Mit 16 Jahren und acht Monaten debütierte er beim AC Milan in der Serie A. Der Teenager wurde Stammkeeper bei einem der schillerndsten Klubs der Welt, später dann fast folgerichtig die Nummer eins in der Nationalmannschaft seines Landes. In diesem Sommer dann die vorläufige Krönung mit dem Triumph bei der Europameisterschaft. Man übertreibt wohl nicht mit der Einschätzung: In der Karriere von Gianluigi Donnarumma ging es bisher nur bergauf.
Nun ist der 22-Jährige erstmals raus aus seinem natürlichen Habitat, Donnarumma hat sich im Sommer Paris St.-Germain angeschlossen und erlebt seither auch die eher unschönen - und für ihn bisher völlig unbekannten - Seiten des Geschäfts: Gianluigi Donnarumma, das Wunderkind, der Europameister, einer der besten Torhüter der Welt, sitzt bei PSG nur auf der Bank.
Lionel Messi hat für den FC Barcelona in 778 Pflichtspielen wahnwitzige 973 Scorerpunkte erzielt. Neunhundertdreiundsiebzig! Kein Spieler vor ihm hat die katalanische Großmacht so geprägt und noch immer streiten sich die Gelehrten, ob Messi vielleicht sogar der Beste aller Zeiten sein soll. Besser als Pele oder Maradona und auf alle Fälle auch besser als Cristiano Ronaldo.
Mbappe als tickende Zeitbombe
Man könnte annehmen, in Paris hätten sie sich einen Außerirdischen auf den Hof gestellt und irgendwie ist diese Sichtweise auch gar nicht so verkehrt. Aber bisher: Kaum Spiele, keine Tore, stattdessen ein Messi auf der Bank, der entweder traurig oder wütend dreinblickt oder beides zusammen.
Kylian Mbappe ist ein auf Welterfolg gezüchteter Superstar, ein Kind des weltweit überlegenen französischen Ausbildungssystems und für viele Beobachter jetzt schon ein fester Bestandteil jener Generation, die auf Messi und Ronaldo folgen und den Weltfußball dominieren wird. Mbappe war bisher unter den Superstars bei PSG in etwa auf einer Stufe mit Neymar, auf dem Platz sakrosankt.
Abseits des Platzes aber ebenso schnell beleidigt, unzufrieden, sauer auf seinen Arbeitgeber. Nicht eben der leichteste Charakter und spätestens seit dem geplatzten Wechsel zu Real Madrid für die Verantwortlichen in Paris auch eine tickende Zeitbombe.
Donnarumma-Berater macht schon Druck
Donnarumma, Messi, Mbappe: Das ist ja nur die Spitze. In Paris' Kader tummeln sich ja noch Neymar, Sergio Ramos, Gini Wijnaldum oder Angel di Maria. Alphatiere mit einem angeborenen Führungsanspruch und es stellt sich wie vermutlich noch nie zuvor die Frage: Wer soll diesen Zirkus bändigen - und wie? Derzeit hat Trainer Mauricio Pochettino jedenfalls mehr mit Nebenkriegsschauplätzen zu tun als mit seiner eigentlichen Arbeit als Fußballlehrer.
Der umtriebige und angeblich auch etwas durchtriebene Berater Mino Raiola lässt nun festhalten, dass er sich um einen alternativen Arbeitgeber für seinen Schützling Donnarumma umschaue. Der ist schließlich nicht als Bankwärmer nach Paris gekommen, sondern um zum besten Keeper der Welt zu werden und im Idealfall noch die Königsklasse zu gewinnen.
Raiola platziert eine entsprechende Wendung im Corriere della Sera und schon ist das Gerücht in der Welt, der Spieler wolle Paris nach wenigen Wochen schon wieder verlassen. Weil er traurig sei und nicht an Keylor Navas vorbeikommt.
Pochettino muss sich rechtfertigen
Messi wurde von Pochettino ausgewechselt, wie jeder andere handelsübliche Spieler auch. Und das gleich im dritten Spiel und ohne ein Tor erzielt zu haben. Die Folge war der erste öffentliche Streit zwischen dem Super-Superstar und seinem deutlich weniger glamourösen Trainer. Messi soll - je nach Lesart - seinem Vorgesetzten den Handschlag verweigert haben. Der wiederum musste sich auf der Pressekonferenz nach dem "Affront" gleich rechtfertigen.
"Wir sind hier, um Entscheidungen zu treffen. Ob es den Leuten gefällt oder nicht", erklärte Pochettino, der "nur zum Wohle der Mannschaft" gehandelt habe. "Manchmal haben die Entscheidungen positive Folgen, manchmal auch nicht."
Für Pochettino jedenfalls waren die Folgen deutlich vernehmbar und ein erster Vorgeschmack auf das, was da noch kommen wird. Der Argentinier dürfte sich permanent in die Ecke gedrängt fühlen, weil er es schlicht niemals jedem recht machen kann.
Mbappe vs. Neymar: Hat hier jemand Penner gesagt?
Jüngster "Skandal" im neuen Epizentrum der Hauptstadt ist der vermeintliche Zwist zwischen Neymar und Mbappe. Letzterer soll Ersteren am vergangenen Samstag nach seiner späten Auswechslung im Spiel gegen Montpellier, das PSG ohne Treffer eines Superstars gewann, sondern dank der Tore der allzu weltlichen Kicker Idrissa Gueye und Julian Draxler, einen "Penner" (franz. Clochard) genannt haben.
Das jedenfalls vermeinen Lippenleser im Auftrag der L'Equipe aus Mbappes Gespräch mit dem ebenfalls ausgetauschten Gueye auf der Pariser Bank extrahiert zu haben. Womöglich habe er aber auch etwa anderes gesagt, jedenfalls schien sich der Weltmeister von 2018 darüber beschwert zu haben, dass Neymar ihn in der 60. Spielminute frei vor dem gegnerischen Tor übersehen hatte. So oder so ein hübsches Stückchen Plot, um die Geschichte der Entfremdung der einstigen Fußball-Brüder weiter zu erzählen.
Jetzt schon größtes Theater in Paris
Freilich läuft es sportlich auch nicht rund. Der Auftritt in der Champions League gegen Brügge war schlecht und auch in der Liga hakt es noch im einen oder anderen Spiel. Unterm Strich steht aber die makellose Bilanz von acht Siegen aus acht Ligaspielen. Und trotzdem herrscht eine dauerhafte Unruhe. Pochettino bekommt eine frühe Ahnung, davon, dass sein Job der schönste und der undankbarste der Welt sein kann.
Der schönste, weil er aus einem schier unerschöpflichen Reservoir an Spitzenkräften wählen und Spiele schon dank der individuellen Qualität seiner Spieler gewinnen kann. Undankbar, weil jeder dieser Spieler ein übergroßes Ego mit sich herumträgt und offenbar gar nicht daran denkt, sich selbst ein wenig zurückzunehmen.
Und weil es in der Geschichte des professionellen Fußballs noch gar keine Referenzgröße dieser Art gibt. Selbst die ebenso legendären wie unterm Strich eher überschaubar erfolgreichen Galacticos Real Madrids Mitte der Nullerjahre waren nicht vergleichbar mit dem Überangebot an absoluten Welt-Stars, das PSG nun sein Eigen nennen darf - zumal in Madrid die Mannschaft damals auch von Granden aus dem eigenen Stall wie Iker Casillas, Guti oder Raul aufgepeppt wurde. Bei PSG spielt derzeit nur der bei PSG ausgebildete Presnel Kimpembe dauerhaft, alle anderen Stars wurden teuer zugekauft.
Bei Paris St.-Germain kommt schon nach wenigen Wochen das ganz große Fußball-Theater zur Aufführung. Das war einerseits erwartbar, auf der anderen Seite aber darf man jetzt schon mutmaßen, was erst passiert, wenn die Erfolge mal ausbleiben. Wenn es also in der Champions League so richtig knirscht. Oder Donnarumma auch in ein paar Wochen noch auf der Bank sitzt. Oder Messi wieder ausgewechselt wird. Oder Mbappe mal wieder schmollt.