Julian Draxler im Interview: "Meine Freunde beim DFB-Team wissen, was ich bei PSG leiste"

Von Sabrina Belalmi
Julian Draxler (l.) spielt seit 2017 für PSG, seit 2018 unter Trainer Thomas Tuchel
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SPOX/Goal: Kommen wir zurück zu Ihnen: Bislang haben Sie 14 von 17 Ligaspielen absolviert. In Deutschland scheinen einige Menschen dennoch zu meinen, Sie hätten bei PSG keine wichtige Rolle inne. Wie nehmen Sie das wahr?

Draxler: Jedes Mal, wenn ich zur Nationalmannschaft komme, kann ich spüren, dass viele denken, ich würde bei PSG nicht viel spielen, sondern viel auf der Bank sitzen. Das interessiert mich aber nicht. Ich weiß, dass mir der Klub und der Trainer vertrauen. Das ist das Wichtigste für mich. Was in den Zeitungen steht, ist oft nicht so wichtig. Natürlich merke ich, dass viele Leute in Deutschland diesen Eindruck haben. Ich bin jetzt zwei Jahre in Paris und viele denken, ich würde nicht viel spielen. Ich verstehe das nicht, kann es aber nicht ändern. Ich muss es also akzeptieren und versuchen, auf dem Platz meine beste Leistung zu zeigen. Mehr kann ich nicht tun.

SPOX/Goal: Wenn Sie über dieses Gefühl bei der Nationalmannschaft sprechen, meinen Sie dann die Medien oder ihre Mitspieler?

Draxler: Ich meine die Medien. Wenn man sich die Zeit nimmt und auf die Statistiken schaut, mutet das natürlich seltsam an. Meine Freunde bei der Nationalmannschaft wissen aber, was ich bei PSG leiste. Das ist auch der Grund, warum mich alles andere nicht interessiert. Ich fokussiere mich nur auf meine Mitspieler und versuche, mein Bestes zu geben.

SPOX/Goal: Von welchem Mittelfeldspieler können Sie aktuell am meisten lernen?

Draxler: Da würde ich Marco Verratti nennen. Er ist ein brillanter Spieler ist, verliert nie den Ball. Neben ihm fühlt man sich extrem sicher. Aber es hängt auch immer vom Gegner ab und davon, wie wir spielen. Wenn wir gegen große Teams spielen, ist es manchmal besser, mit Marquinhos zu spielen und mich auf die Bank zu setzen. Manchmal spielt er dann mit Rabiot, der ebenfalls ein großartiger Spieler ist. Es ist für mich nicht so wichtig, es kommt auf das Spiel und den Gegner an. Wenn du zwei oder drei schlechte Spiele hintereinander machst, wirst du auf der Bank sitzen. Das ist normal bei großen Klubs. Wenn ich spiele, ist es mir relativ egal, mit wem. Aber für mich persönlich ist Marco Verratti ein ganz besonderer Spieler.

SPOX/Goal: Wie haben Sie es erlebt, als Tuchel Sie erstmals anstelle von Rabiot ins Mittelfeld beordert hat?

Draxler: Ich hatte auf diese Chance gewartet. Der Trainer hat schließlich entschieden, mich gegen Marseille in die Startelf zu stellen. Ich habe mein Bestes gegeben und ein Tor erzielt, dann ist es für einen Trainer natürlich schwer, mich wieder rauszunehmen. In unserem Team kämpft jeder um seinen Platz. Wir haben große Spieler und jeder denkt wahrscheinlich, er sei der Beste für eine bestimmte Position - mich eingeschlossen. Ich habe ein gesundes Selbstvertrauen und weiß, dass auch ich ein guter Spieler bin. Immer, wenn ich meine Chance bekomme, will ich den Fans im Stadion und dem Trainer zeigen, dass ich es verdient habe, zu spielen. Am Ende ist es aber immer der Trainer, der entscheidet, was das Beste für das Team ist.

SPOX/Goal: Ist der Konkurrenzkampf bei PSG besonders hart, weil Tuchel den Anspruch hat, viele Spieler einzusetzen und diesen teilweise auch eine Chance auf neuen Positionen zu geben?

Draxler: Heutzutage spielen wir über 60 Spiele pro Saison. Da braucht der Trainer mindestens 15 oder 16 Top-Spieler in seiner Mannschaft. Das ist bei allen großen Teams in Europa der Fall und das ist auch der Grund, warum wir auf vielen Positionen durchwechseln. Der Trainer versucht, für jeden Spieler eine neue Position zu finden, für mich ist das nichts Ungewöhnliches. Es ist auch normal, dass man nicht in jedem Spiel in der Startelf steht. Manchmal ist man erschöpft, verletzt oder hat nicht gut gespielt. Für mich ist das in einem solchen Team mit so vielen Stars normal. Natürlich gibt es zwei oder drei Spieler, die sehr, sehr wichtig sind, zum Beispiel Neymar oder Mbappe. Wenn sie in guter Verfassung sind, stehen sie in der Startelf, weil sie die ganz speziellen Momente kreieren können, wie es sonst nur bei wenigen Spielern der Fall ist. Ich mache mir keine Sorgen. Ich vertraue dem Trainer genauso wie er mir. Darum fühle ich mich sehr wohl.

Julian Draxlers Statistiken bei PSG (seit Sommer 2017)

WettbewerbSpieleToreAssists
Ligue 161119
Champions League1413
Coupe de France1143
Coupe de la Ligue421

SPOX/Goal: Eines der größten Probleme bei PSG waren die fehlenden Automatismen während des Spiels. Ist die Tatsache, dass Tuchel beinahe in jedem Spiel die Formation ändert, ein Nachteil bei der Bildung eines Kollektivs?

Draxler: Wenn man gegen Teams mit unterschiedlichen Taktiken und Formationen spielt, muss man selbst in der Lage sein, seine eigene Formation zu ändern. Manchmal spielen wir mit vier Verteidigern, dann wieder mit drei oder fünf. Das ist Teil des modernen Fußballs. Wenn man sich unsere bisherige Saisonbilanz anschaut, stellt man fest, dass wir noch kein Spiel in der Ligue 1 verloren haben. Nur in der Champions League in Liverpool mussten wir den Platz als Verlierer verlassen. Wir spielen bis jetzt eine sehr gute Saison. Für mich ist es nicht entscheidend, ob wir mit drei oder fünf Verteidigern spielen. Das Wichtigste ist, Spiele zu gewinnen. Ich habe nicht das Gefühl, dass wir kein richtiges Team sind oder dass wir nervös auf dem Platz agieren. Ich denke, wir haben großes Selbstvertrauen und ich hoffe, wir können so weitermachen.

SPOX/Goal: Es stört Sie also nicht, auf verschiedenen Positionen neben unterschiedlichen Mitspielern zu spielen?

Draxler: Nein. Manchmal ist es anders, mit Neymar, Mbappe oder Di Maria auf der linken Seite zu spielen. Aber wenn man ein intelligenter Spieler ist, weiß man, was die Mitspieler machen. Wenn Neymar spielt, gebe ich ihm den Ball und er versucht, drei oder vier Gegenspieler auszudribbeln. Wenn Di Maria links spielt, versuche ich ihn immer auf seinem linken Fuß anzuspielen, da sein rechter nicht so stark ist. Nochmal: Wenn man intelligente Spieler hat, spielt es keine Rolle, in welcher Formation man spielt.

SPOX/Goal: Es war ein schwieriges Jahr 2018 für die deutsche Nationalmannschaft. Was steckt hinter dem Straucheln? Ist es an der Zeit, einer neuen Generation eine Chance zu geben?

Draxler: Das Jahr der Nationalmannschaft war schrecklich. Wir haben viele Spiele verloren, eine miserable Weltmeisterschaft gespielt und hatten Probleme in der Mannschaft. Vor der WM gab es die Geschichten rund um Mesut Özil und die türkischstämmigen Spieler im Team. Es gab viele Dinge, die nicht gut gelaufen sind. Ich hoffe, dass wir mit der Qualifikation zur EM 2020 einen Neustart schaffen können, da wir auch in der Nations League nicht überzeugt haben und Letzter in der Gruppe geworden sind. Wir müssen jetzt eine neue Mannschaft aufbauen. Es ist aber auch wichtig, die Spieler zu respektieren, die schon lange dabei und jetzt 30 oder 31 Jahre alt sind. Gleichzeitig gilt es, auf die jungen Spieler keinen zu großen Druck aufzubauen. Ich vertraue dem Bundestrainer und hoffe, dass er einen guten Job machen wird.

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