Deutschland nicht unbedingt haben, in Spanien, England und Italien schon mal ganz und gar nicht. Ich bevorzuge dieses Modell. Denn in einer Praxis zu arbeiten und nebenher im Verein funktioniert nur bedingt. Das kommt für mich nicht in Frage.

SPOX: Wie kamen Sie zur AS Rom?

Dr. Helge Riepenhof: Wir haben in England einen ganz guten Job gemacht. Ich habe dann Kreuzbanduntersuchungen durchgeführt, gerade was Return-to-Play und Return-to-Competition betrifft, und während der Zeit gab es immer wieder Einzelfälle hier in Rom, zu denen ein paar Mal nach meiner Meinung gefragt wurde. Durch den Konditions- und Rehatrainer Darcy Norman, der auch schon bei der US-Nationalmannschaft und beim FC Bayern München tätig war und mit dem ich schon zuvor zusammengearbeitet habe, kam dann der Verein auf mich zu.

SPOX: Nun ist die AS Rom ein Verein mit einer großen Historie. Welche Rolle spielt der sportliche Erfolg Ihres Teams für Sie?

Dr. Helge Riepenhof: Eine große. Wir wollen auf jeden Fall in der Champions League spielen, haben es leider aber nicht geschafft. Wir sind gegen Porto in der Qualifikation gescheitert, das ärgert einen schon. Mein großes Interesse war eben nach den Jahren in Brighton für eine Mannschaft zu arbeiten, die international auf höchstem Niveau spielt. Denn es macht die ärztliche Mitarbeit reizvoll und effektiv, wenn die Spieler wirklich jeden dritten Tag spielen müssen. Und Champions League macht man natürlich lieber als Europa League.

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SPOX: Wäre das Ausbleiben von Erfolg oder Titeln mittelfristig ein Grund für Sie, Rom zu verlassen?

Dr. Helge Riepenhof: Das Ausbleiben des Erfolgs eher nicht. Die Projekte sind das Spannende, wenn der Klub etwas verändern und vorantreiben möchte. Das ist für mich ein Grund hierzubleiben. Ehe dieser Modernisierungsprozess nicht abgeschlossen ist, werde ich den Verein nicht verlassen - egal wie erfolgreich die Mannschaft ist.

SPOX: Einer, der nicht mehr vom Klub wegzudenken ist, wurde vor kurzem 40 Jahre alt: Francesco Totti. Im Interview anlässlich seines Geburtstages sagte er, dass der wichtigste Grund für seine Fitness die Leidenschaft zum Sport sei - eine sehr romantische Antwort. Welche Faktoren machen Totti Ihrer Meinung nach zur Ausnahme?

Dr. Helge Riepenhof: Auch mit geringerer Laufleistung und weniger intensivem Körperkontakt kann er die Spiele bestimmen. Er hat ein unglaublich gutes Auge dafür, wo es sich lohnt, in den Zweikampf zu gehen. Er ist einfach extrem intelligent. Mittlerweile dosieren wir seine Einsatzzeiten ganz gut, was bei älteren Spielern manchmal nicht ganz einfach ist. Es läuft gut, er spielt regelmäßig, regeneriert gut und hat ein gutes Gefühl, wann er wie intensiv trainieren kann. Das kombiniert mit seiner Qualität hilft ihm dabei, sehr fit und hoffentlich verletzungsfrei zu bleiben.

SPOX: Welche Gedanken gingen Ihnen durch den Kopf, als Sie Totti das erste Mal auf Ihrer Liege hatten?

Dr. Helge Riepenhof: Nichts Besonderes. Es ist nur schwer, ihn zu verstehen. Wir versuchen ja italienisch zu sprechen und er ist als Römer mit seinem Dialekt schon ausgesprochen schwer zu verstehen. Dementsprechend waren meine Gedanken eher: 'Was hat er jetzt gesagt?'

SPOX: Er erfährt als Klub-Ikone keine Sonderbehandlung?

Dr. Helge Riepenhof: Er ist der Kapitän, natürlich hört man ihm zu, dennoch ist er einer von vielen. Er ist ein Teil der Gruppe und integriert sich auch sehr gut. Aber im Grunde wird jeder gleichbehandelt. Da ist es egal, ob das ein Totti ist oder ein 20-jähriger Nachwuchsspieler.

SPOX: Die Ernährung eines Athleten spielt in Ihren Überlegungen zur Leistungssteigerung eine wichtige Rolle. Totti erzählte einem Facebook-Fan, dass ihn seine Mutter als Kind mit Gnocchi und Lasagne verwöhnt hat. Ist es schwer, dem klischee-beladenen Genuss-Italiener das Bewusstsein für richtige Ernährung nahezubringen?

Dr. Helge Riepenhof: (lacht) Ja, es ist schwer. Aber es ist gar nicht so schlimm, dass sie ihr eigenes Essen mögen. Pasta ist ja gar nicht verkehrt. Auch mit den richtigen Mengen klappt das schon ganz gut. Die größte Veränderung ist das Frühstück. Das klassische italienische Frühstück ist ja ein Espresso im Stehen und ein Croissant oder Ähnliches. Wir haben natürlich das Schweizer-Deutsche Frühstück hier eingeführt und mittlerweile finden das alle super.

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