Bradley Carnell im Interview: "Ich habe den ganzen Tag den BVB unter Klopp angeschaut"

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Bradley Carnell ist aktuell einer der spannendsten Trainer außerhalb Europas. Der ehemalige Bundesliga-Star wurde Anfang des Jahres als Coach des neu gegründeten MLS-Teams St. Louis City SC vorgestellt.

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Im Interview mit SPOX und GOAL lässt der 45-Jährige seine Karriere Revue passieren, verrät, warum Felix Magath und er wie Feuer und Wasser waren und wie er schon zu VfB-Zeiten eine ganz besondere Beziehung zu Ralf Rangnick aufbaute.

Außerdem erzählt der Südafrikaner vom Brainwash-Prozess eines Klubs, der auf der RB-Fußball-Philosophie basiert und gibt tiefe Einblicke in seine taktischen Vorstellungen als Trainer.

Herr Carnell, der VfB hat auf dramatischste Art und Weise die Klasse gehalten, wie emotional haben Sie es verfolgt?

Bradley Carnell: Ich habe sehr mitgefiebert und natürlich die Daumen gedrückt! Stuttgart und der VfB sind mein Zuhause außerhalb von Südafrika geworden. Ich hatte wunderschöne fünfeinhalb Jahre beim VfB. Ich kann mich noch so gut erinnern, wie ich als junger Kerl nach Stuttgart zum Probetraining gekommen bin. Zum Glück kannte ich am Anfang niemanden. Erst nach ein paar Wochen habe ich gemerkt: Hoppla, das sind ja alles Weltstars hier. Balakov, Soldo, Berthold. Ich bin damals nach Europa gekommen, weil ich mich dort pushen und testen wollte, ob ich das Zeug habe, in Europa Fuß zu fassen. Das war extrem aufregend. Ich bin dem VfB bis heute so dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe. Ich habe zu vielen Leuten noch Kontakt.

Sie waren ja damals zum ersten Mal weg aus Südafrika. Was war das Erste, was Sie in Stuttgart geliebt haben?

Carnell: (lacht) Käsespätzle. Ich muss sofort an Käsespätzle denken. Ich weiß noch, dass ich sofort zwei Kilo draufgepackt habe und zu mir gesagt habe: Hey, du musst aufhören, so viel Käsespätzle zu essen.

Sie haben schon ein paar der großen Namen angesprochen. Was war das für eine Truppe, in die Sie damals gekommen sind?

Carnell: Es waren viele coole Typen in dieser Mannschaft. Sreto Ristic und Kristijan Djordjevic haben mir im Probetraining sofort den Spitznamen "Pitbull" gegeben. Fredi Bobic ist nach wenigen Tagen schon zum Management gegangen und hat gesagt: Wenn ihr Bradley nicht fest verpflichtet, verstehe ich die Welt nicht mehr. Er hat sich für mich eingesetzt. Gerhard Poschner hat mich unter den Arm genommen und mir viel geholfen. Die Frau von Jens Todt ist mit mir zu IKEA gefahren, um Möbel zu kaufen. Alle haben sich total um mich gekümmert und nur ein paar Wochen später stand ich schon in meinem ersten Pflichtspiel für den VfB auf dem Platz. Das werde ich nie vergessen, da ist ein Traum in Erfüllung gegangen.

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Sie hatten in Ihrer Zeit beim VfB vor allem zu Ralf Rangnick eine besondere Beziehung. Woher kam das?

Carnell: Die Backnang-Connection. (lacht) Unter ihm hatte ich meine beste Zeit. Zwischen Ralf und mir hat es einfach gepasst - sowohl fußballerisch als auch menschlich. Wir haben die gleiche Sprache gesprochen. Vom Spielertyp war ich ja so ein Energiebündel, ein junger, dynamischer Spieler, der ohne Angst in die Zweikämpfe geht und marschiert. Diesen Spielertyp mochte Ralf sehr und ich habe instinktiv taktisch das gemacht, was er sich vorgestellt hat. Dazu kommt, dass Ralf Südafrika liebt. Er hat mir viele Wege geöffnet und mich in meiner Entwicklung entscheidend geprägt, als Mensch, als Spieler und später auch als Trainer. Die spezielle Bindung ist bis heute geblieben.

Sie haben als Linksverteidiger gespielt, dabei war Ihnen das anfangs gar nicht so recht.

Carnell: Das stimmt. Ich war am Anfang im Amateurbereich linker Flügelstürmer und habe viele Tore geschossen. Terry Paine, eine Southampton-Legende, war dann einer meiner ersten Trainer in Südafrika und hat mich auf die Linksverteidiger-Position gestellt. Meine erste Antwort war: Nein, das will ich glaube ich nicht. Ich will weiter nach vorne, ich war echt sauer. Aber er hat sich durchgesetzt und er hatte natürlich Recht. Er hat damals schon gesehen, wie wichtig ein moderner Fullback im Fußball sein kann. Heute wissen wir, dass erfolgreiche Mannschaften teilweise ihr Spiel über einen Fullback entwickeln und er ein ganz wichtiger Baustein ist. Das war früher noch nicht so. Zum Glück hat er mich da hingestellt. Wir müssen ja nur an Borna Sosa beim VfB denken, was ein überragender Wing Back er geworden ist. Er denkt nicht zweimal nach, ob er jetzt eine Flanke bringen soll oder nicht. Er hat ein sehr mutiges Entscheidungsverhalten, das gefällt mir sehr an ihm.

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Carnell: Magath? "Konnte es ihm nie recht machen"

Sie haben beim VfB auch unter Felix Magath gespielt. Das hat aber nicht so richtig gepasst. Warum nicht?

Carnell: Ich fand das Training von ihm eigentlich super. Ich habe mich gerne im Training gepusht und gequält. Das Training war sehr hart, aber es war auch spannend. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, wenn du bei Felix Magath trainierst. Entweder du zerbrichst daran, oder du stehst es durch und kommst dadurch in deiner Entwicklung einen Schritt weiter. Seine Mentalität hat mich in gewisser Weise auch geprägt, auch für meine jetzige Arbeit als Trainer. Trotzdem waren wir irgendwie wie Feuer und Wasser. Ich konnte machen, was ich wollte, ich konnte es ihm nie recht machen. Das war zumindest mein Gefühl. Jede Entscheidung, die ich auf dem Feld getroffen habe, war gefühlt die falsche für ihn. Wir hatten einige Einzelgespräche, aber wir sind nicht zusammengekommen. Deshalb war für mich klar, dass ich eine neue Herausforderung suchen musste, die ich dann in Gladbach gefunden habe. Leider hatte ich dort sehr mit Verletzungen zu kämpfen und bin nie in die Form gekommen, die ich von mir selbst erwartet hatte. Das war kein gutes Jahr für mich.

Bevor wir über Ihren Wechsel zum KSC sprechen: 2002 erlebten Sie ein großes Highlight der Karriere mit der WM-Teilnahme für Südafrika in Südkorea. Und Sie schieden auf ganz bittere Art und Weise aus. Erzählen Sie.

Carnell: Oh, Mann, das war verrückt. Wir haben 2:2 gegen Paraguay gespielt und dann 1:0 gegen Slowenien gewonnen. Mit vier Punkten aus zwei Spielen hast du normalerweise sehr gute Chancen, die Gruppenphase zu überstehen. Wir haben dann ein richtig gutes Spiel gegen Spanien gemacht, zweimal einen Rückstand aufgeholt, aber dann hat Raul in der zweiten Halbzeit mit seinem zweiten Tor die Spanier zum Sieg geschossen. Das wäre immer noch nicht so schlimm gewesen, aber gleichzeitig hat Paraguay in den letzten 20 Minuten das Spiel gegen Slowenien noch gewonnen und wir waren wegen eines einzigen Tores raus. Wir hatten beide ein ausgeglichenes Torverhältnis, aber Paraguay hatte ein Tor mehr. Das war so schade, weil wir damals eine geile Truppe hatten mit Benni McCarthy, Quinton Fortune, Lucas Radebe und Co. - wir hätten da noch weit kommen können. Aber es war trotz allem eine tolle Erfahrung.

Sie sind dann 2005 zum KSC gewechselt. Als VfB'ler keine einfache Geschichte...

Carnell: Ich weiß natürlich um die Rivalität und Feindschaft, aber ehrlich gesagt hat das für mich keine Rolle gespielt. Es war nie ein Thema in all den Jahren. Für mich war nach der schlechten Zeit in Gladbach das Thema, dass ich meiner Karriere wieder neuen Zündstoff geben musste. Ich sage es auch heute als Trainer oft zu meinen Jungs, dass du manchmal an einem Punkt bist, an dem du alles in die Tonne kloppen und wieder von vorne anfangen musst. Das war damals so eine Situation für mich. Dick Advocaat hatte in Gladbach 13 neue Spieler geholt, darunter Christian Ziege für die linke Seite, für mich war da kein Platz mehr. Als ich dann sehr gute Gespräche mit KSC-Coach Ede Becker hatte und eine große Wertschätzung verspürte, war mir klar, dass ich nach Karlsruhe will. Zumal es familiär super für mich war. Ich hatte meine Frau in Stuttgart kennengelernt, nach Karlsruhe waren es nur 40 Minuten auf der A8 - es hat einfach gepasst. Besonders gerne erinnere ich mich natürlich an die Aufstiegssaison, als wir als Erster frühzeitig den Aufstieg perfekt machten. Christian Eichner und ich bildeten damals auf der linken Seite ein super Duo, das hat total Spaß gemacht.

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