Francesco Cocos besondere Geschichte: Pikante Fotos, Drogengerüchte, Karriereende mit 30

Von Chris Lugert
coco-1200

Francesco Coco galt einst als ein großes Talent und wurde mit Paolo Maldini verglichen. Doch seine Karriere lief in eine ganz andere Richtung.

Cookie-Einstellungen

An Fabio Grosso und die WM 2006 werden sich die deutschen Fußballfans nur mit Schmerzen zurückerinnern, wenn sie es tun müssen. Vermutlich tendieren die meisten dazu, diesen Moment zu verdrängen. Schließlich war es der italienische Linksverteidiger, der dem Sommermärchen 2006 die erhoffte Krönung in Form des WM-Titels verwehrte. Und Grosso war ja nicht nur der Held im Halbfinale, aus italienischer Sicht war sein Einsatz im Finale wohl mindestens ebenso wichtig. Denn er war es, der im Elfmeterschießen den letzten und entscheidenden Strafstoß verwandelte.

Francesco Coco denkt ebenfalls mit Wehmut an diesen Tag zurück. Nicht, weil der Italiener seinem Land eine Niederlage gewünscht hätte. Aber Coco hätte seinerseits jene Rolle einnehmen können, die Grosso schließlich zuteil wurde. Denn der damals 29-Jährige galt einige Jahre zuvor als kommender Star eben auf jener Position des linken Verteidigers. Doch als die Squadra Azzurra den WM-Pokal in den Nachthimmel von Berlin reckte, war seine Karriere nach vielen Verletzungen und Skandalen abseits des Platzes bereits in ihrer Endphase. "Oft denke ich an die WM 2006. Was hätte sein können. Das Leben besteht aus Momenten: Grosso spielte auf meinem Flügel, hin und wieder denke ich daran zurück", sagte Coco Jahre später.

Geboren in Paternò auf Sizilien, kam er bereits in jungen Jahren zur AC Mailand. Als Rechtsfuß spielte er meist auf dem linken Flügel, konnte aber auch in einem Dreierkettensystem die linke Seite beackern. Im modernen Fußball würde man von einem Schienenspieler sprechen, seine Qualitäten erinnerten damals bereits an Paolo Maldini, mit dem er später auch noch einige Jahre zusammenspielen sollte. Im August 1995 gab er als 18-Jähriger sein Profidebüt und strafte damit sogar seinen eigenen Trainer Fabio Capello Lügen. Denn als dieser Coco das erste Mal sah, sagte er ihm deutlich: "Wenn du Fußballprofi wirst, schneide ich mir die Haare ab." Und Coco antwortete ganz trocken: "Mister, halten Sie die Schere bereit."

Es folgte eine Umbruchphase nach den großen Erfolgen Mitte der 90er-Jahre, Coco wurde 1997 für ein Jahr nach Vicenza verliehen. Dort jedoch lief es nicht ganz optimal. Nach seiner Rückkehr zu Milan kam er in den ersten Spielen als Einwechselspieler zum Einsatz, im Derby gegen Inter verletzte er sich dann erstmals in seiner Karriere schwer. Kreuzbandriss, mehrere Monate Pause.

Francesco Coco: Die Sternstunde im Camp Nou

Doch Coco kam zurück, spielte ein Jahr auf Leihbasis in Turin und absolvierte nach seiner erneuten Rückkehr in der Saison 2000/01 seine beste Spielzeit im Milan-Trikot. Der Höhepunkt: Ein 2:0-Sieg beim FC Barcelona im Camp Nou, Coco traf selbst und bereitete das zweite Tor von Oliver Bierhoff vor. Damit wurde Milan zur ersten italienischen Mannschaft, die im Camp Nou gewann. Coco war mit seiner persönlichen Sternstunde am Höhepunkt angekommen.

"Ich habe alles geschafft", erinnerte er sich 2019 in einem Interview mit Gianluca Di Marzio. "Ich fühlte mich wie ein Familienmitglied. Ich war der letzte Absolvent aus dem Nachwuchs nach Albertini, der regelmäßig in der ersten Mannschaft zum Einsatz kam. Ich dachte, ich würde ein Leben lang bei den Rossoneri bleiben und sah mich bereits als Kapitän."

Doch im Sommer 2001 sorgten pikante Fotos für einen Skandal bei Milan. Paparazzi fotografierten Coco und einige seiner Freunde beim Sonnenbaden auf einem Boot vor den Balearen - splitternackt. Milans CEO Adriano Galliani wurde darüber informiert und zahlte, wie er später im Rahmen einer Gerichtsverhandlung verriet, der Fotoagentur 36 Millionen Lira, damit die Bilder vom Markt verschwinden. Umgerechnet waren das rund 18.000 Euro. Zudem musste sich Coco eine Standpauke über sein Privatleben anhören, obwohl dieser gar kein Problem mit den Fotos hatte.

"Ich habe mich mit meinen besten Freunden nackt auf einem Boot gesonnt. Nichts Sexuelles. Für mich hätten diese Fotos auch veröffentlicht werden können, da gab es nichts Kompromittierendes", hielt er fest. Doch sein Privatleben wurde in den folgenden Jahren immer wieder ein Thema. Seine Beziehungen zu Schauspielerinnen wie Manuela Arcuri oder Bekanntheiten aus der Unterhaltungswelt wie Samantha De Grenet und Francesca Lodo belegten die Titelseiten von Hochglanzmagazinen und der Fußballer ist oft der Star auf Partys.

coco-barca-1200
© imago images

Francesco Coco über Drogenvorwürfe: "Habe ich nie toleriert"

Richtig schwierig wurde es allerdings, als es Anschuldigungen beim Thema Drogen gab. Coco wurde Opfer von Verleumdungsvorwürfen, gegen die er sich aber stets wehrte. "Sie sagten, dass ich Drogen genommen habe, selbst wenn ich gespielt habe, aber ich habe Kokain nie angerührt. Ich war nie interessiert. Die Erziehung, die meine Mutter mir gegeben hat, hat mich immer von bestimmtem Mist ferngehalten", stellte er klar. Doch sein Ruf war beschädigt. "Ich musste bestimmt 1500 Anti-Doping-Tests machen, überraschende Haarproben, aber nie kam etwas heraus. Es brauchte nur eine Nacht, ein schönes Mädchen neben mir und automatisch war ich ein Junkie. Ich habe jede Gemeinheit akzeptiert, aber das habe ich nie toleriert", stellte er klar.

Sportlich entschied er sich 2001 zu einem Wechsel nach Barcelona, nachdem er sich mit dem neuen Milan-Trainer Fatih Terim bereits kurz nach dessen Ankunft überworfen hatte. Nach einem Jahr auf Leihbasis in Katalonien und einer für Italien schmerzhaften WM in Japan und Südkorea ging es für Coco weiter zu Inter. Nach einem guten Start begann im November 2003 eine lange Leidenszeit. Ein sehr starker Schmerz im linken Bein sollte operativ behoben werden.

"Das medizinische Personal schlug eine kleine Operation vor, um den Nerv zu lösen. Sie schätzten die Erholungszeit auf etwa 40 Tage. Ich war aber ein Jahr und drei Monate raus. Irgendetwas war schiefgelaufen", blickte er zurück. Zwar kämpfte er sich zurück und kam wieder in Form, dann allerdings zog er sich einen weiteren Kreuzbandriss zu. 2005 verließ er Inter auf Leihbasis, zunächst nach Livorno, dann zum FC Turin. Im September 2007 beendete er schließlich im Alter von 30 Jahren seine Karriere. "Niemand denkt an die Opfer, die gebracht werden, um ein bestimmtes Niveau zu erreichen. Wie viel Mühe es kostet, einen Traum zu verwirklichen. Denn das war Fußball für mich, auch wenn es später zu einem Albtraum wurde", sagte er.

Artikel und Videos zum Thema