Das Italienische wimmelt nur so von Sprichwörtern. Eines davon lautet: Con la pazienza si vince tutto. Zu Deutsch: Mit Geduld schafft man alles. Juventus hat es sich in den vergangenen Monaten zu eigen gemacht.
Ohne Pauken und Trompeten, dafür mit einer beispiellosen Selbstverständlichkeit hat sich der italienische Rekordmeister in der Serie A TIM auf Platz zwei zurückgekämpft - der Rückstand auf Tabellenführer Napoli beträgt nur noch zwei Zähler. Die aktuelle Statistik: Aus den letzten 14 Pflichtspielen hieß der Sieger zuletzt 13-mal Juve. Mit nunmehr elf Ligasiegen in Folge steht die Alte Dame vor der Einstellung des Klubrekords (12).
Während in den Medien häufig nur der Name Paul Pogba fällt, wird das aktuell so starke Konstrukt jedoch vom Kollektiv getragen. Einen erheblichen Anteil am Erfolg haben die Dienstältesten und die neue Achse im Zentrum: Sie ist ganz einfach typisch Juve.
Wegbruch der zentralen Achse
Noch im Herbst war die italienische Presse gezeichnet von großen Sorgenfalten ob der historisch kriselnden Juve. Aus den ersten acht Ligaspielen gab es nur zwei Siege, Platz 14 in der Tabelle war die Konsequenz.
Der Zusammenhang mit den Abgängen der drei Leistungsträger Arturo Vidal, Carlos Tevez und natürlich Andrea Pirlo war erheblich: Den Bianconeri war im Sommer ihre zentrale Achse weggebrochen. Die nationale Presse titelte: "Juventus hat sein Herz verloren."
Während sich die Medien in Diskussionen und Kritik überschlugen, blieb man im Verein unaufgeregt. Juve besinnte sich auf die Eigenschaft, die man dem Verein in der Historie schon immer als Stärke auslegte: Ruhe.
Routiniers füllen das Vakuum
Trotz des Verlusts der wichtigen Stützen, die nicht nur spielerisch, sondern auch charakterlich großen Einfluss auf das Team hatten, blieben Juve in Gianluigi Buffon, Giorgio Chiellini und Claudio Marchisio wichtige Routiniers. In ihrer Funktion als Identifikationsfiguren spielten sie den vermutlich wichtigsten Part beim sportlichen Turnaround.
Auch wenn das personelle Vakuum auf dem Papier mit den Verpflichtungen von Mario Mandzukic, Sami Khedira und dem derzeit überragenden Paulo Dybala gestopft wurde, die Integrität der Mannschaft stellte erst der Kern selbst wieder her.
Denn sowohl die Neuzugänge als auch die Jungen um Pogba und Alvaro Morata schickten sich an, den Umbruch zu hastig und übereifrig anzugehen. Vor allem Buffon und Marchisio machten klar: Ciò che presto nasce presto muore - Was schnell entsteht, vergeht schnell.
Jeder findet seine Rolle
Das Team sollte Recht behalten. Die Verletzten um Khedira kehrten zurück, die Talente fanden sich geduldig in der Mannschaft ein und auch die Champions League, in der es - noch angetrieben vom Erfolg des Vorjahres - viel besser lief als in der Liga, schenkte Juve zunehmend Selbstvertrauen.
Khedira flickte zusammen mit Marchisio das fragile Mittelfeld, Dybala entwickelte sich - deutlich schneller als es die Verantwortlichen bei Juve wohl selbst erwartet hätten - zu einer Offensivwaffe, die dank seiner Agilität und Technik für den Gegner nur ganz schwer zu greifen ist. Dybala ist hinsichtlich seiner Position kaum zu kategorisieren, offensiv schulterte er zuletzt fast das gesamte Team.Und dann ist da noch die Personalie Pogba. Der 22-Jährige bewies, dass er entgegen aller Kritik schon gefestigter ist als es ihm viele zugetraut hatten. Die Hinrunde zeigte deutlich, dass der Franzose im vergangenen Jahr wohl wie kein anderer von Pirlos Präsenz profitierte.
In Sachen Charisma und Geradlinigkeit hat Pogba sichtlich den nächsten Schritt gemacht, was gerade auf einer solch komplexen Position wie im zentralen Mittelfeld von seiner großen Qualität zeugt. Auch er erkannte schnell, worin der Erfolg begründet lag: "Mit Pirlo, Tevez und Vidal konnten wir uns immer auf individuelle Momente verlassen, um die Spiel zu entscheiden. Jetzt spielen wir mehr als Team."
Allegri setzt das Mosaik zusammen
Neben der Mannschaft, die immer den Zusammenhalt schwor, kommt auch Coach Massimiliano Allegri eine nicht unbedeutende Rolle zu. Während der Trainer es zuließ, dass das Team seinen eigenen Charakter weiterentwickelte, sorgte er zudem für die Ausgewogenheit der Elf, die auf dem Platz stand.
Denn so sehr der Teamgedanke den Kader eint, so unterschiedlich sind die Spieler dennoch in ihren Fähigkeiten. Allegri fand die richtige Mischung aus Erfahrung und Zuverlässigkeit, technischer Beschlagenheit und Spielern wie Mandzukic, die sich 90 Minuten lang aufreiben und dem Gegner in höchstem Maße unangenehm entgegenwirken.
Hinzu kommt, dass sich der Trainer auch taktisch weiterentwickelt hat. Während Allegri in der vergangen Saison bemüht war, sich vom 3-5-2 wegzubewegen, greift er in dieser Spielzeit wieder häufiger zur ehemaligen Spielphilosophie. Systemvariabilität ist das Schlagwort - Juve ist wieder anpassungsfähig.
Mit der Weisheit der Alten Dame
Auch wenn es im Februar in der Champions League gegen den FC Bayern geht, wird man sich auf diese Stärken besinnen und in zwei Spielen ein sehr schwer zu bespielender Gegner sein. Daran gibt es aktuell keine Zweifel.
Die Bianconeri sind ihrer Vereinsphilosophie treu geblieben. "Il rumore non fa bene, il bene non fa rumore" (Der Lärm tut nicht gut, das Gute macht keinen Lärm), heißt in dieser Saison der Schlüssel zum Erfolg.
Und so lässt sich auch die Metaphorik der Sprichwörter in Bezug auf Juventus Turin zu einem Ende bringen. Denn es gibt nicht wenige Leute, die in Italien die Empfehlung aussprechen: "Brauchst du einen Rat, frag deine Großmutter." Schließlich gilt die alte Dame als personifizierte Weisheit. Ein Mythos, den Juve aufrecht erhält.
Juventus Turin im Überblick