Der FC Sion, US Palermo, Chievo Verona und gar noch die Wolverhampton Wanderers. Schweizer Super League, zweimal Mittelfeldtristesse der Serie A und englische Championship. Zweite Liga also.
Den Namen Mario Balotelli ernsthaft mit einem dieser Klubs in Verbindung zu bringen, das hätte vor einem Jahr noch niemand gewagt. Nicht einmal den wildesten Revolverblättern wäre das eingefallen. Balotelli, das enfant terrible, der Superstar, der Hochbegabte. Der, dessen bisherige Stationen sich so lesen: Inter Mailand, AC Milan, Manchester City, FC Liverpool.
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Doch in diesem Sommer 2016, in dem sich die Spitzenklubs die Spieler für irrsinnigere Summen als je zuvor gegenseitig zuschoben, in dem ein Paul Pogba mal eben für 105 Millionen die Seiten wechselte - da brachte man Balotelli mit Sion, Palermo, Chievo und den Wanderers in Verbindung. Und es waren nicht die Revolverblätter.
Am Ende wechselte der 26-Jährige nach Nizza in die Ligue 1. Auch ein Angebot aus der Bundesliga habe es gegeben, verriet sein Berater Mino Raiola.
Die nächste Bruchlandung. Der nächste Neustart. Die nächste Chance. Doch stellt sich die Frage: Was ist diese Chance noch wert?
Hauptsache weg
Fast 30 Millionen Euro zahlte Manchester City einst, als Balotelli bei Inter auf sich aufmerksam machte. Milan sicherte sich seine Dienste für 20 Millionen, für ebenso viel eiste Liverpool den Angreifer von den Rossoneri los.
Und jetzt? Verschenkt haben sie ihn. Trotz eines Ein-Jahres-Restvertrags bei Liverpool. Ablösefrei nach Nizza, Hauptsache weg. Vom protzenden Balotelli aus dem EM-Halbfinale 2012 ist nichts mehr übrig. Genauso wenig wie vom Glauben daran, dass der Angreifer seine Beine auf den Boden und die Karriere in ruhiges Fahrwasser bekommt.
Nun gut, in Nizza wird man darauf hoffen. Dort durfte Balotelli an seinem ersten Tag noch einmal die Hauptattraktion sein. Einen Zusammenschnitt seiner schönsten Tore, ein Video seiner ersten Schritte auf dem Trainingsplatz, seines ersten Tors in einem Trainingsspiel und eine Bilderstrecke über seinen ersten Tag beim OGC - all das teilte der Klub eifrig in den sozialen Medien. Und da war es gerade einmal Mittag.
Das dürfte ein wenig Balsam auf die Seele des Egomanen gewesen sein, der sich selbst eher mit einem Preisschild im dreistelligen Millionenbereich um den Hals sieht als in Nizza. Der erst vor einer Woche sich selbst auf dem Cover der Sports Illustrated auf Instagram veröffentlichte. "Der interessanteste Mann der Welt" stand da. Ein Artikel aus dem Jahr 2014.
Merci, merci, merci, merci
Es gibt unter einigen Fans noch diese leise Hoffnung, dass das alles doch noch klappt. Dass er es seinen Kritikern zeigt. Irgendwie. Und es gibt diesen gewissen Status unter den Fans, der Balotelli noch hat. Sonst würden sich nicht fast 300.000 Leute sein neuestes Video ansehen, auf dem er sich vor der Kulisse eines Feuerwerks in Nizza viermal mit überschaubarem Erfolg an der Aussprache des Wortes "merci" versucht.
Aber wer will Balotelli wirklich noch ernstnehmen? Es wird alt, es wird langweilig. Die ewig neuen Anläufe, die nur in Anekdoten und neuen größenwahnsinnigen Ansagen enden. "Hast du Balotellis Nummer? Ruf ihn an und sag ihm, wir brauchen einen Stürmer in Nizza", soll Jean-Pierre Rivere, Nizzas Präsident, nach dem vergangenen Spieltag gesagt haben. Und er hat ihn bekommen.
"Jetzt geht es um Alles oder Nichts. Mario ist 24 Jahre alt. Wenn es schief geht, hat er nicht mehr das Alibi seiner Jugend", waren die Worte von Mino Raiola, Balotellis Berater, zu dessen Dienstantritt bei den Reds. "Ich habe ihm gesagt: 'Du hast hier vier Jahre Vertrag und ich werde dich nicht wegschicken. Wenn du Liverpool verlässt, dann mit einem Marktwert von 60 oder 70 Millionen Euro. Oder du stirbst hier.'"
28 Spiele, vier Tore, eine erfolglose Leihe und eine Abschiebung später ist klar, welche der beiden Optionen eingetreten ist.
"Wenn er sich nicht reinhauen will..."
Natürlich wird es Nizza, dem Vorjahres-Vierten nicht gerecht, als Balotellis Tiefpunkt abgestempelt zu werden. Aber für dessen eigene Ansprüche dürfte sein neuer Arbeitgeber blanker Hohn sein.
Umkrempeln soll das enfant terrible jetzt ausgerechnet Lucien Favre. Ein Coach, der mit Querulanten so gar nichts anfangen kann und den Teamgedanken über alles stellt. Wie damals, als Luuk de Jong mit vielen Vorschusslorbeeren nach Gladbach kam - und der vermeintliche Stareinkauf ein Bankdasein fristete.
Es gibt keine Stars und jeder muss sich fügen. Das ist Favres Credo. Hört sich das nach einem geeigneten Umfeld an?
Sich in einem Team, dessen größte Namen Alassane Plea, Younes Belhanda, Vincent Koziello und Ricardo Pereira heißen, nicht für etwas Besseres zu halten? "Ich kenne ihn nicht persönlich. Aber wenn er läuft und den jungen Spielern helfen will, warum nicht?", hat Favre gesagt. Und: "Wenn er sich nicht reinhauen will, dann gibt es keine Chance."
Natürlich kann es sein, dass es jetzt klappt. Abseits des großen Rampenlichts, in Ruhe. Aber möglich ist vieles. Geht man nach den bisherigen Erfahrungswerten, könnte es auch sein, dass Nizza nur eine weitere Zwischenstation auf dem Weg nach unten ist.
Mario Balotelli im Steckbrief