Peter Krawietz vom FC Liverpool im Interview: "Klopps Tanz war wie Schmidtchen Schleicher mit den elastischen Beinen"

Peter Krawietz arbeitet seit vielen Jahren als Co-Trainer an der Seite von Jürgen Klopp.
© imago images / Pressefoto Baumann
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Gab es für Sie in dieser Saison noch andere Neuerungen dieser Art bei der Konkurrenz?

Krawietz: Ich sehe in erster Linie einige Mannschaften, die dabei sind, sich fußballerisch zu entwickeln. Was bei Chelsea im Laufe der Saison passiert ist, macht jetzt schon absehbar, dass das eine richtig gute Truppe wird. Auch bei Arsenal ist es trotz der schwierigen Spielzeit bereits erkennbar, dass sie künftig von der Arbeit unter Mikel Arteta profitieren werden. Oder Brighton: Dort steckte man zwar im Abstiegskampf, hat aber dennoch einen sehr fußballerisch orientierten Spielansatz gewählt. Wenn man als Trainer seinen Plan so konsequent durchzieht, auch wenn sich die Ergebnisse nicht auf Anhieb einstellen, finde ich das richtig cool.

Ähnliches gilt ja auch für Norwich City unter Daniel Farke, wenngleich die Canaries recht deutlich abgestiegen sind.

Krawietz: Richtig. Wie es dieser Verein jedoch geschafft hat, seiner fußballerischen Linie treu zu bleiben, der sie sich in der letzten Zweitligasaison verschrieben haben, ist wirklich sehr lobenswert. Sie haben das vor dem 1. Spieltag so angekündigt und es tatsächlich auch durchgezogen. Das wurde zwar nicht von tabellarischem Erfolg gekrönt, aber allein deshalb hoffe ich, dass sie genau davon in der nächsten Saison wieder profitieren, um auch die nötigen Ergebnisse einzufahren.

Apropos Innovation: Sie sagten im SPOX-Interview 2018 vor der Einführung des Videobeweises, Sie seien ein großer Fan davon. Wie fällt Ihre Bilanz nach einer Saison nun aus?

Krawietz: Ich bin großer Fan der richtigen Anwendung, genau. (lacht) Mittlerweile kann ich mir nicht mehr vorstellen, dieses Instrument nicht nutzen zu können. Ich glaube auch daran, dass es sich anhand der gesammelten auch ligenübergreifenden Erkenntnisse nach und nach weiter verbessert. Es gibt sicherlich keine Ideallösung, weil es immer um zu treffende Entscheidungen geht, die auch einmal zu seines Ungunsten ausfallen werden. Entscheidungen zu treffen bedeutet ja auch, anderer Ansicht zu sein - das werden wir nicht ausradieren können.

Das war sehr allgemein gesprochen. Wie zufrieden sind Sie mit der Anwendung des VAR speziell in England?

Krawietz: Das soll jetzt keine Schiedsrichterschelte werden, doch wenig überraschend haben die Referees hier versucht, einen englischen Weg zu finden. Um den Spielrhythmus nicht zu stören, will man unbedingt vermeiden, dass Entscheidungsfindungen zu lange dauern. Die grundsätzliche Intention daher verstehe ich komplett. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass es dann doch schlau wäre, den Monitor nicht nur aufzubauen, sondern ihn auch zu nutzen. Ich hoffe, dass man seitens der FA Erkenntnisse gesammelt hat und nun weiß, was man in Zukunft besser machen kann.

Lassen Sie uns zum Schluss noch einen Blick auf zwei Spieler werfen, deren Anteil an der starken Saison zwar gering ist, die künftig aber eine größere Rolle spielen könnten: Erst im Winter wurde Takumi Minamino aus Salzburg verpflichtet. Seitdem hat der Japaner zwölf Pflichtspiele absolviert. Wie beurteilen Sie seine bisherige Entwicklung?

Krawietz: Taki kam leicht angeschlagen zu uns und nach einem ersten Anpassungsprozess von sechs bis acht Wochen brach plötzlich diese Pandemie über uns hinein. Das war natürlich auch für ihn nicht leicht. Er besitzt aber eine wahnsinnig positive Ausstrahlung und ist ein ganz feiner Kerl mit einer herausragenden Einstellung. Er ist ein Spielertyp, der unserer Spielweise extrem gut zu Gesicht steht. Er bekommt wie jeder unserer Neuzugänge aber alle Zeit. Wir begleiten das auch sehr aktiv, damit er sich in die Gruppe integriert und in unseren Rhythmus hineinfindet.

Was macht Minamino als Spielertyp so besonders?

Krawietz: Er bringt alles mit. Gerade seine Aktionen in engen Räumen können wir sehr gut gebrauchen, da wir häufig den Ballbesitz dominieren und uns viel in und um des Gegners Strafraum aufhalten. Taki hat immer den Mitspieler im Blick, ist individuell aktiv und kann schnell kombinieren, so dass er in genau diesen Spielsituationen Lösungen finden kann.

Bereits im vergangenen Sommer kam der damals erst 16-jährige Harvey Elliott nach Liverpool. Er gilt als riesiges Talent und durfte auch schon einige Male bei den Profis ran. Wie sehen Sie ihn?

Krawietz: Harvey ist ein Mitglied unserer Fördergruppe von Top-Talenten um Curtis Jones, Neco Williams, Sepp van den Berg und Ki-Jana Hoever, die sich permanent im Umkreis der Profimannschaft bewegt. Diese Jungs werden vor allem von unserem Entwicklungscoach Vitor Matos, den wir Ende 2019 vom FC Porto verpflichtet haben, betreut. Wenn sie in die unmittelbaren Abläufe der Profis nicht eingebunden sind, bekommen sie Zusatzeinheiten, die sich an denen der ersten Mannschaft orientieren. Dadurch versuchen wir, sie an die Aufgaben in der ersten Mannschaft heranzuführen. Auf der einen Seite steht die körperliche Entwicklung und die Anpassung an die notwendigen Trainingsprozesse, auf der anderen schauen wir, dass wir ihnen genügend Spielpraxis und Wettkampferfahrung mitgeben.

Schätzen Sie Elliott als stark genug ein, um den Sprung zu schaffen?

Krawietz: Ja. Wir sind sehr optimistisch, dass wir seinen Weg erfolgreich begleiten können, damit er in absehbarer Zeit ein wertvolles Mitglied der Profimannschaft wird. Er hat einen tollen Charakter und bietet bereits jetzt ein tolles fußballerisches Paket. Vor allem das Fußball-Verständnis sprudelt ihm aus den Ohren.