Geschockt? Nein, so weit wollte Louis van Gaal nach dem desaströsen 0:4-Aus im Capital One Cup gegen Milton Keynes Dons dann doch nicht gehen. "Ich bin nicht geschockt, weil ich weiß, was im Fußball passieren kann. Ich denke, Milton Keynes hat sehr gut und sehr aggressiv gespielt, und sie hatten auch etwas Glück", lautete das Fazit des Niederländers.
Und tatsächlich: Als hätte er es geahnt, hatte sich van Gaal drei Tage zuvor mit einem Plädoyer an die eigenen Fans gewandt. "Ich wurde nicht eingestellt, um gefeuert zu werden. Ich wurde eingestellt, um ein Team aufzubauen. Das ist ein Prozess, und Prozesse brauchen Zeit", lautete die Kernaussage.
Und doch muss sich van Gaal nach dem denkbar schlechten Start mit einem Punkt aus den ersten beiden Ligaspielen und dem peinlichen Pokalaus unangenehme Fragen gefallen lassen.
Van Gaals System schon gescheitert?
Vorzugsweise hält sich dabei die Kritik an seinem System. Van Gaals 3-5-2-System, mit dem er mit den Niederlanden bei der WM in Brasilien noch den dritten Platz erreicht hat, funktioniert bislang überhaupt nicht. Viel zu anfällig wirkt die Defensive, Abwehrspieler patzen und aus dem Mittelfeld kommt zu wenig Unterstützung nach hinten.
So auch gegen Milton Keynes, als der Defensivverbund erneut eklatante Schwächen und Verunsicherungen offenbarte. So leistete sich Jonny Evans vor dem 0:1 einen katastrophalen Fehlpass im eigenen Strafraum, so dass Will Grigg nach einem Querpass nur noch einschieben musste. Auch beim 0:2 war Evans mit einem schlimmen Pass mitverantwortlich, während Benik Afobe beim 4:0 von drei peinlichen Abwehr-Versuchen der Red Devils nicht gestoppt werden konnte.
"Ich bin ein Trainer, der immer riskant spielt, denn ich will gewinnen. Ich wusste, dass es riskant wird, trotzdem änderte ich die Taktik in der Pause. Wir spielten dann Eins-gegen-Eins, auf dem ganzen Platz", erklärte van Gaal: "Dann kreierten wir viele Chancen, hatten aber kein Glück. Dann hatten wir wieder einen Fehler im Aufbau und es stand 0:2. Dann wurde es sehr schwierig, weil wir nicht mehr zurück auf die sichere Spielweise gehen konnten."
Individuelle Fehler
Von individuellen Fehlern, aufgrund derer United das Spiel aus der Hand gegeben hatte, sprach van Gaal primär. Doch auch das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass United, nach zunächst vielversprechender Anfangsphase mit einigen Torchancen durch Danny Welbeck, eine seiner schlechtesten Leistungen der letzten Jahre ablieferte und sich bis auf die Knochen blamierte.
Blamage für United im Liga-Pokal: Pokal-Aus gegen Drittligisten
"Wir hatten neun Verletzte und mussten zwei Mal innerhalb von 48 Stunden spielen. Deshalb konnte ich nicht die gleiche Mannschaft aufbieten wie am Sonntag. Daher musste ich in der zweiten Mannschaft und beim Nachwuchs schauen. So sind wir in das Spiel gegangen", betonte van Gaal. Trotzdem standen nach wie vor Profis wie David de Gea, Shinji Kagawa, Anderson, Javier Hernandez und Welbeck auf dem Platz.
Noch nicht mit dabei war der unmittelbar zuvor verpflichtete Angel di Maria. Der Argentinier, mit dessen Verpflichtung für 75 Millionen Euro United einen neuen Premier-League-Rekord aufgestellt hatte, soll auch die Systemfrage in Manchester klären: Van Gaal deutete bereits an, dass er jetzt womöglich auf ein 3-4-3 umstellt.
Dons-Coach "geschockt"
Natürlich bot der Außenseiter eine beherzte, aggressive Partie und machte United das Leben schwer. Die Tatsache, dass United allerdings einfachste Pässe nicht gelangen und ein Spielaufbau nicht existent schien, muss van Gaal aber zu denken geben - das sah sogar sein Gegenüber so.
"Ich bin etwas geschockt über das Ergebnis", verriet Dons-Coach Karl Robinson nach der Partie: "Ich denke, dass meine Spieler viel Lob für diesen Auftritt verdienen." Dem würde keiner wiedersprechen, doch klar ist auch, dass United keinen kleinen Anteil an dem Debakel hatte.
Van Gaals Forderung nach Zeit
"Ja, es ist sehr schwierig, wenn man als Trainer mit einer Heimniederlage gegen Swansea und einem Unentschieden gegen Sunderland startet, und dann im Pokal verliert", gab abschließend sogar der Niederländer zu.
Gebetsmühlenartig fügte er aber hinzu: "Es ist jetzt auch schwierig für die Fans, an die Philosophie von Louis van Gaal zu glauben. Aber das müssen sie, denn ich bin hier, um ein neues Team aufzubauen. Und das geht nicht innerhalb eines Monats."
Wieviel Zeit er dafür tatsächlich bekommt, wird sich zeigen. Fans und Umfeld sind nach der Vorsaison unter David Moyes zwar einiges gewohnt, doch allzu lange sollten die ersten Erfolgserlebnisse van Gaals, der seinen Wunschspieler jetzt erhalten hat, nicht mehr auf sich warten lassen.
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